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Darmflora & Multiple Sklerose

Unsere Darmbakterien beeinflussen die Immunabwehr des Gehirns ein Leben lang. Möglicherweise auch den Verlauf von Hirnerkrankungen wie Alzheimer und Multipler Sklerose. - Chat zum Thema Ernährung & MS heute Abend.

Forscher des Universitätsklinikums Freiburg haben nun an Mäusen festgestellt, dass die Darmbakterien unsere Immunabwehr nicht nur lokal begrenzt sondern auch in einem entfernten Organ, dem Gehirn, beeinflussen. Abbauprodukte der Bakterien steuern die Reifung und Funktion von Fresszellen des Gehirns. Bei Mäusen ohne Darmflora sind diese verkümmert. Etabliert man bei diesen Tieren wieder eine Darmflora, so gesunden auch diese Zellen wieder. Mitstudienautor Dr. Marco Prinz hält die Ergebnisse für übertragbar auf den Menschen, wie er auch im Video erläutert:

 

Zwei Dinge lassen sich daraus schließen:

  1. Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig für unser Immunsystem. Nur mit einer ausgewogenen Ernährung kann eine gesunde Vielfalt an Darmbakterien, also eine gesunde Darmflora entstehen.
  2. Unser Darm trägt möglicherweise mit dazu bei, wenn neurodegenerative Erkrankungen wie Multiple Sklerose entstehen.

Die Fresszellen des Gehirns nennt man Mikroglia oder auch Gehirn-Makrophagen. Sie beseitigen fremde Eindringlinge und abgestorbene Zellen. Außerdem sind sie an der lebenslangen Formbarkeit des Gehirns (der Neuro-Plastizität) beteiligt. Fehlgesteuerte Mikroglia-Zellen spielen bei mehreren Hirnerkrankungen eine Rolle. Wie sie reifen und aktiviert werden, war bislang unklar.

Ständige Kommunikation zwischen Darm und Gehirn

Prof. Dr. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg und assoziiertes Mitglied des BIOSS Centre for Biological Signalling Studies Freiburg, leitete die Forschungsgruppe mit Mitgliedern aus Freiburg, Rehovot (Israel), München, Mainz, Köln, und Bern (Schweiz). Gemeinsam mit den Erstautoren Dr. Daniel Erny und Anna Lena Hrabì de Angelis konnte Prinz, Sobek-Forschungspreisträger 2015, erstmals im Tierversuch zeigen, dass ein intaktes Immunsystem des Gehirns von einer gesunden bakteriellen Darmflora abhängt.

Dafür untersuchten sie Tiere, die in einer komplett sterilen Umgebung aufgezogen und gehalten wurden. Diese besaßen verkümmerte und unreife Mikroglia, die auf Entzündungsreize im Hirn kaum reagierten. "Unsere Ergebnisse weisen auf einen ständigen Informationsfluss zwischen Darmbakterien und Hirnmakrophagen hin", sagt Prof. Prinz.

Auch Tiere, deren Darmbakterien durch eine vierwöchige Antibiotika-Therapie abgetötet worden waren, wiesen eine gestörte Immunantwort auf. Im Kontakt mit gesunden Tieren etablierte sich bei den zuvor steril gehaltenen Tieren schnell eine Darmflora. Dies hatte einen positiven Einfluss auf die Immunabwehr. Dabei galt: "Je größer die Vielfalt der Darmbakterien war, desto besser entwickelten sich auch die Mikroglia", fasst der Neuropathologe zusammen.

Kurzkettige Fettsäuren als Botenstoff

Die Forscher zeigten, dass kurzkettige Fettsäuren als Botenstoff zwischen Darmflora und Mikroglia dienen. Diese werden bei der bakteriellen Verwertung von Ballaststoffen, Milchprodukten und weiteren Nahrungsmitteln produziert. Über das Blut könnten sie ins Gehirn gelangen und dort Mikrogliazellen helfen, Entzündungsreaktionen schnell und effizient zu bekämpfen. "Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, wie wichtig für die geistige Gesundheit eine ausgewogene Ernährung ist, die zur bakteriellen Bildung von kurzkettigen Fettsäuren beiträgt", sagt Prof. Prinz.

Anmerkung: Heute Abend, 02.06.2015 ab 19 Uhr geht es im AMSEL-Multiple-Sklerose-Chat um Ernährung und MS - mit Dr. Silke Lichtenstein.

Quelle: Pressemitteilung des Universitätsklinikums Freiburg, 01.06.2015

Redaktion: AMSEL e.V., 02.06.2015