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Forciert Adipositas bei MS Behinderungen?

Zu diesem Schluss kommt eine Beobachtungsstudie der nationalen MS-Kohorte. Ein kausaler Zusammenhang bleibt noch zu klären.

Es klingt fast etwas fies, über solche Studienergebnisse in der Vorweihnachtszeit zu berichten. Doch genau jetzt erschienen die Studienergebnisse im Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry. Daher gleich vorab Entwarnung: Der Zusammenhang zwischen Behinderungszuwachs und Gewicht gilt nur für adipöse MS-Patienten. Adipös bedeutet ein Body-Maß-Index (kurz: BMI) von 30 und höher. „Normal“ übergewichtige Menschen mit einem BMI unter 30 sind nicht betroffen. Ein Beispiel: Eine 33-jährige Frau von 1,65 m könnte 80 kg wiegen, wäre damit zwar übergewichtig, nicht jedoch adipös.

MS-Patienten mit Adipositas: nach 12 Monaten EDSS 3

Was die Wissenschaftler um Prof. Jan Jünemann, Universitätsklinikum Münster, herausgefunden haben, zeigt, dass MS-Patienten mit Adipositas (BMI > 30) einen deutlich schnelleren Behinderungszuwachs erleben als MS-Patienten ohne Adipositas. Genauer erreichten adipöse MS-Patienten bereits nach zwölf Monaten einen EDSS-Wert von 3, während es – im Durchschnitt – bei nicht adipösen Patienten 18 Monate dauerte, bis sie diesen Behinderungsgrad erreichten.

Ein EDSS-Wert von 3 bedeutet, dass ein Funktionssystem mäßig oder drei bis vier Funktionssysteme leicht eingeschränkt sind, also ein Patient zum Beispiel mäßiggradige Blasenstörungen hat oder aber leichte Probleme mit der Blase, dem Sehen und der Aufmerksamkeit, aber noch voll gehfähig ist.

Nach sechs Jahren erreichten adipöse MS-Patienten den Wert von drei fast doppelt so oft wie nicht adipöse Patienten, und zwar unabhängig von ihrer medikamentösen Behandlung. Die Hazard Ratio lag bei 1,87 und war damit statistisch signifikant. Das bedeutet, dass adipöse MS-Patienten 1,87-mal häufiger nach sechs Jahren bei einem EDSS-Wert von drei lagen als nicht adipöse Patienten.

Mehr Behinderungen bei gleich vielen Schüben

Für „nur“ übergewichtige MS-Patienten, also solche mit einem BMI von 25 bis 29,9, galt dies nicht. Die Daten fußen auf den Daten der nationalen MS-Kohorte. Eingeschlossen wurden 1.059 MS-Patienten. Bei Diagnose waren diese durchschnittlich 33 Jahre alt. 159 von Ihnen waren adipös.

Interessanterweise erlebten die adipösen MS-Patienten zwar einen beschleunigten Behinderungsfortschritt, nicht jedoch mehr Schübe oder Läsionen. Da es sich bei der Studie um eine Beobachtungsstudie handelt, kann ein kausaler Zusammenhang mit der Multiplen Sklerose nicht nachgewiesen werden. Jünemann zufolge begünstigen Übergewicht und Adipositas in der Lebensmitte auch unabhängig von Multipler Sklerose einen späteren Gehirnvolumenverlust in der grauen Substanz und das Entstehen von Demenz. Verschiedene Funktionsstörungen, ausgelöst durch Adipositas, könnten das Fortschreiten der Multiplen Sklerose forcieren, ohne erhöhte Läsions- oder Schubzahl.

Was sich bereits in anderen Studien bereits gezeigt hatte, war, dass Adipositas in jungen Jahren, also als Kind und Jugendlicher, das Risiko später an MS zu erkranken, erhöht.

Ein normales Gewicht zu halten, ist für die gesamte Lebensqualität wichtig, auch unabhängig davon, ob man an MS erkrankt ist oder nicht. Schön wäre für MS-Betroffene sicher, sie könnten beides auf einmal haben: ein gesundes Gewicht und gesunde Ernährung. Die AMSEL-Seite "Ernährung und MS" liefert dafür hilfreiche Infos und Ideen.

Quelle: Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, Ausgabe Januar 2023, online aufgerufen am 19.12.2022.

Redaktion: AMSEL e.V., 19.12.2022