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Frühphase oder erste Schübe?

Münchner Wissenschaftler zweifeln an der sogenannten Prodromalphase der Multiplen Sklerose. Es könnten stattdessen schon erste, unentdeckte Schübe sein, die spätere MS-Patienten lange vor ihrer Diagnose viele Ärzte aufsuchen lassen.

Die Multiple Sklerose beginnt oft schon einige Zeit, bevor sie diagnostiziert wird. Das liegt zum einen daran, dass MS bis zu den MRT-Aufnahmen eines zweiten Schubes eine Ausschlussdiagnose ist und diese Zeitspanne bis zur gesicherten Diagnose durchaus Jahre ausmachen kann. Das liegt aber auch an der Frühphase der MS. Bisher gingen Wissenschaftler von einer sogenannten Prodromalphase aus, also einer Vorläuferphase ohne Schübe. Gezeigt hatte sich dies anhand retrospektiv erhobener Daten. Sie wiesen daraufhin, dass später mit MS Diagnostizierte in den Jahren vor ihrer Diagnose öfter Ärzte verschiedener Fachrichtungen aufsuchten.

Bislang ging man davon aus, dass es eine solche schubfreie Vorphase gibt. Wissenschaftler der Technischen Universität München haben nun Daten gewinnen können, die darauf hinweisen, dass es sich auch in der Phase vor der Diagnose bereits um Schübe handelt, nur zeigen sich diese Schübe oft so undeutlich und die Symptome verschwinden zunächst wieder gänzlich, dass sie durchs Raster der Untersuchungen fallen. Es sei angemerkt, dass die Diagnose der MS ohnehin erschwert sein kann, da sie gerade zu Beginn eine Unzahl an Symptomen hervorrufen kann, die einzeln betrachtet nicht oder nicht direkt auf MS schließen lassen.

Führen MS-Symptome früh zum Arzt?

Das Team um Prof. Bernhard Hemmer konnte nun zeigen, dass die bisher einer Prodromalphase zugeordneten Beschwerden, welche die Menschen zu den Ärzten und auch in Krankenhäuser brachten, vermehrt MS-Symptomen zugeordnet werden können. Das hieße, dass es keine echte Prodromalphase ohne Schübe gibt, sondern die MS von Anfang an aktiv aber noch nicht erkannt ist. Es geht also darum, erste Schübe auch als solche zu erkennen und (etwa durch Kernspinaufnahmen) zu dokumentieren. Die ambulanten Versorgungsdaten von mehreren Tausend Patienten stammen von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB).

Eine noch aufmerksamere und damit frühere Diagnose könnte in vielen Fällen helfen, früher zu diagnostizieren und früher zu behandeln. Gerade die rechtzeitige Behandlung zu Beginn der MS wirkt sich positiv auf die Krankheitsprogression und damit auf die Lebensqualität der Menschen mit MS aus. Das liegt daran, dass das Entzündungsgeschehen zu Beginn stark dominiert und im Laufe der Erkrankung abnimmt. Der degenreative Fortschritt hingegen ist zu Beginn schwach udn verstärkt sich zunehmend. Nur den entzündlichen Teil kann man aber bisher gut behandeln.

Quelle: Pressemitteilung der Technischen Universität München, 21.06.2021.

Redaktion: AMSEL e.V., 29.06.2021