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Diabetes-Mittel als Nervenschutz ?

Sollte sich die Neuroprotektion durch Pioglitazon bestätigen, dann wäre der Wirkstoff auch interessant bei Multipler Sklerose.

Der Diabetes-Wirkstoff Pioglitazon senkt das Risiko einer Demenz, so ein Bonner Forscherteam. Sie vermuten, dass dieser Effekt direkt erzielt wird, Pioglitazon also die Nerven schützt. Das könnte ihn auch für die Behandlung der Multiplen Sklerose interessant machen, nicht zuletzt für den progredient, also sich schleichend verschlechternden Verlauf, für den bisher keine krankheitsmodifizierende Therapie zugelassen ist.

Diabetes-Mittel sind schon häufiger im Zusammenhang mit einer MS-Therapie erforscht worden. AMSEL.DE berichtete bereits 2009 über einen möglichen Einsatz von Pioglitazon gegen Multiple Sklerose. Außerdem antwortete Dr. Friese 2012 der AMSEL-Onlineredaktion auf Fragen zum Blutzucker-Mittel Gibenclamid und MS. 2014 veröffentlichten italienische Forscher ihre Daten zu IGF-1, das sowohl bei MS wie bei Diabetes helfen könnte, indem es die Produktion von (regulatorischen) T-reg-Zellen anregt. Der Vorteil einer neuroprotektiven Wirkung wäre der, diese Mittel auch bei progredienter MS einsetzen zu können, dem schleichend voranschreitenden Verlauf, gegen den bislang keine krankheitsmodifizierenden Mittel zugelassen sind.

Demenzrisiko deutlich gesenkt

Doch zurück zur aktuellen Untersuchung: Eine Behandlung mit Antidiabetika verringert bei Menschen mit Typ-2-Diabetes – auch "Altersdiabetes" genannt – das Risiko für Alzheimer und andere Demenzerkrankungen. Am deutlichsten sinkt das Risiko durch den Wirkstoff Pioglitazon. Zu diesem Schluss kommen Bonner Forscherinnen und Forscher des DZNE aufgrund der Analyse von Krankenkassen-Daten der AOK. Sie berichten darüber im Fachjournal "Annals of Neurology".

Bei einem Diabetes Typ 2 ist der Zuckerstoffwechsel gestört, weil das dafür entscheidende Hormon Insulin seine Wirkung nicht richtig entfaltet. Im fortgeschrittenen Stadium stellt der Körper die Produktion von Insulin dann sogar ein, weshalb es extern zugeführt werden muss. Von dieser Erkrankung, die vorwiegend im späteren Erwachsenenalter auftritt, ist schon länger bekannt, dass sie sich auf die geistige Gesundheit auswirken kann: Die Patienten sind stärker gefährdet, eine Demenz zu entwickeln, als Nicht-Diabetiker.

Schutz vor Nervenzellschäden

"Die Behandlung mit Pioglitazon zeigte einen bemerkenswerten positiven Nebeneffekt. Sie konnte das Risiko einer Demenz wesentlich verringern", so Doblhammer. "Je länger die Behandlung, umso geringer das Risiko." Am deutlichsten sank das Risiko, wenn der Wirkstoff mindestens zwei Jahre verabreicht wurde. Die so behandelten Diabetiker erkrankten weniger häufig an Demenz als Menschen ohne Diabetes.

Doblhammer: "Das Erkrankungsrisiko war um 47 Prozent geringer als bei Nicht-Diabetikern, also etwa nur halb so groß." Auch Metformin – ein weiteres, ebenfalls häufig verschriebenes Antidiabetikum – senkte das Risiko für eine Demenz. Seine Wirkung war jedoch geringer als die von Pioglitazon.

Pioglitazon verbessert nicht nur die Wirkung des körpereigenen Insulins. Aus Laboruntersuchungen gibt es seit längerem Hinweise dafür, dass es auch die Nervenzellen schützt. Für den Neurowissenschaftler Michael Heneka sind die aktuellen Ergebnisse daher keine Überraschung: "Pioglitazon ist entzündungshemmend und hemmt auch die Ablagerung schädigender Eiweiße im Gehirn", sagt er.

 

Quelle: Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V., 23.06.2015

Redaktion: AMSEL e.V., 26.06.2015