Spenden und Helfen

Von Zeit zu Zeit Ballast abwerfen

Sandra hat seit 6 Jahren Multiple Sklerose. Vor einem Jahr stellte sie ihre Ernährung um – nahm 12 Kilo ab, fühlte sich vitaler und ihre Fatigue verbesserte sich. Together 02/15 stellt das Leben der jungen Frau vor.

Ernährung war für die lebenslustige Sandra schon als Kind ein wichtiges Thema. Mit sieben stellten die Ärzte bei ihr Rheumatoide Arthritis fest. Die Schulzeit war daher geprägt von Aufenthalten in Kinderrheumakliniken, Gelenkschmerzen, Fieberschüben und Gehschwierigkeiten. Ernährung – überwiegend pflanzlich – spielte schon damals neben schulmedizinischen und homöopathischen Behandlungen eine wichtige Rolle.

"Ich hatte immer Schulbrote aus Körnerbrot, da waren Sojasprossen, Kresse und sowas drauf", erinnert sich die heute 41-Jährige. "Eine Klassenkameradin wollte immer mit mir tauschen. Sie hat dann mit Genuss mein gesundes Brot gegessen und ich ihr weißes Brötchen mit Wurst". Die Rheuma-Erkrankung hat die junge Frau seit der Pubertät gut im Griff, blieb seitdem weitgehend beschwerdefrei – bis eine weitere Diagnose ihr Leben auf den Kopf stellte: Multiple Sklerose.

Wenn der Körper an die eigenen Grenzen kommt

Zur der Zeit der Diagnosestellung stand die damals 35-Jährige mitten im Berufsleben, war seit über 10 Jahren bei einem IT-Unternehmen in Karlsruhe in der Projekt- und Auftragskoordination tätig. "Das hat mir super viel Spaß gemacht", sagt sie rückblickend. "Ich habe sehr viel gearbeitet, war eigentlich nur noch zum Schlafen und Essen zu Hause. Bis irgendwann mein Körper angefangen hat sich zu wehren." Das war 2009. "Mir ging es richtig schlecht, ich konnte aber nicht so richtig festmachen, woran es lag und was ich habe."

Sandra ließ sich zwei Wochen krankschreiben, wollte Kraft tanken, um dann wieder voller Tatendrang zurück zur Arbeit zu gehen. Doch noch am Wochenende davor, als sie mit einem Kumpel im Auto unterwegs war, merkte sie, dass sie kaum etwas durch die Windschutzscheibe sehen konnte. Als sie daheim war, kamen Doppelbilder hinzu. Es folgten Besuche beim Augenarzt, Hausarzt, Radiologen und schließlich im Krankenhaus eine 5-tägige Cortison-Gabe. Erst danach kam ein Arzt zu ihr und klärte sie auf. "Er hat mir die MS ganz toll erklärt. Auch wenn es zunächst ein Schock für mich und meine Familie war, so war ich doch erleichtert. Das Kind hatte einen Namen und nun konnte ich schauen, wie ich damit umgehe." Aus zwei Wochen Auszeit wurde knapp ein Jahr.

 

 

© Fotolia/LiliGraphie

Sandras Rezeptempfehlung: ein saftiger Rhabarberkuchen

Die gelernte Groß- und Einzelhandels-Kauffrau versuchte es zunächst mit Wiedereingliederung, dann mit Teilerwerbsminderungsrente mit fünf Stunden arbeiten pro Tag, reduzierte dann auf vier Stunden. 2013 merkte sie, dass auch das ihr zu viel wurde. Und sie beantragte volle Erwerbsminderungsrente. "Es ist schon komisch", räumt Sandra ein "wenn man so jung ist und Rente bekommt. Mir wäre es lieber, wenn ich wieder voll arbeiten könnte. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass ich irgendwann wieder halbtags arbeiten kann." Seit einem Jahr arbeitet sie bereits wieder auf 450-Euro-Basis als Aushilfe im Rechnungswesen der Karlsruher Hochschule für Gestaltung, um, wie sie sagt "etwas dazu zu verdienen und vor allem, um auch die sozialen Kontakte nicht zu verlieren. Es ist wichtig und schön, eine Aufgabe zu haben und gebraucht zu werden."

Zusätzlich ist die Ettlingerin seit über einem Jahr ehrenamtliche Lesepatin in einer nahe gelegenen Grundschule. "Einmal wöchentlich darf ich kommen", strahlt sie. "Ich begleite die Schüler seit der ersten Klasse. Habe zunächst nur vorgelesen und seit der zweiten Klasse dürfen auch sie mir vorlesen. Es ist so schön, wenn die Mäuse auf einen zugerannt kommen und sich freuen, wenn ich wieder da bin. Das gibt mir wahnsinnig viel. Das möchte ich nicht mehr missen."

