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B-Zellen aus dem Darm bekämpfen Entzündungen bei MS

Die Darmflora ist bei Menschen mit Multipler Sklerose verändert. Zum Beispiel wandern IgA-produzierende B-Zellen über das Blut ins Gehirn und Rückenmark, um dort bei Entzündungen zu helfen, wie Forscher nun herausgefunden haben.

Fast schon könnte man meinen, der Darm in der Wissenschaft sei eine Modeerscheinung:  Er taucht in den letzten Jahren regelmäßig auf, besonders, wenn es um das Immunsystem geht. Und natürlich im Zusammenhang mit Multipler Sklerose.

Nachdem die Menschheit ihr Verdauungsorgan über Jahrhunderte hinweg tabuisiert hat, machen Science-Slam-Aktionen wie "Darm mit Charme" das vielleicht lauteste unserer Eingeweide salonfähig. Und es mehren sich Studienergebnisse, die belegen, dass der Darm weit mehr ist als ein menschlicher Entsorgungsschlauch, dass er weit mehr kann als nur Nahrungsbrei zerkleinern und transportieren. Vom "Darmhirn" ist gar manchmal die Rede, weil über die Unzahl an Bakterien, die unser Gedärm bevölkern (und bevölkern müssen, sonst könnten wir nicht verdauen) scheinbar unser Immunsystem (mit-) gesteuert wird.

Darm (flora), Immunsystem und Multiple Sklerose

Darm und Immunsystem: Ansatz bei Multipler Sklerose

Ein Immunsystem, das bei Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose übers Ziel hinausschießt, eigene Zellen angreift anstatt fremde. Was einen auf die Idee bringt, einen Zusammenhang zwischen Ernährung und Krankheiten wie MS zu sehen. Vorausgesetzt, der Mechanismus geht vom Darm zum Immunsystem. Denkbar wäre ja auch die umgekehrte Reihenfolge: Dass ein schadhaftes Immunsystem den Darm beeinflusst.

Um rein theoretische Hypothesen zu beweisen, braucht es objektive Nachweise und einen solchen Nachweis hat nun ein internationales Forschungsteam erbracht: Die Wissenschaftler um PD Dr. Anne-Katrin Pröbstel konnten gleich zweilerlei zeigen:

  1. dass bestimmte B-Zellen, nämlich die Immunglobulin A produzierenden B-Zellen, die sich im Darm gegen MS-typische Bakterien richten, bei Patienten mit Multipler Sklerose besonders oft im Darm vorkommen, verglichen mit Gesunden, und,
  2. dass diese IgA-B-Zellen bei Patienten mit Multipler Sklerose aus dem Darm Richtung Gehrin wandern und zwar vermehrt im Falle einer akuten MS-Entzündung. Die Forscher sprechen von einer Darm-Hirn-Achse oder auch Darm-Hirn-Brücke.

B-Zelle ist nicht gleich B-Zelle

Zwar gibt es B-Zell-depletierende Medikamente gegen MS, jedoch reduzieren die zugelassenen Wirkstoffe nur bestimmte B-Zellen. Entfernt man die B-Zellen zu großzügig, so zeigte sich in früheren Forschungen, kann sich die MS sogar verschlimmern.

Die aktuellen Funde zeigen, dass bestimmte B-Zellen wie die IgA-produzierenden B-Zellen gebraucht werden im Kampf gegen Multiple Sklerose. Offen ist allerdings, welcher Mechanismus sie aktiviert. Das wird weiter erforscht und könnte einen Ansatz liefern, um die helfenden IgA-B-Zellen gezielt zu aktivieren und so entzündliche Phasen der Multiplen Sklerose einzudämmen.

Quellen: Science Immunology, 20.11.2020 ; Pressemitteilung der Universität Basel, 20.11.2020.

Redaktion: AMSEL e.V., 30.11.2020