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Biomarker für Behinderungsrisiko?

Deutsche Forscher haben im Nervenwasser einen Wert gefunden, der voraussagen könnte, ob bei MS-Betroffenen ein individuell erhöhtes Risiko für Behinderungen besteht.

Multiple Sklerose ist gewiss keine schöne Krankheit, auch dann nicht, wenn sie mit wenigen Einschränkungen einhergeht. Selbst wenn es dem einzelnen Betroffenen (noch?) einigermaßen gut geht und er ein normales Leben führen kann: Was bleibt, ist die Frage, wie es weitergeht:

  • Bleibt es so?
  • Verändert sich etwas?
  • Werde ich weiter arbeiten können?
  • Weiter Sport treiben können?
  • Weiter reisen können?
  • Meine Familie versorgen können?
  • Meinen Hobbys nachgehen können?
  • Mich selbst anziehen können?
  • Weiter gehen können?
  • Meine Hände spüren?

Wie Multiple Sklerose beim einzelnen weiter verlaufen wird, lässt sich bisher nicht voraussagen. MS ist zwar (noch) nicht heilbar, dafür stehen immer bessere Mittel zur Verfügung, den Verlauf zu bremsen. Das zeigen auch Kohortenstudien über einen großen Zeitraum hinweg, zuletzt eine schwedische Studie.

Forscher der technischen Universität München haben In Zusammenarbeit mit dem Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) nun einen Biomarker gefunden, der dabei helfen könnte, das individuelle Progressionsrisiko besser einzuschätzen.

Sind bestimmte Antikörperwerte im Nervenwasser (Liquor) erhöht, so könnte dies ein Anzeichen für frühere und schnellere Behinderung sein. Nervenwasser mittels einer Lumbalpunktion zu entnehmen, gehört zu den Standarddiagnoseverfahren bei MS.

Behinderungsrisiko kennen und MS-Therapie anpassen

Die Wissenschaftler um Professor Bernhard Hemmer (Direktor der neurologischen Klinik und Poliklinik des Klinikums rechts der Isar sowie Vorstand der KKNMS) untersuchten die Nervenwasserproben von 637 MS Betroffenen über vier Jahre hinweg. War bei diesen Patienten der IgG-Wert (Immunglobulin G) erhöht, so so hatten sie ein höheres Risiko, Behinderungen zu entwickeln als die Patientengruppe mit niedrigen IgG-Werten, und zwar unabhängig von der Schubrate und Therapie. Nach vier Jahren hatten 28,4 % der Patienten mit intrathekaler IgG-Synthese eine Verschlechterung ihres EDSS-Wertes im Unterschied zu lediglich 18,1 % bei Patienten ohne IgG-Synthese.

Frühzeitig zu wissen, ob ein Patient ein erhöhtes Risiko für eine Behinderungszunahme trägt, kann Arzt und Patient dabei helfen, die immunmodulatorische Therapie entsprechend anzupassen. Der IgG-Wert wird routinemäßig bei Lumbalpunktionen ermittelt und stellt somit keinen zusätzlichen Diagnoseaufwand dar. Auch wenn dieser Laborwert als Biomarker für den Behinderungsfortschritt eingeführt werden könnte, bleibt für den einzelnen Betroffenen immer noch offen, welche Behinderung auf ihn persönlich zukommt und die Multiple Sklerose bleibt weiter für den Betroffenen wie für seine Angehörigen eine rätselhafte wie bedrohliche Erkrankung.

Quellen: JAMA Neurology, 29.04.2019; Pressemitteilung der KKNMS, 02.05.2019.

Redaktion: AMSEL e.V., 12.06.2019