Spenden und Helfen

Behandlungserfolg bei Gangstörung mit Magnetstimulation vorhersagen

Ob der Wirkstoff Fampridin die Gehfähigkeit verbessert, könnte zukünftig durch Magnetstimulation festgestellt werden. Eine Probe-Einnahme des Wirkstoffs, wie bisher, wäre nicht mehr erforderlich.

2011 wurde der Wirkstoff Fampridin in Deutschland zugelassen. Er blockiert Kaliumkanäle auf der Oberfläche von Nervenzellausläufern und kann damit die Leitfähigkeit der Nervenfasern verbessern. Viele MS-Kranke können nach der Einnahme von Fampridin wieder schneller gehen; gleichzeitig berichten sie, dass sie sich beim Gehen sicherer fühlen. Der Haken: Das Medikament wirkt nur bei weniger als der Hälfte der Patienten. Bisher müssen Ärzte das Medikament deshalb ihren Patienten erst einmal für zwei Wochen zur Probe geben. Das könnte sich durch eine Entwicklung von Medizinern der Neurologischen Uniklinik Würzburg ändern. Sie haben eine Methode entwickelt, den Behandlungserfolg vorherzusagen.

Magnetstimulation zur Vorhersage des Therapieerfolgs

Das Team um die Mediziner Dr. Daniel Zeller und Dr. Mathias Buttmann setzt dafür auf die sogenannte transkranielle Magnetstimulation. Dies ist eine schmerzlose Untersuchungstechnik, die ohne den Einsatz schädlicher Strahlen arbeiten und seit vielen Jahren bei klinischen Routinemessungen verwendet wird. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben die Forscher im Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry veröffentlicht.

"Wir haben den Zusammenhang zwischen der Leitgeschwindigkeit motorischer Bahnen im zentralen Nervensystem und dem Ansprechen der Gangstörung auf Fampridin bei Patienten mit MS genauer untersucht", beschreibt Daniel Zeller die Studie. Ihre Ergebnisse sind eindeutig: "Mit Hilfe der Magnetstimulation lässt sich bereits im Voraus sagen, ob Fampridin bei dem jeweiligen Patienten eine Verbesserung der Gehfähigkeit bewirkt", so der Mediziner.

 

Mehr Informationen zur Wirkweise von Fampridin

  • MS behandeln
    Stichwort: Symptomatische Therapie/Mobilität und Spastik

 

Die Studie

20 an MS erkrankte Patienten haben die Wissenschaftler in dieser Studie untersucht. Vor dem Behandlungsbeginn mit Fampridin (Fampyra®) haben sie mit Hilfe der transkraniellen Magnetstimulation die sogenannte zentralmotorische Latenz (ZML) bestimmt. Das ist die Zeit, die ein elektrischer Impuls benötigt, um von der Hirnrinde bis zur Nervenwurzel auf Höhe der Wirbelsäule zu gelangen. "Die zentralmotorische Latenz spiegelt in erster Linie den Schädigungsgrad motorischer Bahnen infolge entzündlicher Entmarkungsherde wider", erklärt Zeller.

Ebenfalls vor Behandlungsbeginn sowie zusätzlich am Tag 14 der Einnahme von Fampridin haben die Wissenschaftler die Gehgeschwindigkeit ihrer Studienteilnehmer gemessen. Erst wenn die Geschwindigkeit über zwei verschiedene Distanzen um mindestens 20 Prozent gestiegen war, werteten sie dies als Therapieerfolg.

Die Ergebnisse

Dabei zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der ZML und der Änderungen der Gehgeschwindigkeit während der Einnahme von Fampridin: Je deutlicher die ZML vor Therapie verlängert war, desto besser sprachen die Patienten auf das Medikament an. Darüber hinaus war die durchschnittliche ZML vor Therapiebeginn in der Gruppe der Therapie-Ansprecher (Responder) signifikant höher als bei denjenigen Patienten, die nicht auf Fampridin ansprachen (Non-Responder). Dasselbe Ergebnis zeigte sich auch, als die Wissenschaftler das Ansprechkriterium auf eine zehnprozentige Verbesserung in beiden Gehstrecken lockerten.

Zusammengefasst zeigt die Studie: Allen Patienten mit einer normalen ZML brachte die Einnahme von Fampridin keine Verbesserungen der Gehgeschwindigkeit. Alle Teilnehmer, bei denen das Medikament Wirkung zeigte, hatten vor Beginn der Therapie eine verlängerte ZML. Und nur bei einem Teil der Patienten mit einer verlängerten ZML blieb die Fampridin-Therapie erfolglos.

"Dieses Ergebnis ist gut mit dem vermuteten Wirkmechanismus von Fampridin vereinbar", sagt Daniel Zeller. Schließlich verbessert der Wirkstoff die Reizleitung in zentralen Leitungsbahnen und deren Leitgeschwindigkeit.

Insbesondere aber weist die Studie darauf hin, dass MS-Patienten mit einer normalen zentralen Leitungszeit höchst wahrscheinlich nicht von Fampridin profitieren werden, während eine ZML-Verlängerung vor Therapiebeginn die Chance auf ein Ansprechen erhöht. Sollten sich diese Ergebnisse im Rahmen einer größeren Studie bestätigen, könnte die Magnetstimulation für Neurologen im klinischen Alltag nützlich sein, die Chancen eines Therapieversuches mit Fampridin bereits im Voraus abzuschätzen und dadurch unnötige Behandlungsversuche mit Fampridin zu vermeiden.

Veröffentlichung:

Central motor conduction time may predict response to fampridine in multiple sclerosis patients. Daniel Zeller, Karlheinz Reiners, Stefan Bräuninger, Mathias Buttmann. J Neurol Neurosurg Psychiatry doi:10.1136/jnnp-2013-306860.

Quelle: Pressemitteilung der Neurologischen Universitätsklinik der
Julius-Maximilians-Universität Würzburg vom 23.12.2013

Redaktion: AMSEL e.V., 26.02.2014