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Anti-LINGO-1 bei Multipler Sklerose

Neues von der AAN: Zur Tagung in Washington, DC, sind Phase-2-Ergebnisse veröffentlicht worden. Ziel des Proteins ist die Re-Meylinisierung von Nerven. Anti-LINGO-1 könnte daher auch bei progredienten Verlaufsformen wirksam sein.

 

Multipler Sklerose (MS) verursacht Schäden am Myelin und damit an den Nerven des ZNS. Bisher lassen sich diese Schäden mit Medikamenten nur eindämmen, nicht jedoch nachträglich reparieren. Mit Anti-LINGO1 wird ein Wirkstoff getestet, der die Zerstörung teilweise wieder rückgängig machen soll, also die Degeneration regenerieren, und zwar über das Maß hinaus, zu dem der Körper selbst fähig ist.

Bei der schubförmig-remittierenden MS bilden sich die Funktionsausfälle einige Zeit nach Schubbeginn "von alleine" zurück, wenigstens teilweise. Diese Fähigkeit lässt jedoch mit zunehmendem Alter immer mehr nach.

Wirksamkeitsdaten aus der Phase-2-Studie

Die Ergebnisse aus der Phase-1-Sicherheitsstudie zu Anti-LINGO-1 waren bereits veröffentlicht, s. AMSEL-Bericht. Zur AAN-Tagung in Washington wurden nun die Wirksamkeitsdaten aus der Phase-2-Studie bei Optikusneuritis bekannt gegeben. Auch die jüngste Meldung der AAN beschäftigt sich mit Optikusneuritis, in diesem Fall wurde jedoch ein Epilepsie-Mittel getestet, AMSEL.DE hatte berichtet.

Forscher um Diego Cadavid haben dazu einen speziellen Antikörper entwickelt, Anti-LINGO-1. Er blockiert im Körper das Molekül Lingo-1. Dieses Protein verhindert, dass sich die angegriffene Myelinschicht der Nerven regenerieren kann (von der Natur ist ein schneller Aufbau von Zellen nicht vorgesehen, siehe auch der jüngste AMSEL-Bericht hierzu). Bei Multipler Sklerose vernarben diese Läsionen, was zu eingeschränkten Funktionen führen kann. Bei Schäden am Sehnerv ist das Sehen betroffen. In anderen Hirnregionen verursachen solche Narben (daher auch das Wort "Sklerose", "multiple" steht für mehrfache) andere Ausfälle, zum Beispiel Missempfindungen an verschiedenen Stellen, Spastik, Lähmungserscheinungen. Gelänge es jedoch, das Eiweißmolekül, das die Myelinisierung verhindert, mithilfe eines Antikörpers auszuschalten, könnte sich die Isolierschicht der Nerven erholen, so die Hoffnung.

82 Patienten mit Optikusneuritis

An der Phase-2-Studie nahmen 82 Patienten teil, die an einer Entzündung des Sehnervs (optische Neuritis) litten. Wie bei einer Multiplen Sklerose wird auch bei dieser Erkrankung die Myelinschicht der Nervenfasern vom Immunsystem angegriffen. Die Folge sind Sehstörungen, etwa Doppelbilder, und Schmerzen im Auge. Etwa die Hälfte der Patienten entwickelt später im Leben MS.

Die Wissenschaftler untersuchten die Wirksamkeit von anti-LINGO-1 an diesen Patienten, da sich die Funktionsfähigkeit des Sehnervs gut und auch isoliert von anderen Nerven des ZNS untersuchen lässt.

Mithilfe der Visuell evoziertes Potenziale (VEP) lässt sich die Geschwindigkeit messen, mit der visuelle Reize vom Sehnerv ins Gehirn weitergeleitet werden. Ist das Myelin der Nervenzellen beschädigt, kann der Nerv die elektrischen Impulse nur langsam oder gar nicht mehr weiterleiten.

Augenprobleme gebessert

Über 6 Monate hinweg erhielt die Hälfte der Probanden neben einem starken Kortisonpräparat (Kortison wird auch zur Schubbehandlung bei Multipler Sklerose eingesetzt) alle vier Wochen insgesamt sechs Infusionen mit anti-LINGO-1 – die andere Hälfte bekam neben dem Kortison lediglich ein Placebo.

Nach 6 Monaten hatten sich die Sehnerven der mit dem Wirkstoff behandelten Patienten deutlich besser erholt hatten als die der Teilnehmer, die das nur Placebo erhalten hatten. Das VEP, also die Geschwindigkeit der Sehnervübertragung, war in der Anti-LINGO-1-Gruppe um 41% stärker.

Bei der Hälfte der Patienten, die anti-LINGO-1 erhalten hatten, waren die Augenprobleme ganz verschwunden oder hatten sich deutlich gebessert. In der Placebogruppe war das nur bei halb so vielen der Fall. "Das ist die erste Studie, die zeigt, dass die Reparatur beschädigter Myelinschichten im menschlichen Gehirn möglich ist", sagt Studienleiter Cadavid.

Nicht jeder der Patienten mit Optikusneuritis entwickelt später auch eine Multiple Sklerose. Daher soll Anti-LINGO-1 nun an MS-Patienten in einer späteren Phase ihrer Erkrankung getestet werden. Zunächst ist eine Studie für Patienten mit schubförmigem Verlauf vorgesehen. Als regenerierender Wirkstoff hätte Anti-LINGO-1 auch das Potenzial, bei schleichend fortschreitender MS zu wirken. Wann dies getestet werden soll, lässt sich der Meldung nicht entnehmen.

Quelle: Pressemitteilung American Academy of Neurology: Experimental Drug That May Repair Nerve Damage in MS Moves Forward, 14.04.2015.


Redaktion: AMSEL e.V., 22.04.2015