Klar, wer einen Kinderwunsch hat, lässt große Vorsicht walten, wenn es um Medikamente geht. Schließlich weiß man vorher nicht genau, wann es klappt, mit der Schwangerschaft. Das sehen viele Frauen mit Multipler Sklerose auch so. Gerade bei den Immunmodulatoren gegen MS.
Allein in den vergangenen zehn Jahren sind so viele neue MS-Wirkstoffe zugelassen worden wie in den zwanzig Jahren davor zusammengenommen. Getestet werden potenzielle Wirkstoffkandidaten zunächst natürlich bei Nicht-Schwangeren. In der Packungsbeilage steht nach der Zulassung dann – wie bei vielen anderen Medikamenten auch – zunächst oft ein Warnhinweis. Dass das Medikament keinesfalls während der Schwangerschaft eingenommen werden sollte, etwa. Nicht während des Stillens. Bei manchen Wirkstoffen wird bzw. wurde sogar empfohlen, sie ein Jahr vor der Empfängnis abzusetzen. Schließlich gibt es zunächst noch keine wissenschaftlichen Daten zu möglichen negativen Auswirkungen auf die Schwangerschaft, auf das Ungeborene oder das Kind nach der Geburt.
Daten zu DMT vor und während der Schwangerschaft
Dann kommen Beobachtungsstudien. Von schwangeren Müttern, die zum Beispiel unbeabsichtigt während der Therapie mit einem MS-Wirkstoff schwanger wurden. Oder die das Risiko auf sich genommen haben und im ersten Schwangerschaftsdrittel weiter therapiert wurden, weil sie eine hoch-aktive MS haben. So entstehen auch nach der Zulassung mehr und mehr “Schwangerschafts-Daten” zu einzelnen Wirkstoffen. Die zeigen, dass zum Beispiel schwanger zu werden und ein bestimmtes (hoch-potentes) MS-Mittel erst im dritten Schwangerschaftsmonat abzusetzen, keinen negativen Einfluss auf die Schwangerschaft, das Ungeborene oder das spätere Kind haben.
In den vergangenen Jahren gab es eine solche Entwarnung für einige immunmodulatorische MS-Wirkstoffe (oder auch “DMT” = Disease Modifying Therapy). Daher ist es erstaunlich, dass dennoch weiterhin signifikante Unterschiede bestehen, zwischen der Therapie von Frauen im gebärfähigen Alter und der gleichaltriger Männer. Zudem erhalten Frauen häufiger weniger wirksame Therapien als MS-erkrankte Männer in der Vergleichgruppe. Prof. Mathias Mäurer berichtet auf MS-Docblog über Studien dazu.
Gender-Gap in der MS-Therapie? Müsste nicht sein!
Dieser “Gap”, diese Lücke also, müsste nicht sein. Im Gegenteil, sollten Frauen mit Kinderwunsch gerade in dem Jahr vor der Schwangerschaft, für den Fall, dass sie die Schwangerschaft selbst oder die letzten beiden Schwangerschaftsdrittel ohne Therapie verbringen möchten, möglichst stabil sein, was ihre Multiple Sklerose betrifft, und das erreicht man bzw. in diesem Fall “frau” am besten mit einer auf den individuellen Verlauf angepassten Therapie (also eher Wirksamkeitskategorie 2 als 1 oder Wirksamkeitskategorie 3 anstatt von 2, um diese Stabilität zu erreichen). Neuere Daten zeigten, so Mäurer, dass die hochwirksamen anti-CD20 Antikörper keine Gefährdung des Kindes nach sich ziehen. Das gilt sowohl für die Zeit vor der Empfängnis, als auch während der Schwangerschaft.
Prof. Mathias Mäurer hat mehrfach über Schwangerschaft und MS-Therapien berichtet, zuletzt im Februar 2025.
Stattdessen sind Frauen im gebärfähigen Alter unterversorgt, was ihre MS-Therapie betrifft. Das mag auch daran liegen, dass es nicht immer gleich klappt, mit dem Schwangerwerden. Oder der Kinderwunsch wieder verschoben, die MS-Therapie aber nicht sofort wieder aufgenommen wird. Es mag auch damit zusammenhängen, dass MS-betroffenen Paaren mit Kinderwunsch schlicht die aktuellen Informationen zu den Wirkstoffen fehlen. Vieles ist heute möglich, was vor wenigen Jahren noch nicht “ging”. Darum informieren Prof. Mathias Mäurer und AMSEL kontinuierlich und unabhängig über Veränderungen in der Therapielandschaft der MS.
Quelle: MS-Docblog, 31.10.2025.
Redaktion: AMSEL e.V., 31.10.2025
