Spenden und Helfen

Ein neuer Weg, T-Zellen am Einwandern ins ZNS zu hindern

30.06.09 (aktualisiert) - Berliner Forscher entdecken den T-Zell-Rezeptor "B1" als körpereigenes Kontrollsystem für die Wanderung von Immunzellen ins Gehirn.

Forschern in Berlin ist es gelungen, von Immunzellen ausgelöste Gehirnentzündungen bei Mäusen erheblich zu bessern. Schlüsselrolle spielt dabei der auf den T-Zellen des Immunsystems im Zentralen Nervensystem (ZNS) von ihnen entdeckte Bradykinin-Rezeptor-1 (B1). Er kontrolliert die Wanderung von Immunzellen in das ZNS.

Aktivierten sie bei den erkrankten Mäusen B1, bremsten sie die Wanderung der Immunzellen in das Gehirn, die Entzündung ging zurück. Die Forscher der Cecilie Vogt-Klinik, Charité, des Max-Delbrück-Centrums und des NeuroCure Research Center haben damit möglicherweise einen neuen Ansatz zur Behandlung chronischer Entzündungen wie der Multiplen Sklerose entdeckt (Nature Medicine).

Seit langem ist bekannt, dass fehlgeleitete T-Zellen körpereigenes Gewebe attackieren und dabei, wenn sie in das ZNS einwandern, Erkrankungen wie zum Beispiel die Multiple Sklerose auslösen können. Die T-Zellen zerstören dabei die von Gliazellen gebildete Schutzhülle (Myelinscheide) der Fortsätze von Nervenzellen (Neuronen). Dadurch ist die Weiterleitung der Erregung gestört. Die Folge sind unter anderem Bewegungsstörungen bei den betroffenen Patienten.

Auf die Spur des B1-Rezeptors hatte die Forscher unter anderem die molekulare Analyse entzündlicher Schädigungsgebiete im Gewebe von Patienten mit Multipler Sklerose gebracht. Die Auswertung der Daten ergab, dass zwei einander gegenläufige Systeme, die aus dem Herz-Kreislauf-Bereich bekannt sind, offenbar auch im ZNS eine wichtige Rolle spielen. Dabei handelt es sich zum einen um das Renin-Angiotensin-System, zum anderen um das Kallikrein-Kinin-System, auf das sich die Berliner Forscher konzentrierten.

Der B1-Rezeptor ist Teil des Kallikrein-Kinin-Systems. Die Berliner Wissenschaftler konnten in Zusammenarbeit mit Forschern in Montreal, Kanada, und Stanford, Kalifornien, USA, diesen B1-Rezeptor sowohl auf T-Zellen von Multiple Sklerose Patienten als auch auf T-Zellen von Mäusen mit Gehirnentzündung nachweisen.

Sie stellten fest, dass sich bei Mäusen die Erkrankung verschlimmert und die Behinderung verstärkt, wenn dieser B1-Rezeptor auf T-Zellen der Tiere fehlt. Sie steigerten deshalb die Aktivität des Rezeptors bei den Mäusen, die B1 auf den T-Zellen trugen, mit einer Substanz (Sar-[D-Phe]desArg9-bradykinin) und zeigten, dass sie damit die Wanderung der T-Zellen in das ZNS einschränken konnten. Die Krankheitssymptome besserten sich nachweislich.

"Wir haben damit ein körpereigenes Kontrollsystem entdeckt, das eine vom Immunsystem ausgelöste schädliche Reaktion mindert", erläutert die Neurologin und MDC-Forschungsgruppenleiterin Prof. Frauke Zipp das Ergebnis der Arbeit. "Es bleibt abzuwarten, ob es gelingt, durch Modulation des B1-Rezeptors in Zukunft eine neue Behandlung für chronische Entzündungen im Zentralen Nervensystem wie der Multiplen Sklerose zu entwickeln."

Ob damit gezielt nur die "fehlgeleiteten" T-Zellen am Einwandern ins Gehirn behindert werden können, oder ob ähnlich wie bei Natalizumab die Blut-Hirn-Schranke "dicht" gemacht wird (mit dem Nachteil, dass das ZNS tatsächlichen Feinden gegenüber schutzlos ist), ergibt sich nicht aus der Pressemitteilung des Max-Delbrück-Centrums.

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch; idw, 28.06.09

Redaktion: AMSEL e.V., 30.06.2009