Spenden und Helfen

Genvariante plus Virus gleich MS?

Ein Forschungsteam der Universität Zürich hat entdeckt, dass eine weit verbreitete Genvariante in Kombination mit durchgemachtem Pfeifferschen Drüsenfieber das Gehirn angreift und Multiple Sklerose entstehen lässt.

Multiple Sklerose ist ein sehr komplexes Krankheitsbild. Es gibt verschiedene Verläufe und eine schier unzählige Anzahl an Symptomen. Bei jedem einzelnen Menschen verläuft MS ein bisschen oder sogar ganz anders. Doch nicht nur das Krankheitsbild selbst ist komplex, auch seine Entstehung. Ein weiteres Puzzle, wie Multiple Sklerose entsteht, haben nun Forscher der Züricher Universität entdeckt.

Schon lange haben Wissenschaftler weltweit vermutet, dass es neben einer genetischen Prädisposition mindestens eines Umweltfaktors bedarf, also eines nicht genetischen Faktors, damit ein Mensch Multiple Sklerose entwickelt. Sowohl verschiedene Genvarianten wurden entdeckt als auch der Zusammenhang mit einem bestimmten Virus vermutet: dem Epstein-Barr-Virus.

Aus eigentlich genetischem Vorteil entwickelt sich Multiple Sklerose

Die Züricher Forscher konnten nun zeigen, wie genau die Genvariante HLA-DR 15 und das Epstein-Barr-Virus "zusammenarbeiten". Träger dieser Genvariante können den Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers besonders gut erkennen. Sie besitzen T-Zellen, die genau darauf programmiert sind. Was eigentlich ein Vorteil ist, wird jedoch später zum Nachteil: Gleichzeitig mit dem Erkennen und dem folgenden Angriff auf die Epstein-Barr-Viren, so die Züricher Forscher, gelangen nämlich im Moment einer aktiven Erkrankung mit dem Pfeifferschen Drüsenfieber Antikörper ins Gehirn. Und zwar genau jene Antikörper, welche zu einer Multiplen Sklerose führen, sprich die Myelinscheiden der Nervenfasern angreifen.

Dass die Genvariante HLA-DR 15 unter Menschen mit Multipler Sklerose besonders häufig vorkommt – 60 % der MS-Betroffenen tragen diese Genvariante, während es in der Allgemeinbevölkerung nur 25 % sind –,  ist schon Jahrzehnte bekannt. Auch ein Wechselspiel zwischen Genvariante und Epstein-Barr-Virus wird schon lange vermutet, der Mechanismus war jedoch nicht bekannt. Den haben nun die Schweizer Forscher zeigen können, indem sie nachgewiesen haben, dass die Immunsysteme von Menschen mit dieser Genvariante den Erreger, also das Epstein-Barr-Virus, besonders gut erkennen können. Kommen Genvariante und ein symptomatisches Pfeiffersches Drüsenfieber zusammen, so steigt das Risiko, eine MS zu entwickeln auf das 15-fache. Antikörper gegen das Epstein-Barr-Virus haben die meisten Menschen. Von einer symptomatischen Infektion spricht man, wenn die Erkrankung tatsächlich ausbricht. Nicht immer wird das Pfeiffersche Drüsenfieber dann allerdings diagnostiziert, weil es sich ähnlich äußern kann wie eine normale Angina.

Dieser grundlegende Mechanismus könnte bei mehreren Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielen. Außerdem erhoffen sich die Forscher, dass aus dieser Erkenntnis neue Therapieansätze hervorgehen.

Ein Wehmutstropfen an dieser Entdeckung bleibt: Er kann nur das Entstehen von ca. 60 % der Menschen mit Multipler Sklerose erklären. Weitere Ursachen müssen noch geklärt werden, um die Multiple Sklerose besser behandeln oder sie womöglich vermeiden zu können.

Quellen: Cell, 21.10.2020; Pressemitteilung der Universität Zürich, 22.10.2020.

Redaktion: AMSEL e.V., 23.10.2020