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Botenstoff GM-CSF: Doppelrolle bei Multipler Sklerose?

28.04.10 - Diesen Zusammenhang erkannten jedenfalls Züricher Wissenschaftler und liefern damit einen weiteren möglichen Baustein zur Entstehung der MS.

Bei der Entstehung von Autoimmun-Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose spielt der Botenstoff «GM-CSF» eine zentrale und doppelte Rolle: Er lockt zerstörerische Zellen vom Blut ins Hirn und löst so die Angriffe auf das Nervensystem aus. Gleichzeitig lässt er - in Reaktion darauf - das Hirn regulatorische Zellen bilden, welche den Organismus vor den fehlgeleiteten Attacken schützen. Diese Entdeckung von Forschenden der Universität Zürich erscheint in der aktuellen Ausgabe von "Brain". Sie könnte einen neuen Therapieansatz liefern.

Multiple Sklerose ist eine Autoimmun-Erkrankung, bei der das körpereigene Abwehrsystem Komponenten des Zentralen Nervensystem (ZNS) fälschlicherweise als fremd erkennt und daher bekämpft. Obwohl schon viel über den Verlauf der Erkrankung bekannt ist, gibt es immer noch zahlreiche unbeantwortete Fragen. Die genaue Ursache der Multiplen Sklerose ist noch unklar. Zwar weiss man seit wenigen Jahren, dass bestimmte Zellen des Immunsystems - so genannte T-Helfer Lymphozyten - Multiple Sklerose verursachen, aber wie diese Zellen das genau machen, ist noch nicht geklärt. Bekannt war bislang einzig, dass bestimmte Botenstoffe dieser T-Helfer-Zellen, so genannte Zytokine, essentiell sind für die Entwicklung der Krankheitssymptome, zu denen Lähmungen, Spasmen und Wahrnehmungsstörungen gehören.

Eines dieser wichtigen Zytokine ist der Botenstioff mit dem komplizierten Namen "Granulozyten-Makrophagen Kolonie-stimulierende Faktor" (GM-CSF). "Bisher wusste man noch nicht, wieso GM-CSF eine so wichtige Rolle spielt", erklärt Tobias Suter von der Klinik für Immunologie und formuliert die neue Erkenntnis seiner Gruppe: "Am Tiermodell konnten wir jetzt zeigen, welche Rolle GM-CSF bei der Entstehung der Multiplen Sklerose haben könnte."

GM-CSF lockt angriffige Zellen vom Blut ins Hirn

GM-CSF wird von krankmachenden T-Helfer-Lymphozyten im Zentralen Nervensystem produziert. Die Forschergruppe von Tobias Suter hat jetzt herausgefunden, dass das Vorhandensein von GM-CSF im Hirn reicht, um einen grundlegenden Mechanismus der Krankheit in Gang zu setzen. Dieser beginnt damit, einen weiteren Zelltyp des Immunsystems ins Hirn zu locken, so genannte Dendritische Zellen. Von den Dendritischen Zellen existieren verschiedene Formen. Die meisten stimulieren die Immunantwort, einige aber bremsen sie. "Wir haben entdeckt, dass GM-CSF genau jene Dendritischen Zellen ins Hirn lockt, wie sie in der entzündlichen Autoimmunerkrankung auftreten", erklärt Tobias Suter.

Dass Dendritische Zellen fehlgeleitete Immunattacken gegen das Nervensystem auslösen, ist von den Arbeiten anderer Forscher -darunter jener von Prof. Burkhard Becher, einem weiteren Neuroimmunologen aus Zürich - bekannt. Die neuen Daten von Suters Gruppe zeigen nun, dass es dem pathogenen Potenzial von GM-CSF zuzuschreiben ist, dass genau diese Form der Dendritischen Zellen rekrutiert wird.

GM-CSF aktiviert auch die Produktion von schützenden Zellen

Die Forschenden entdeckten gleichzeitig, dass - in Reaktion auf diese Anziehung - im Hirn selber ein regulatorischer Typ von Dendritischen Zellen entsteht, der den Organismus vor Attacken schützt. Die Bedeutung dieser Zellen wird zur Zeit näher untersucht. Denn, so folgert Tobias Suter: "Eine spezifische Förderung dieser regulatorischen Zellen bei Patienten mit Multipler Sklerose ist ein neuer attraktiver Therapieansatz" und er präzisiert: "Der Weg dahin wird aber nicht über GM-CSF-Behandlungen führen, denn GM-CSF hat eine zu stark aktivierende Wirkung auf Immunzellen im Blut und in den lymphatischen Organen. Vielmehr könnte eine Antikörpertherapie, welche GM-CSF neutralisiert, ein nächster Weg in der Therapie der Multiplen Sklerose sein."

 
 Originalbeitrag: Lysann Hesske, Christine Vincenzetti, Mathias Heikenwälder, Marco Prinz, Walter Reith, Adriano Fontana und Tobias Suter: Induction of inhibitory CNS-derived and stimulatory blood-derived dendritic cells suggests a dual role for GM-CSF in CNS inflammation, in: Brain, online 28. April 2009, DOI:10.1093/brain/AWQ081 
 

Quelle: Pressemeldung der Universität Zürich, Departement für Innere Medizin, 28.04.10

Redaktion: AMSEL e.V., 28.04.2010