B-Zell-depletierende Wirkstoffe gelten seit ihrer Zulassung als wichtige Mittel gegen (hoch-) aktive Verläufe der Multiplen Sklerose. Sie sind ähnlich stark wirksam wie Natalizumab. Im Unterschied zu dieser Therapie besteht hier jedoch keine Gefahr einer PML. B-Zell-Depletierer – man sagt auch „Anti-CD 20-Antikörper“ zu ihnen – haben ein gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis.
Zwei Texte dazu auf MS-Docblog:
Es hat sich jedoch in den Zulassungsstudien und in der Beobachtungszeit danach gezeigt, dass diese Wirkstoffe die Immunglobulin-Spiegel bei Patienten senken können. So erniedrigte sich der IgG-Spiegel bei Ocrelizumab-Patienten beispielsweise um 3 % jährlich. Knapp 8 % der Patienten hatten nach 7 Jahren IgG-Werte unter der Norm erreicht. Dies könnte zu einem sogenannten Immundefizienz-Syndrom führen.
Zu niedrige Immunglobulin-Werte (neben IgG spielen auch IgA und IgM eine Rolle) können die Infektanfälligkeit erhöhen. Sie müssen es aber nicht. Es zeigte sich, dass die meisten der Patienten, die eine gesteigerte Infektanfälligkeit entwickelten, gar keine zu niedrigen Immunglobulin-Spiegel hatten.
Entscheidend dafür, ob man handelt, sind daher nicht die Immunglobulin-Werte allein. Entscheidend ist, ob der individuelle Patient mehr und vor allen Dingen mehr schwerwiegende bakterielle Infektionen durchmacht. Zum Beispiel Lungenentzündungen.
3-5 Infektionen jährlich gelten als normal, wer viel mit Kleinkindern zu tun hat, wird möglicherweise noch häufiger krank. Unter Anti-CD20-Therapie ist eine gesteigerte Infektionsanfälligkeit bereits bekannt. Entscheidend ist vor allem, wie schwer diese Infektionen verlaufen und wie oft sie wiederkehren. Zehnmal Schnupfen im Jahr wiegt sicherlich nicht so schwer wie zwei Lungenentzündungen.
Panik ist wie fast immer bei Therapieentscheidungen nicht angebracht. Es gibt die Möglichkeit, Immunglobulin G per Infusion zu ersetzen. Ob sogar ein Therapiewechsel angebracht sein könnte, muss immer von Fall zu Fall entschieden werden. Niedrige Immunglobulin-Werte allein sind dafür sicher nicht ausschlaggebend.
Wichtig wird es künftig dennoch sein, die Immunglobulin-Werte aller Patienten unter B-Zell-Depletion regelmäßig zu prüfen. Mindestens einmal im Jahr, besser halbjährlich. Daran sollten Arzt und Patient denken. Aber erst im Zusammenhang mit schwereren Infektionen wird man die Therapie überdenken wollen.
Für Menschen mit Multipler Sklerose gilt dies für die Wirkstoffe Ocrelizumab und Ofatumumab, daneben freilich dem off-Label verordneten Rituximab. Eben erst wurde für die NMOSD (keine Form der MS, ihr in den Symptomen jedoch teils ähnlich) ein B-Zell-Depletierer zugelassen: Inebilizumab. Auch hier sollten Immunglobulin-Spiegel regelmäßig überprüft werden.
Quelle: www-ms-docblog.de, 07.12.2022 und 08.12.2022.
Redaktion: AMSEL e.V., 09.12.2022