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BTKi gegen progrediente Multiple Sklerose?

Vorabdaten aus einer Phase3-Studie deuten auf eine Wirkung von Tolebrutinib bei sekundär-progredienter MS hin. Ein Fünkchen Hoffnung für die Therapie schleichender MS-Verläufe.

Auf den BTKi (Bruton-Tyrosin-Kinase-Hemmern) lag zunächst viel Hoffnung: dass sie als neue Wirkstoffklasse die Therapie der Multiplen Sklerose (MS) erweitern, möglichst auch verbessern könnten. Weltweit starteten einige Pharmaunternehmen Studien (nachzulesen etwa im Bericht über das AMSEL-Symposium Multiple Sklerose 2022). Etwas zeitlichen Vorsprung hatten (und haben) Evobrutinib und Tolebrutinib, weswegen Ergebnisse zu diesen beiden Wirkstoffen auch schneller verfügbar sind.

BTKi bei schubförmiger MS

Die Hoffnung in die BTKi bei schubförmiger MS erhielt jedoch einen deutlichen Dämpfer, als Evobrutinib Ende vergangenen Jahres in zwei Phase3-Studien sein primäres Studienziel (die Reduktion der jährlichen Schubrate bei schubförmiger MS, auch verglichen mit Teriflunomid) nicht erreichte. Studien mit Evobrutinib gezielt für progrediente MS-Verläufe ohne Schübe sind bei clinicaltrials.gov derzeit nicht gelistet [Stand: 03.09.2024].

BTKi bei progredienter MS

Anders könnte es für die BTKi aussehen im Einsatz gegen progrediente MS (im Englischen als "progressive MS" bezeichnet). Hier liefert der Hersteller von Tolebrutinib aktuell erste Ergebnisse aus seiner Phase3-Studie: Tolebrutinib erreichte hier das primäre Studienziel, nämlich, den Fortschritt der sekundär-progredienten MS im Vergleich mit Placebo signifikant zu verlangsamen.

Die vorab veröffentlichten Ergebnisse sind dünn, weswegen zu große Euphorie nicht angebracht erscheint. Dennoch bieten sie wenigstens einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass auch schleichende MS-Verläufe immunmodulogisch zu beeinflussen sind. Bisher ist sozusagen "kein Kraut gewachsen" gegen die progrediente MS bzw. die Wirksamkeit recht gering ist. Die wenigen gegen progrediente MS zugelassenen Mittel (etwa Ocrelizumab gegen frühe primär-progrediente MS oder Siponimod gegen sekundär-progrediente MS) sind nicht nur in ihrer Wirkung sehr begrenzt, sondern richten sich zudem gegen den entzündlichen Teil der MS, nicht jedoch gegen PIRA, die schubfreie Verschlechterung der Symptome. Vgl. dazu auch den aktuellen amsel.de-Bericht über Phase1-Daten zu dem noch sehr jungen Wirkstoffkandidaten ABA-101.

Weitere Daten zu Tolebrutinib will der Hersteller auf der in Kürze beginnenden ECTRIMS-Tagung vorstellen.

BTKi allgemein

Bruton-Tyrosin-Kinase-Hemmer tun genau das: Sie hemmen die Bruton-Tyrosin-Kinase in unserem Körper, wo dieser Stoff ganz natürlich und bei jedem (auch ohne MS) vorkommt. Dadurch werden die B-Zellen daran gehindert, Antikörper und Zytokine freizusetzen, und das ganz gezielt im Zentralen Nervensystem, also genau dort, wo die MS den Körper angreift. Im Unterschied zu manch anderen B-Zell-Hemmern eliminieren BTKi B-Zellen nicht, sondern hindern sie nur an manchen Reaktionen. Möglicherweise, darauf deuten Studien hin, ist Tolebrutinib potenter als andere BTKi (vgl. amsel.de "Mit BTK-Inhibitoren gegen progrediente MS?"). BTKi sind oral einzunehmen. Einzelne BTKi unterscheiden sich untereinander, können sich demnach auch in ihren Wirkungen und Nebenwirkungen unterscheiden.

Wie geht es weiter mit den BTKi?

Zunächst, wie erwähnt, werden weitere Details der Phase3-Studienergebnisse zu Tolebrutinib auf der ECTRIMS-Tagung vorgestellt. Eine Studie zu Tolebrutinib bei primär-progredienter MS rekrutiert derzeit noch Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen, unter anderem auch in Deutschland (s. Orte auf clinicaltrials.gov). Weitere BTKi-Studienergebnisse aus Phase3-Studien, etwa zu Fenebrutinib, werden in den kommenden Jahren erwartet. Sollte Tolebrutinib eindeutige Daten zur positiven Wirkung bei sekundär-progredienter MS aufweisen, könnte es relativ schnell gehen mit einer Zulassung ("Fast Track" bei der amerikanischen Food and Drug Administration), denn für diese Patientengruppe gibt es derzeit keine (wirklich guten) Alternativen, um ein Fortschreiten der Behinderungen zu verlangsamen.

Zu Fenebrutinib gibt es ebenfalls neue Daten, wenngleich in erster Linie zur Therapie der schubförmigen Multiplen Sklerose. Eine Studie zur primär progredienten MS mit Fenebrutinib läuft noch. Das schreibt der Hersteller in seiner eben veröffentlichten Pressemitteilung. Darüber berichtet amsel.de in den kommenden Tagen.

Quellen: Pressemitteilung von Sanofi, 02.09.2024; Pressemitteilung von Merck, 06.12.2023.

Redaktion: AMSEL e.V., 04.09.2024