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GFAP - Biomarker für schleichende Verschlechterung bei MS

Das Fortschreiten der schleichenden MS im Blut messen: Dies ist möglich mit dem Protein GFAP. - Professor Jens Kuhle erklärt im Video, wie das funktioniert. Und wie der Biomarker Patienten helfen kann.

Beim Biomarker GFAP handelt es sich, ähnlich wie bei NFL (amsel.de hatte berichtet), um ein im Blut messbares Strukturprotein. Auch bei GFAP werden mittels neuster Messmethoden verschwindend geringe Mengen an GFAP gemessen (Piktogramm je Milliliter).

Im Unterschied zu NFL, das zur Messung von Schüben eingesetzt wird, lässt sich mit dem sogenannten sauren Gliafaserprotein, kurz: GFAP, die langsam schleichende Verschlechterung einer Multiplen Sklerose messen. NFL erfasst als "Nervenzellprotein" den Untergang von Nervenzellen, während GFAP als "Astrozytenprotein" die Progredienz (oder auch "Progression") einer MS messen – und sogar vorhersagen – kann. Astrozyten sind häufig im Gehirn vorkommende Stützzellen. Multiple Sklerose beginnt meist schubförmig.

Sehr häufig kommt es im Laufe einer MS zu einer langsam schleichenden Verschlechterung beziehungsweise der Anteil der schleichenden Verschlechterung nimmt im Laufe der Erkrankung zu (weswegen man inzwischen Abstand nimmt von einer "starren" Einteilung in schubförmige und schleichende MS-Verläufe). Jüngere Forschungen zeigen, dass der Anteil der schleichenden Verschlechterung auch bei sogenannten schubförmigen Verläufen von Anfang an präsent ist. Die langsam zunehmende Verschlechterung zu messen, ist also sehr wertvoll, nicht zuletzt für Wirkstoffstudien, aber auch um eine schleichende Verschlechterung "vorherzusagen".

GFAP-Wert misst schleichenden Verlauf bei MS-Patienten

Dabei ist die Höhe von GFAP stark altersabhängig, bei (gesunden) Frauen grundsätzlich höher als bei Männern und kann eine bevorstehende schleichende Verschlechterung 3-5 Jahre vorhersagen. Es ist also interessant zum einen

  • für den einzelnen Patienten, damit er künftig vielleicht weiß, wann es ratsam ist, die Therapie gegen die langsame Progredienz (primär und sekundär progrediente MS) zu intensivieren. Mittlerweile sind einige Wirkstoffe auch für progrediente MS zugelassen.

Zum anderen kann GFAP aber auch 

  • im Rahmen von Wirkstoffstudien, also auf Gruppenebene, helfen, besser zu beurteilen, ob ein Wirkstoff auch wirkt. Denn GFAP kann die Progredienz als Ganzes erfassen, während andere Messmethoden wie etwa die Gehstreckenmessung oder motorische Tests wie der Nine-Hole-Peg-Test (hierbei müssen die Patienten in möglichst kurzer Zeit neun Stäbe in ein Holzkästchen stecken) ungenau und zudem tagesabhängig sind. Hinzu kommt, dass mit den herkömmlichen Tests und Skalen wie EDSS nur ein Teil der vielen möglichen ("1.000") Symptome einer MS gemessen werden kann. Die MS, so Kuhle, ist schwierig zu quantifizieren: Ob Blasenbeschwerden, Stimmungsschwankungen oder ein Kribbeln im Daumen – den meisten gängigen Tests würden solche Verschlechterungen entgehen. Der GFAP-Wert hilft zwar, eine progrediente Verschlechterung im Rahmen einer MS objektiv zu quantifizieren. Die Multiple Sklerose vorhersagen, in ihrer genauen Ausprägung für den einzelnen Patienten, wird er jedoch nicht können.

Und es sind beim gliasauren Faserprotein noch einige Schritte nötig, um es in der Praxis für einzelne Patienten anzuwenden. Im Rahmen von Studien, also auf Gruppenlevel, wird GFAP dagegen schon vermehrt eingesetzt. 

Die Hoffnung besteht, mit GFAP-Messungen im Blut von Patienten genauer zu sein als mit Klinik, MRT und Liquor und zusammen mit den bekannten Messmethoden durch eine "einfache" Blutmessung künftig auch für individuelle Patienten Therapieempfehlungen herzuleiten, sei es nun, dass die Therapie eingesetzt bzw. gesteigert, aufgegeben oder so belassen werden sollte, um eine möglichst hohe Lebensqualität für Menschen mit Multipler Sklerose zu erreichen.

Quelle: AMSEL-Video zu GFAP mit Sobek Forschungspreisträger Prof. Dr. med. Jens Kuhle, 21.03.2025.

Redaktion: AMSEL e.V., 21.03.2025