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Der Nobelpreis, regulatorische T-Zellen und die MS-Therapie

Vergangene Woche wurden in Stockholm drei Wissenschaftler für ihre Erkenntnisse zum menschlichen Immunsystem ausgezeichnet. Im Zentrum steht der Japaner Shimon Sakaguchi, der die regulatorischen T-Zellen entdeckt hat.

Ohne unsere T-Zellen würden wir Menschen kaum einen Infekt überleben. Sie sind dafür zuständig, Fremdes zu erkennen und dafür zu sorgen, dass es aus unserem Körper verschwindet. Viren zum Beispiel oder Bakterien. Aber auch Krebszellen.

Dafür gehen die Zellen in der Thymusdrüse gewissermaßen zur Schule. Sie werden dort, bevor sie als “Gesundheitspolizei” in den Körper geschickt werden, getestet und aussortiert. Nur diejenigen Killer-T-Zellen, welche sich nicht gegen das eigene Körpergewebe richten, werden weitergeschickt. Tatsächlich gelingt es einzelnen dieser Zellen dennoch, aus der Thymusdrüse herauszuschlüpfen, obwohl sie falsch programmiert sind und den eigenen Körper angreifen. Das sind dann Autoimmunzellen. Das passiert immer wieder. Die “Schleuse” am Thymus ist nicht perfekt. Macht aber oft nichts, wenigstens in einem gesunden Körper. Denn offensichtlich gibt es auch “hinter” dem Thymus noch eine Kontrolle. Aber welche? Das fragten sich Wissenschaftler weltweit. 

Die Entdeckung der Tregs

Lange war unbekannt, dass im peripheren Immunsystem, also außerhalb des Thymus (etwa im Blut), weitere Kontrolleure patrouillieren, die wiederum die Killer-T-Zellen überprüfen, nachdem sie bereits den Thymus verlassen haben. Ob sie ordentlich arbeitende Immunzellen sind oder eventuell Autoimmunzellen. Man ahnte, dass sie da sein mussten, konnte sie jedoch nicht auffinden.

Genau diese “Polizeikontrolleure”, die regulatorischen T-Zellen, hat der mittlerweile74-jährige Shimon Sakaguchi 1995 als erster nachgewiesen. Ein Meilenstein, was das Verständnis für unser Immunsystem betrifft. Die sogenannten Tregs sind es nämlich, welche verhindern, dass ein gesunder Körper Autoimmunerkrankungen entwickelt, Stichwort "periphere Immuntoleranz“. Und ihre Entdeckung bildete die Grundlage für weitere Forschung und die Therapie von Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose oder Morbus Crohn, für die Behandlung von Transplantierten, aber auch von Krebs.

Der Nobel-Preis für Medizin ging dieses Jahr allerdings an gleich drei Forscher. Die US-Amerikaner Mary Brunkow und Fred Ramsdell teilen sich den Preis 2025 mit Sakaguchi. Die beiden Amerikaner konnten nämlich einen Gendefekt bei einer seltenen Autoimmunerkrankung (IPEX) entdecken: Foxp-3. Ein Gendefekt, der auch andere Autoimmunerkrankungen fördert. Doch die Geschichte geht noch weiter: Der Japaner Sakaguchi war es wiederum, der nachweisen konnte, dass unter anderen das Foxp-3-Gen dafür zuständig ist, dass sich die regulatorischen T-Zellen überhaupt entwickeln. Ganz klar: Diese Ergebnisse liefern jede Menge neue Ansätze für die Therapie unterschiedlichster Erkrankungen, von der Autoimmunerkrankung über Krebs bis hin zur Transplantation.

Tregs stärken, MS bremsen?

Diese weltumspannende Forscher-Geschichte zeigt jedoch auch, dass Grundlagenforschung einen langen Atem braucht. Von der Entdeckung grundlegender Erkenntnisse hin zu zugelassenen Therapien für bestimmte Krankheitsbilder ist es ein langer Weg. 30 Jahre sind seit Sakaguchis Entdeckung vergangen. Noch sind die Therapieforschungen dazu experimentell. Ihr Ziel ist es, die Treg-Aktivität zu hemmen (etwa bei Krebs, der Tregs anlockt, um sich so vor den Killer-T-Zellen zu schützen) oder zu stärken, damit mehr autoimmune Zellen gefunden und neutralisiert werden können (etwa bei Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose). Hier versucht man zum Beispiel, nach dem Vorbild der CAR-T-Zell-Therapie, dem Patienten körpereigene Tregs zu entnehmen, diese außerhalb des Körper “umzuprogrammieren” und dem Patienten wieder zuzuführen. amsel.de hatte etwa über den Studienwirkstoff ABA-101 berichtet. Auch Speisesalz und die Propionsäure sollen im Zusammenhang mit den Tregs stehen.

Wenngleich die Forschung noch nicht am Ziel ist, was neue Wirkstoffe angeht, so hat die Verleihung des diesjährigen Nobelpreises doch immerhin für eines gesorgt: Multiple Sklerose war einmal mehr Thema in den großen Medien. So zeigte die Tagesschau beispielsweise einen MS-Erkrankten aus Baden-Württemberg, anlässlich der Nobelpreisverleihung für Medizin.

Quellen: Tagesschau vom 06.10.2025 [Ausschnitt], abgerufen am 13.10.2025; Deutsches Ärzteblatt, 06.10.2025.

Redaktion: AMSEL e.V., 13.10.2025