Die Zeckenpopulation breitet sich aus und wächst an; besonders gilt das für niederschlagsreiche Jahre wie 2024. Zecken können lebensbedrohliche Erkrankungen übertragen, gern auch über einen Zwischenwirt wie die Hauskatze. Während man sich gegen die Frühjahrsmeningitis, eine Hirnhautentzündung, die mit grippeähnlichen Symptomen einhergeht, bereits impfen lassen kann, gibt es gegen die Borreliose bisher keinen Impfstoff.
Das könnte sich bald ändern. Zwei multizentrische Studien mit über 800 Patienten konnten zeigen, dass der Impfstoffkandidat VLA15 dem Hersteller Valneva zufolge sicher und wirksam ist. Der Wirkstoff sorgt dafür, dass der Geimpfte Antikörper entwickelt. In einem Fall eines kardiologisch vorerkrankten Patienten kam es zu zusätzlichen Extrasystolen. Möglicherweise hängt dies mit dem Impfstoff zusammen. Sonst zeigten sich Nebenwirkungen hauptsächlich an der Einstichstelle und waren nur leicht bis moderat. Eine Phase3-Studie läuft derzeit. Rund 10.000 Probanden in Kanada, USA und Europa sind dazu rekrutiert.
Keine Panik vor Zecken
VLA15 ist ein rekombinanter polyvalenter Impfstoff auf der Basis von OspA, dem äußeren Membranprotein von Borrelia burgdorferi sensu lato, dem bakteriellen Erreger der Borreliose. Der Borreliose-Impfstoff zielt auf die sechs in Nordamerika und Europa am häufigsten vorkommenden Borrelienarten ab, Serotyp 1-6. Am günstigsten zeigte sich in den Studien ein Impfschema mit drei Impfungen (in Monat 1, 2 und 6) in der höchsten Dosis von 180 µg.
Pfizer, das mit Valnea kooperiert, plant, für den Fall, dass die Phase3-Studie ebenfalls positive Ergebnisse erzielt, 2026 bei der FDA (Food and Drug Administration, USA) und der EMA (European Medicines Agency) Zulassungsanträge zu stellen.
Panik wegen einer Borreliose ist nicht angebracht, Vorsicht sehr wohl. Zwar sind viele Zecken mit Borrelien infiziert, aber nur ein Bruchteil davon überträgt die Erreger auch an den Menschen. Laut RKI muss eine Zecke dafür mehrere Stunden Blut saugen. Umso wichtiger ist es, Zecken möglichst bald nach ihrer Entdeckung und möglichst schonend zu entfernen. Noch besser, man schützt sich von vornherein durch Mittel und Kleidung dagegen. Doch selbst wenn man sich mit Borreliose angesteckt hat, verläuft die Erkrankung bei den meisten Menschen fast unbemerkt. Dennoch: Die Möglichkeit, sich zu impfen, wäre wünschenswert.
MS-Diagnose erleichtern?
Sollte ein Impfstoff zugelassen sein, könnte dies in manchen Fällen die Diagnose einer MS beschleunigen. Borreliose zählt zu den Differenzialdiagnosen einer MS, die es neben anderen auszuschließen gilt, bevor eine gesicherte Diagnose MS steht und entsprechend behandelt werden kann. Zwar sind einige der Immunmodulatoren bei MS bereits in der CIS-Phase zugelassen (wenn also zunächst nur ein MS-typisches Symptom aufgetreten, die Diagnose jedoch noch nicht gesichert ist), doch warten einige Patientinnen und Patienten lieber mit der Behandlung, bis die Diagnose MS gesichert ist.
Übrigens: Für alle, die "frisch" mit MS diagnostiziert sind, bietet amsel.de eine extra Seite "Erstdiagnose MS" mit wertvollen Informationen für die erste, aufreibende, verwirrende und teils auch erschütternde Phase mit MS.
Quellen: RKI, abgerufen am 12.07.2024; Pressemitteilung von Valnea, 03.06.2024; Lancet Infectious Diseases, 31.05.2023.
Redaktion: AMSEL e.V., 15.07.2024