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Fingolimod mit Zusatznutzen

Allerdings scheinen nur Frauen mit schwerer Multipler Sklerose deutlich weniger Schübe zu bekommen. Bei Patienten mit hochaktiver MS ohne abgeschlossene Interferon-Beta-Therapie haben beide Geschlechter einen Zusatznutzen.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat Fingolimod (Handelsname Gilenya®), einen Wirkstoff zur Behandlung von Erwachsenen mit hochaktiver schubförmig verlaufender Multipler Sklerose (RRMS), erneut gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) bewertet. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte seinen Beschluss zur Erstbewertung von 2012 auf drei Jahre befristet, da ihm die Datenlage nicht ausreichend sicher erschien. Das verpflichtete den Hersteller, ein zweites Dossier einzureichen.

Studien neu ausgewertet

Zwar hat er darin keine neuen Studien vorgelegt, bereits vorhandene aber neu ausgewertet. Und auf dieser Basis kommt das IQWiG zu anderen Schlussfolgerungen: Statt bei nur einer von insgesamt drei Patientengruppen lässt sich nun bei zwei von dreien ein Zusatznutzen aus den Daten ableiten. Wo das IQWiG zuvor einen Anhaltspunkt sah, sieht es nun einen Hinweis.

Auch für die erneute Dossierbewertung war eine Studie maßgeblich, nämlich die Zulassungsstudie TRANSFORMS. Für zwei Patientengruppen legte der Hersteller aber neue, stärker zwischen Untergruppen differenzierende Auswertungen vor.

Vorteil für Frauen mit Multipler Sklerose

Auf Basis der neuen Auswertungen zeigt sich bei Patientinnen und Patienten mit rasch fortschreitender schwerer RRMS jetzt nicht mehr ein Anhaltspunkt für, sondern ein Hinweis auf einen Zusatznutzen. Allerdings variiert dessen Ausmaß in Abhängigkeit vom Geschlecht: Bei Frauen ist es beträchtlich, bei Männern dagegen gering. Zwar sind bei beiden Geschlechtern Nebenwirkungen in Form von grippeähnlichen Symptomen seltener und bestimmte Nebenwirkungen (schwere unerwünschte Ereignisse) treten häufiger auf. Aber nur Frauen haben mit Fingolimod weniger Krankheitsschübe.

Zusatznutzen bei weiterer Patientengruppe mit unvollständiger Interferonbehandlung

Bei Patientinnen und Patienten mit hochaktiver, noch nicht vollständig (in der Regel kürzer als 1 Jahr) mit Beta-Interferon behandelter RRMS, zeigen die neuen Analysen von TRANSFORMS, dass Fingolimod Vorteile bietet. Aus dem ersten Dossier ergab sich dagegen kein Zusatznutzen.

Da sowohl die Anzahl der jährlichen Krankheitsschübe niedriger ist, als auch Nebenwirkungen in Form von grippeähnlichen Symptomen seltener auftreten, sieht das IQWiG hier einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie.

Für eine Gruppe fehlen weiterhin verwertbare Daten: für Patientinnen und Patienten mit hochaktiver RRMS, die bereits eine vollständige Vorbehandlung (mindestens 1 Jahr) mit Beta-Interferonen (IFN-ß 1a) erhalten haben. Die vom Hersteller erneut angeführten Ergebnisse eines indirekten Vergleichs sind weiterhin nicht geeignet, da die Patientinnen und Patienten in den Studien zur zweckmäßigen Vergleichstherapie zum großen Teil nicht vollständig vorbehandelt worden waren.

Insgesamt zeigt die aktuelle Bewertung für rund zwei Drittel aller Patientinnen und Patienten, für deren Behandlung Fingolimod 2011 zugelassen wurde (als Mittel der 1. Wahl für den (hoch-) aktiven schubförmigen Verlauf der MS, siehe Multiple Sklerose behandeln auf AMSEL.DE), einen Zusatznutzen. Sie bezieht sich allerdings allein auf das Anwendungsgebiet der Erstzulassung von 2011, nicht auf die 2014 ebenfalls zugelassene sowie gemäß AMNOG bewertete Indikation "hochaktive RRMS mit anderen Vorbehandlungen als Beta-Interferon".

Diese Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G-BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.

3. PML-Fall unter Fingolimod

Progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML)

PML ist eine seltene Gehirninfektion, ausgelöst durch das John-Cunningham-Virus (JCV) und mit Symptomen, die denen eines MS-Schubes ähneln können. Dies kann die Diagnose einer PML erschweren. PML kann schwere Behinderungen verursachen und sogar zum Tod führen. Verschiedene immunsuppressive MS-Therapien haben bereits diese seltene aber schwere Nebenwirkung ausgelöst.

Ob ein erneuter PML-Fall unter Fingolimod als Nebenwirkung eingeschätzt werden muss, bleibt abzuwarten. Hierbei, dem bisher 3. Fall von PML unter Fingolimod, handelt es sich um einen Patienten, der für 2,5 Jahre mit Fingolimod behandelt wurde. Er war nie mit Natalizumab behandelt worden (vornehmlich bei diesem MS-Mittel kann unter besonderen Bedingungen eine potenziell lebensgefährliche PML entstehen), nahm jedoch seit 2011 aufgrund einer chronischen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) orales Mesalazin (5-ASA), das wie Fingolimod immunsuppressiv wirkt.

Ende Mai 2015 kam der Patient nach fortschreitenden Mobilitäts- und Kognitionsproblemen in eine Notaufnahme und eine PML wurde diagnostiziert. Die Behandlung mit Fingolimod wurde eingestellt und der Patient mit Mefloquin und Mirtazapin behandelt. Welche Relevanz die Begleittherapie der Colitis ulcerosa hierbei spielen könnte (oder ob es auch ohne diese Zusatztherapie zu einer PML hätte kommen können), wird noch untersucht.

Bisher sind zwei PML-Fälle unter Fingolimod bei der Therapie der Multiplen Sklerose (2015) und einer bei der Neuromyelitis optica (2013) bekannt.

Quelle: Dr. Anna-Sabine Ernst, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und IQWIG-Kurzfassung der Nutzenbewertung (Pdf), 29.06.2015; Bericht von Novartis, Juni 2015.

Redaktion: AMSEL e.V., 14.07.2015