Weniger krank durch gesunde Ernährung

Seit vorletztem Jahr hat sie wieder verstärkt MS-Symptome – Gehschwierigkeiten, Fatigue, Schwindel und Depressionen. "An manchen Tagen wache ich mit bleischweren Beinen auf", sagt die gebürtige Mannheimerin. Amantadin, Fampridin und Antidepressiva gehören zu ihrem Medikamenten-Sortiment. Ein Internist gab ihr Anfang letztes Jahr den Tipp, ihre Ernährung auf low-carb umzustellen, hauptsächlich Zucker und Getreideprodukte wegzulassen. Gesunde Fette wie Leinsamen- und Olivenöl zu verwenden. Und wenn Milchprodukte, dann nur Magermilchprodukte. Viel Obst und Gemüse. Mal Fisch, mal Fleisch. "Dadurch", sagt die hübsche Blondine, "hatte sich meine Fatigue deutlich gebessert und mir ging es den ganzen Sommer über ganz hervorragend. Ich habe mich fitter, vitaler gefühlt und das Gefühl gehabt, so krank bin ich eigentlich gar nicht. Das war klasse!

Der tolle Nebeneffekt war, dass ich auch noch 12 Kilo abgenommen habe, ohne zu hungern. Genau da will ich wieder hin." Denn, so gesteht Sandra, in den letzten Monaten, sei sie mit der Ernährung nicht ganz so diszipliniert gewesen. "Schwierig wird es zum Beispiel, wenn man mit Freunden beim Italiener essen geht, bei dem es "eben fast nur Pizza und Pasta gibt", oder auch in der Reha. Da kann das Essen eben nicht so individuell gestaltet sein. "Und Süßes wie Schokolade, Kekse und Kuchen wegzulassen, fällt mir auch nicht immer so leicht."

Hinzu komme, dass gesunde Ernährung oft auch eine Kostenfrage sei. Wenn sie Geld ausgibt, dann am liebsten für Bio-Lebensmittel. Das ist ein Thema, bei dem sie nicht sparen möchte. "Aber ich könnte mir vieles nicht leisten, wenn meine Eltern nicht da wären. Sie unterstützen mich sehr – bei allem. Und ich habe zudem das Glück", fügt sie lächelnd hinzu, "dass beide auch noch Imker sind. So bin ich auch immer mit Honig versorgt".

Wie sehr Ernährung Einfluss auf das Wohlbefinden haben kann, merkt Sandra schon am frühen Morgen. "Bevor ich zur Arbeit gehe, brauche ich erst mal einen Kaffee", sagt sie. "Das ist wie ein Ritual geworden – auch wenn ich keinen koffeinhaltigen Kaffee trinke. Denn davon habe ich immer furchtbare Migräne bekommen." Seitdem sie seit einigen Jahren auf koffeinhaltige Getränke wie Kaffee, Tee und Cola verzichte, habe sie kaum noch Migräneattacken, erzählt sie.

Zu ihrem 40. Geburtstag im letzten Jahr hat Sandra sich den Wunsch nach einem E-Bike erfüllt. "Damit kann ich jetzt auch noch aktiv ein bisschen trainieren. Lange Strecken, wie zur Arbeit, sind für mich trotz elektrischer Unterstützung zwar ziemlich anstrengend, aber kürzere Strecken sind super. Einen Einkaufskorb hinten drauf montiert und dann kann ich den ganzen Einkauf einladen", freut sie sich. Denn Bewegung ist für die im Sternzeichen Stier Geborene wichtig. Fast täglich geht sie auch mit ihrer Katze "Krümel" spazieren – ohne Leine. "Wir gehen einmal um den Block rum und dann wieder heim. Ich habe ihr sogar schon "sitz", "Pfötchen" und "bei Fuß" beigebracht. Mit Leckerli klappt alles", sagt sie schmunzelnd. "Krümel" sei für sie wie Balsam für die Seele. Wie auch ihre Familie und Freunde.

Was vergangen ist, ist vergangen

Auf die Frage nach ihrer Zukunft antwortet Sandra: "Ganz ehrlich, ich mache mir darüber noch gar keine Gedanken. Ich weiß nicht, was in ein paar Jahren sein wird. Ich bin jetzt nicht traurig oder ängstlich darüber, was kommen wird, sondern freue mich auf jeden neuen Tag und versuche ihn zu genießen."

Doch so optimistisch sie ist, so schwer fällt es ihr manchmal auch, sich einzugestehen, dass sie durch die MS nicht mehr voll belastbar ist. "Ich habe oft meine Ziele zu hoch gesteckt. Ich wollte dann alles auf einmal und das geht einfach nicht. Ich habe jetzt mit dem Ausmisten meines Kleiderschranks angefangen und dann geht es weiter. Eins nach dem anderen."

Quelle: AMSEL-Nachrichtenmagazin "together", Ausgabe 02/15

Redaktion: AMSEL e.V., 19.08.2015