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Freie Kappa-Leichtketten als Biomarker für Schubrisiko?

Insbrucker Wissenschaftler konnten zeigen, dass bestimmte Leichtketten im Liquor das Schubrisiko von Multipler Sklerose anzeigen könnten. Das würde die Therapiewahl erleichtern.

"Hit hard and early", also gleich von der Diagnose an Therapien mit starkem Wirksamkeitsgrad wählen, oder zunächst sanfter behandeln und erst dann den Wirkungsgrad steigern, wenn die zunächst gewählte Therapie nicht ausreicht? Diese Frage beschäftigt Ärzte und Patienten mit Multipler Sklerose oft, vor allem nach der Diagnose. Ein Medikament mit schwächerem Wirkungsgrad bringt in der Regel ein geringeres Nebenwirkungsrisiko mit sich. Doch wenn die Krankheit erst weiter fortgeschritten ist und ein Schub sich nicht mehr ganz zurückbildet, kann man das Rad der Zeit nicht mehr zurückdrehen.

Leider lässt sich bisher der weitere Verlauf einer MS nicht individuell vorhersagen. Das MRT allein liefert nicht genügend Hinweise für eine Prognose. Weitere MRT-Bilder im Verlauf ermöglichen erst im Nachhinein Anhaltspunkte für die notwendige Wirkstärke der Therapie.

Personalisierte Therapie dank individueller Prognose

Insbrucker Forscher um den Neuroimmunologen Harald Hegen von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie haben nun einen "Stoff", genauer ein Protein im Nervenwasser entdeckt, der eine Prognose für den individuellen Verlauf geben kann: die freien Kappa-Leichtketten. In einer Studie beobachteten sie dazu 88 Patienten vom ersten MS-assoziierten Ereignis an für insgesamt vier Jahre. Es zeigte sich, dass diejenigen Patienten, deren freie Kappa-Leichtketten zu Beginn im Liquor erhöht waren (ein sog. κ-FLC Index  von über 100) im Durchschnitt nach bereits 11 Monaten den 2. Schub erlitten, während Patienten mit einem κ-FLC Index  von unter 100 im Schnitt erst nach 36 Monaten den 2. Schub hatten. Dabei wurden weitere Rsisikoparameter wie Alter, Geschlecht, MRT Läsionslast und -aktivität berücksichtigt.

Leichtketten-Analyse – bei Multipler Sklerose bald Standard?

Sicherlich müssen größer angelegte Studien diese Daten noch belegen. Doch es wäre ein großer Schritt für MS-Erkrankte wie Ärzte und würde die Therapiewahl, besonders zu Beginn der MS für alle erleichtern und somit die Lebensqualität derjenigen Patienten mit einem progressiveren Verlauf verbessern.

Noch kein Standard, in vielen Studien jedoch bereits zur Prognose und Messung der Wirkung eingesetzt sind sog. Neurofilament-Leichtketten-Proteine, kurz Neurofilamente (amsel.de hatte berichtet). Durch ein spezielles Verfahren lassen sich diese inzwischen sogar im Blut nachweisen, was die Methode gegenüber einer Entnahme von Flüssigkeit aus dem Rückenmarkskanal erleichtert. Die Liquorentnahme wird allerdings zur Diagnose ohnehin herangezogen, was für eine Analyse der freien Kappa-Leichtketten bei Krankheitsbeginn spricht. Möglicherweise können beide Verfahren künftig zum Einsatz kommen.

Quelle: Neurology, 28.05.2021.

Redaktion: AMSEL e.V., 25.06.2021