Klingt erst mal verlockend: Cannabis einfach selbst anbauen und rauchen, gegen MS bedingte Schmerzen oder Spastik. Warum das vielleicht doch keine so gute Idee ist, erklärt Professor Dr. med. Peter Flachenecker im AMSEL-Video.
Ganz wichtig sind vor allen Dingen zwei Punkte, wenn es darum geht, sich zu entscheiden, zwischen einer Cannabis-Therapie in eigener Regie und der ärztlich betreuten:
- Dosierung von Cannabinoiden
Dosierung und Zusammensetzung sind bei Cannabinoiden aus der Apotheke, egal ob Spray oder Blüten, immer gleichbleibend und können somit exakt und zielgerichtet eingesetzt werden, um MS-bedingte Spastik und Schmerzen zu lindern. Dies ist bei selbst gezogenen oder anderweitig erworbenen Cannabispflanzen nicht der Fall. Die Gefahr einer Unter- oder Überdosierung ist hoch. Außerdem kann bei nicht kontrollierter Ware das Verhältnis von THC zu Cannabidiol und anderen Cannabinoiden schwanken. All dies zulasten von Wirkung und Nebenwirkung. Ähnlich wie bei der Überdosierung mit anderen Antispastika auch, kann ein Zuviel an Cannabinoiden auch zu Lähmungen führen. Bei Cannabinoiden (oder Blüten) aus der Apotheke ist der Wirkstoffinhalt garantiert und kann – im Unterschied zum Homegrow – entsprechend gut dosiert werden. - Verabreichung von Cannabinoiden
Beim Rauchen von Joints werden verbrannte Stoffe inhaliert. Rauchen hat bekanntermaßen für alle Menschen negative gesundheitliche Konsequenzen. Bei Menschen mit Multiple Sklerose kann es zudem den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen, wie Studien gezeigt haben: Es kann zu mehr Schüben, mehr Läsionen im MRT und einem früheren Übergang von der schubförmig-remittierenden Phase in die (bislang schwerer zu behandelnde) sekundär-progrediente Phase führen. Also genau das Gegenteil, von dem, was man sich als MS-Betroffener wünscht.
Das sind Gründe, weswegen Prof. Peter Flachenecker immer einem klar definierten pharmakologischen Cannabinoid geben würde. Nabiximols (Handelsname Sativex) bedarf seit April auch keines Betäubungsmittelscheines mehr. Es kann auf einem normalen Rezept verschrieben werden, was den Zugang erleichtert.
Der Bundestag hat im Februar 2024 ein Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis beschlossen. Der Bundesrat hat das Cannabisgesetz im April 2024 beraten und gebilligt. In Kürze erscheint ein weiteres AMSEL-Video mit Prof. Peter Flachenecker über die Anwendung von Cannabinoiden und das Autofahren. Hier geht es um einen erhöhten Grenzwert von THC (3,5 Nanogramm je Milliliter). Dieser Grenzwert wurde zwar bereits vom Bundestag beschlossen. Eine Billigung durch den Bundesrat (und anschließende Veröffentlichung im Bundesanzeiger) stehen jedoch noch aus. Bislang, Stand 27.06.2024, gilt beim Führen von Kraftfahrzeugen eine Obergrenze von 1 Nanogramm.
Redaktion: AMSEL e.V., 28.06.2024