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Immunadsorption: die bessere Eskalation zu Cortison?

Wenn die erste Kortisongabe nicht wirkt, scheint eine "Blutwäsche" besser zu wirken als nochmals Kortison, so eine deutsche Studie mit 42 Patienten. - Prof. Mathias Mäurer erläutert die Studienergebnisse.

Über Multiple Sklerose wird viel geforscht; das meiste zur immunmodulatorischen Behandlung. Wenig Neues hört man hingegen über die symptomatische oder die Schubtherapie. Umso erfreulicher, dass eine Studie nun mit Ergebnisse zur Schubtherapie aufwarten kann. Noch dazu, weil diese Ergebnisse überraschen,

Es geht darin um die sogenannte Immunabsorption. Das ist eine Art von Blutwäsche, allerdings nicht zu verwechseln mit einer Dialyse bei Nierenkranken. Sie wird bislang sehr selten angewendet, und wenn, dann erst nach zweimaliger Cortison-Stoßtherapie. Allerdings weiß man auch schon lange, dass es Patienten gibt, die auf eine Immunabsorption deutlich besser ansprechen als auf Cortisongabe.

Immunabsorption von Vorteil bei bleibenden Defiziten

Eine prospektive Studie aus Düsseldorf und Münster zeigte nun, dass eine Immunabsorption sehr deutlich bessere Ergebnisse erzielte als eine erneute doppelt dosierte Cortisongabe. 42 Patienten, die weiterhin neurologische Defizite hatten, (z.B. Lähmungen) trotz erster Cortison-Stoßtherapie (1.000 mg über 5 Tage), erhielten danach entweder eine zweite Cortisongabe (26 Patienten 2.000 mg über 5 Tage) oder Immunabsorption (16 Patienten 6 Sitzungen in 6-8 Tagen).

Die Immunabsorption trennt Blutzellen, Immunglobuline und Plasma voneinander, das bereinigte Plasma wird dann wieder zusammen mit den Blutzellen in den Körper des Patienten zurückgegeben (mehr dazu hier auf MS-Docblog).

In der Immunabsorption-Gruppe gingen die Symptome bei allen Patienten zurück, in der Cortison-Gruppe war bei 9 von 26 Patienten eine dritte Behandlung nötig (diesmal auch die Immunabsorption). Das sind sehr deutliche Zahlen, wenngleich die Gruppe natürlich klein war.

Um die Ergebnisse zu untermauern, führten die Forscher eine Follow-Up-Untersuchung durch: Sowohl bei EDSS als auch bei den evozierten Potenzialen, der Lebensqualität und den NfL-Werten (eine Blutmessung, um die Neurodegeneration zu bewerten) zeigte sich die Immunabsorptionsgruppe der Cortisongruppe überlegen. Außerdem zeigten Tests, dass die Immunabsorption die B-Zellen stark reduziert hatte, während der Einfluss von Kortison auf diese Entzündungszellen sehr gering war.

Der Nachteil am Vorteil: der Aufwand

Die Immunabsorption als Eskalation der Schubtherapie ist nichts Neues. Es gibt auch eine Untergruppe von MS-Patienten, die grundsätzlich besser ansprechen auf diese Form der – einfach gesagt – "Blutaufbereitung". Standard ist die zweite, evtl. in der Dosis verdoppelte Gabe von Kortison über 5 Tage. Erst danach, und alles in einem relativ kurzen Zeitfenster, kommt die Immunabsorption in Betracht. Die aktuelle Studie legt nahe, damit schon direkt nach dem ersten Nichtansprechen auf Cortison zu therapieren.

Standards sind das eine. Das andere ist der Aufwand, den eine Immunabsorption mit sich bringt: Nicht nur kostet diese mehr; sie ist auch invasiver als eine Infusion und meist nur im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes zu machen. Die Patienten benötigen dafür einen großen Venenkatheter am Hals, was bedeutet, den Beruf, das Zuhause und die Familie relativ spontan (ein Schub lässt sich bekanntlich nicht planen) für ein paar Tage zu verlassen. Gegenüber 5 Mal eine Stunde Cortisoninfusion (oder sogar Tabletten zu Hause) ist das schon ein deutlich größerer Aufwand, den viele möglicherweise scheuen würden, selbst wenn sie eine Immunabsorption schon nach der ersten Cortisongabe angeboten bekämen.

Die Ergebnisse der aktuellen Studie allerdings sprechen für sich: bleibende Behinderungen nach einem Schub zu vermeiden. Nicht nur die MS ist chronisch. Jedes einzelne Symptom kann chronisch werden und Lebensqualität für das weitere Leben rauben. Da ist eine Woche Krankenhaus womöglich gut investierte Zeit. Für die Patienten, die Ärzte und die Kassen.

Quellen: MS-Docblog, 28.09.2022; Journal of Neuroinflammation, 07.09.2022.

Redaktion: AMSEL e.V., 06.10.2022