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Freiheit von Krankheitsaktivität

Das Ziel der Behandlung von Multipler Sklerose war lange Zeit die Reduktion der Krankheitsaktivität. Doch immer mehr Wirkstoffe haben die "Freiheit von Krankheitsaktivität" zum Ziel.

Seit der Einführung von Interferon beta 1b 1993 ist die Zahl der krankheitsmodifizierenden Wirkstoffe gegen Multiple Sklerose in rasantem Tempo gestiegen. Aktuell zählt die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) 10 geprüfte Arzneimittel. Alle haben unterschiedliche Auswirkungen auf wichtige klinische und bildgebende Marker der Krankheitsaktivität.

Natalizumab war das erste MS-Mittel, das in einer Studie nach der "Freiheit von Krankheitsaktivität" (engl.: Disease Activity Free Status, kurz: DAFS) gemessen wurde, genauer: danach, wie viele Patienten unter der Behandlung weder klinisch noch bildgebend einen Krankheitsfortschritt erfuhren, bei denen (temporär) also die Krankheitsaktivität stoppte.

Es folgten Studien mit dem gleichen Endpunkt zu Cladribine (nicht zugelassen, daher kein Handelsname), Fingolimod (Gilenya), Dimethylfumarat (Tecfidera), und auch zu intramuskulärem Interferon beta-1a und Glatiramerazetat.

Eigentlich ein gutes Zeichen, mag man denken, doch der Status "Freiheit von Krankheitsaktivität" hat mehrere Haken. Zu allererst ist wichtig, wie lange eine Studie überhaupt dauert. Dass z.B. 80% der Patienten im Wirkstoffarm ohne Krankheitsaktivität waren, relativiert sich bei einer Studiendauer von nur 3 Monaten. Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne tut sich bei den meisten MS-Patienten wenig Messbares. Langzeitstudien mit DAFS als Studienendpunkt liegen noch nicht vor. Es gibt dieses Studienziel selbst noch nicht sehr lange.

Und dann ist die Frage, was man eigentlich misst: EDSS ist die einzige anerkannte Skala für den klinischen Fortschritt der MS; sonst fehlen hier die Standards. Umgekehrt heißt das: DAFS wird hauptsächlich durch bildgebende Verfahren beeinflusst, im Falle der MS meist MRT-Bilder. Welche Art von Läsionen wie als Krankheitsfortschritt gewichtet werden - auch darüber lässt sich trefflich streiten. Eines steht jedenfalls fest: Dass die Bilder oft herzlich wenig mit dem klinischen Fortschritt der Erkrankung zu tun haben.

So hatten der Kombinationsarm einer Studie zu Glatirameracetat in Verbindung mit Interferon beta-1a (CombiRx) signifikant gesteigerte DAFS-Werte. Klinisch betrachtet brachte die Kombigabe der Mittel jedoch gar keinen Vorteil.

Die "Freiheit von Krankheitsaktivität" kommt aus Studien anderer immungesteuerter Krankheiten, hauptsächlich rheumatische Erkrankungen. Hier sieht der Fall anders aus: klinisches und radiologisches Bild stimmen eher überein.

Und doch versucht der DAFS einem Missstand gerecht zu werden: Gerade kürzere Studien von geringer Dauer haben mit dem Endpunkt "Freiheit von Krankheitsaktivität" einen enormen Vorteil gewonnen: Ergebnisse sind feiner zu messen als mit bloßer Messung der Schubraten, vor allem bei Patienten in der Frühphase der Multiplen Sklerose. Doch der Status "Freiheit von Krankheitsaktivität" bedarf dringend einer Standardisierung, um auch studienübergreifend Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen, so die Autoren von JAMA.

Quelle: JAMA, Disease Activity Free Status, März 2014

Redaktion: AMSEL e.V., 11.03.2014