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Antihistamin zur Remyelinisierung ?

Die Ergebnisse einer Phase-2-Studie mit Clemastin sprechen dafür. Das Mittel ist bereits für Allergien auf dem Markt.

Vergangenen Sommer berichtete die University of California über eine laufende Studie mit dem Wirkstoff Clemastin bei chronisch-optischer Neuropathie unter Patienten mit Multipler Sklerose (mit mindestens 118 Millisekunden Reizverzögerung; normal sind 95-115 Millisekunden). Zuvor war der Stoff aus 1.000 bioaktiven Molekülen ausgewählt worden. Im Tierversuch wie in Vitro zeigte er die besten Ergebnisse (AMSEL.DE hatte berichtet).

MS-Patienten mit Sehstörungen wurden deshalb gewählt, weil sich mittels VEP am einfachsten zeigen lässt, ob eine Remyelinisierung stattgefunden hat. 50 Patienten nahmen nach dem Zufallsprinzip entweder die ersten 3 oder die letzten 2 von insgesamt 5 Monaten Clemastin (bzw. ein Placebo). Kontrollen fanden jeweils nach dem 3. und dem 5. Monat statt.

Remyelinisierung hat ihren Preis

Es zeigte sich, dass sich die Verzögerung nach der Behandlung mit Clemastin um durchschnittlich 2 Millisekunden verbesserte. Die Forscher schließen daraus, dass eine gewisse Remyelinisierung stattgefunden hat. Selbst wenn die Verbesserung nur moderat sein mag, gelang doch immerhin der Nachweis einer Remyelinisierung. Dies wird Auswirkungen auf weitere MS-Forschung haben.

Interessant ist an Clemastin, dass es als H1-Hemmer der 1. Generation bereits lange (und rezeptfrei) zugelassen ist - in Deutschland unter dem Handelsnamen Tavegil -, wenn auch für eine andere Indikation. Das könnte eine mögliche Zulassung bei MS beschleunigen, da das Nebenwirkungsspektrum bekannt ist. Vor allem könnte es im Falle der Zulassung auch für den progredienten / schleichenden Verlauf eingesetzt werden. Hierfür ist bis heute noch kein Mittel zugelassen.

Einen entscheidenden Nachteil hat Clemastin allerdings: Es wirkt wie viele H1-Antagonisten unter den Antihistaminen leicht sedierend. Für Patienten mit Multipler Sklerose und Fatigue könnte dies noch mehr Müdigkeit bedeuten.

Von einer eigenmächtigen Behandlung mit Clemastin ist trotz Rezeptfreiheit abzuraten. Der Wirkstoff verstärkt andere Substanzen wie Schmerzmittel, Alkohol und Narkosen. Außerdem gibt es weitere Gegenanzeigen und Einschränkungen zu beachten. Vor einer Anwendung ist daher unbedingt ein Arzt zu konsultieren, selbst wenn man als MS-Betroffener damit eine gleichzeitig bestehende Allergie behandeln möchte.

Die Daten der Phase-2-Studie werden auf der AAN vorgestellt, der Tagung der Amerikanischen Gesellschaft für Neurologie, die diese Woche in Vancouver startet.

Quelle: Pressemitteilung der American Academy of Neurology, 12.04.2016

Redaktion: AMSEL e.V., 14.04.2016