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Eiweiß-Schredder hemmen - Multiple Sklerose behandeln ?

Ein Europäisches Forschungsteam findet einen Hemmer für das Immunoproteasom. Damit ließe sich zielgerichtet vorgehen gegen Autoimmunkrankheiten und chronische Entzündungen.

 

 

Lehrstuhl für Biochemie/TUM

Die Kristallstruktur des Immunoproteasoms. Rechts ein Schema des durch den Inhibitor zerstörten aktiven Zentrums. - Bei Multipler Sklerose spielt das Immunoproteasom eine wichtige Rolle.

Bei Autoimmunerkrankungen können Abwehrzellen nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden und zerstören so körpereigene Zellen. Egal ob Diabetes Typ I, Lupus oder Multiple Sklerose: Eine Schlüsselrolle übernimmt hierbei das Immunoproteasom. Es liefert dem Abwehrsystem Informationen über die Vorgänge in der Zelle.

Dessen Struktur haben Chemiker der Technischen Universität München (TUM) bereits 2012 erforscht, s. Bericht dazu auf AMSE.DE. Nun fanden sie einen neuartigen Mechanismus, um die Funktion des Immunoproteasoms zu hemmen - Grundlage für neue Wirkstoffe.

Falsche Info ans Immunsystem ?

Die Polizei des Körpers könnte man das Immunsystem nennen, denn es schützt uns vor fremden Eindringlingen wie Bakterien und Viren. Um Freund von Feind zu unterscheiden, benötigt es Informationen über alle Zellen. Die liefert ihm das Immunoproteasom: ein zylinderförmiger Proteinkomplex in der Zelle, der Eiweißstrukturen des Eindringlings in Bruchstücke zerlegt und diese dem Abwehrsystem zur Verfügung stellt.

"Bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Diabetes Typ I und Multipler Sklerose oder schweren Entzündungen ist oftmals eine deutlich erhöhte Konzentration des Immunoproteasoms in der Zelle messbar", erklärt Professor Michael Groll vom Lehrstuhl für Biochemie der TUM. "Eine Inaktivierung dieser Abbaumaschinerie unterdrückt die Neubildung von Immunbotenstoffen, was wiederum eine übermäßige Immunreaktion verhindert."

Proteasom gezielt hemmen

Doch das Proteasom hat auch die Aufgabe - mit dem konstitutiven Proteasom -, überflüssiges Eiweiß zu recyceln. Daher wäre es nicht ratsam, es komplett zu hemmen. Dies würde zum Zelltod führen. Es geht also um Hemmer oder Wirkstoffe, welche das Immunoproteasom gezielt hemmen, ohne das ebenfalls in der Zelle vorkommende, konstitutive Proteasom zu beeinträchtigen.

Der potenzielle Wirkstoff, den die Wissenschaftler nun entwickelten, basiert auf dem Epoxyketon ONX 0914, einem Immunoproteasom-Hemmer, der bereits klinisch getestet wurde. Die Forscher ersetzten das Epoxyketon durch eine Sulfonylfluorid-Gruppe und veränderten deren Positionierung am Inhibitor. Als Ergebnis erhielten sie eine neue Verbindung, die speziell das Immunoproteasom hemmt und auf das konstitutive Proteasom kaum Einfluss hat.

Einblicke mittels Röntgenstrukturanalyse

Die Besonderheit des entdeckten Mechanismus erklärt Erstautor Christian Dubiella: "Normalerweise verstopfen Inhibitoren das aktive Zentrum des Enzyms und legen somit dessen Funktion lahm. Die von uns synthetisierte Substanz jedoch bindet an ihr Ziel, veranlasst das aktive Zentrum, sich selbst zu zerstören, und spaltet sich nach verrichteter Arbeit wieder ab."

Vor allem Einblicke in den atomaren Mechanismus, welcher mittels Röntgenstrukturanalyse aufgeklärt wurde, ermöglicht die maßgeschneiderte Entwicklung von neuen Immunoproteasom-Inhibitoren. Damit könnte der Weg für eine zukünftige Generation an Wirkstoffen offen stehen.

 

Die Forschung wurde in Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppen um Prof. Stephan Sieber vom Lehrstuhl für Organische Chemie II, Prof. Achim Krüger vom Institut für Experimentelle Onkologie und Therapieforschung der TUM sowie Prof. Robert Liskamp von der Universität Glasgow durchgeführt. Die Arbeiten wurden mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SFB 1035/A2 & DFG GR 1861/10-1) sowie des Exzellenzclusters Center for Integrated Protein Science Munich (CIPSM) gefördert. Die röntgenkristallographischen Messungen wurden an der PXI-Beamline des Paul Scherrer Instituts in Villigen (Schweiz) durchgeführt.

Quelle: Angewandte Chemie, 22.09.2014; Pressemitteilung der Technischen Universität München, 24.09.2014

Redaktion: AMSEL e.V., 25.09.2014