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Täglich über fünf MS-Diagnosen in Baden-Württemberg

Neue AMSEL-Broschüre mit Daten aus dem MS-Register: „Multiple Sklerose in Baden-Württemberg – Daten und Fakten“. - Zu bestellen im AMSEL-Shop.

Jeden Tag erhalten durchschnittlich über fünf Menschen in Baden-Württemberg die Diagnose Multiple Sklerose (MS). Trotz verbesserter Therapien und neuen Medikamenten ist MS nach wie vor eine unheilbare Krankheit, die mit einschneidenden Veränderungen der Lebenssituation von Erkrankten und ihrem Umfeld einhergeht. AMSEL, Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e. V., stellt die aktuelle Auflage der Broschüre „Multiple Sklerose in Baden-Württemberg – Daten und Fakten“ vor. Sie fasst Daten zur Versorgungssituation MS-Erkrankter zusammen, die im Rahmen des deutschen MS-Registers erhoben wurden.

MS – die Krankheit der 1.000 Gesichter

Multiple Sklerose gilt als Krankheit der Ungewissheiten – Anfangssymptome, Krankheitsverlauf und Therapie sind individuell unterschiedlich und nicht vorhersehbar. Deshalb wird MS auch die Krankheit mit den 1.000 Gesichtern genannt. Diese Vielschichtigkeit spiegeln die erhobenen Daten aus Baden-Württemberg wider. – Hier eine Auswahl:

Schubförmiger Verlauf überwiegt

Der weit überwiegende Anteil der MS-Erkrankten in Baden-Württemberg leidet an einem schubförmigen Verlauf; etwa 15 Prozent haben die sekundär progrediente und knapp 7 Prozent die primär progrediente Verlaufsform.

MS-Symptom

Häufigkeit in %

Mobilitätseinschränkungen/ Paresen

45,3

Erschöpfbarkeit

44,4

Sensibilitätsstörungen

41,4

Gleichgewichtsstörungen

39,3

Blasenfunktionsstörungen

33,3

Parästhesien

30,3

Feinmotorikstörungen

30,1

Bewegungsstörungen

27,9

Spastik/ nächtliche Spasmen

26,7

Kognitive Störungen

24,4

Schlafstörungen

22,2

Depression

21,9

Schmerzen

20,8

Visusstörungen

17,2

Uhthoff-Phänomen

13,4

Restless-Legs-Syndrom

10,6

Darmfunktionsstörungen

7,7

Okulomotorische Störungen (Augenmotorik)

7,1

Sexuelle Störungen

6,1

Sonstige vegetative Störungen

5,2

Dysarthie/ Dysphonie (gestörte Sprechmotorik/ Stimmbildung)

4,4

Dysphagie (Schluckstörung)

2,6

Epileptische Anfälle

1,1

Weiterhin unbehandelte Symptome

Mobilitätseinschränkungen und Paresen sind mit 45,3 Prozent das häufigste Symptom, gefolgt von Fatigue (abnorme Erschöpfbarkeit, 44,4 Prozent) und Sensibilitätsstörungen (41,4 Prozent).

Symptome  

Patient lehnt
Behandlung ab

unbehandelt  

ohne
Medizin

mit
Medizin

kombiniert  

Blasenfunktions-
störungen  

 1,2 %  

 40,2 %  

 26,8 %  

 23,7 %  

 8,1 %  

Depression  

 1,6 %  

 24,7 %  

 7,3 %  

 59,8 %  

 6,5 %  

Kognitive
Störungen  

 0,2 %  

 66,4 %  

 25,2 %  

 7,3 %  

 0,9 %  

Erschöpfbarkeit
(Fatigue)  

 0,3 %  

 63,5 %  

 26,0 %  

 7,0 %  

 3,2 %  

Schmerzen  

 0,3 %  

 24,9 %  

 9,4 %  

 51,9 %  

 13,5 %  

Spastik/
nächtliche
Spasmen  

 0 %  

 16,8 %  

 25,0 %  

 17,6 %  

 40,6 %  

„Immer noch gibt es Bereiche der symptomatischen Therapie, die nicht adäquat oder gar nicht behandelt werden“, erläutert Prof. Dr. med. Peter Flachenecker, Vorsitzender des Ärztlichen Beirates der AMSEL und Mitglied der wissenschaftlichen Begleitgruppe Deutsches MS-Register. „Hierzu gehören Fatigue, kognitive Störungen und Blasenstörungen. Die Ursachen dafür liegen unter anderem in fehlenden Strukturen oder Therapien. Da müssen wir besonders dran arbeiten.“

Deutlich weniger Gehbehinderungen durch MS

Verglichen mit den Registerdaten von 2013 hat sich die Zunahme der Einschränkung in der Gehfähigkeit bei MS-Erkrankten in Baden-Württemberg deutlich verzögert bzw. verbessert. So benötigten 2013 noch etwa 50 Prozent der 60-Jährigen eine Gehhilfe, um 100 Meter weit zu gehen (EDSS-Wert 6,0), 2023 waren es nur noch 20 Prozent.

Mittlerweile gibt es sehr gute Behandlungsmöglichkeiten, um den Verlauf der MS zu beeinflussen. „Das heißt, eine MS-Diagnose bedeutet keineswegs, dass die Erkrankten auf jeden Fall im Rollstuhl enden. Die Daten des MS-Registers zeigen, dass der Verlauf der MS im Schnitt günstiger ist als noch vor zehn Jahren. Das belegt vor allem der gesunkene durchschnittliche Behinderungsgrad mit einem EDSS-Wert von 3,5 im Jahr 2013 auf 2,5 im Jahr 2023“, fasst Prof. Flachenecker zusammen. EDSS steht für Expanded Disability Status Scale.

Größere Behandlungsvielfalt

Mehr als 80 Prozent der im MS-Register dokumentierten MS-Erkrankten in Baden-Württemberg erhalten eine Immuntherapie, am häufigsten mit dem Immunmodulator Ocrelizumab. Prof. Peter Flachenecker: „Es hat sich im Bereich der Immuntherapie viel entwickelt und die Behandlungsvielfalt, um Schübe zu reduzieren und die Krankheitsaktivität zu verlangsamen ist deutlich breiter geworden. Das bilden die Ergebnisse des MS-Registers klar ab.“

Hoher Anteil der MS-Erkrankten ist erwerbstätig

Etwa zwei Drittel der männlichen und gut ein Drittel der weiblichen MS-Erkrankten in Baden-Württemberg sind in Vollzeit berufstätig; vorzeitig berentet sind 15 Prozent bzw. 23 Prozent.

Weiterhin Versorgungslücken

Flachenecker: „In den letzten zehn Jahren hat sich viel getan bei der Versorgung von MS-Erkrankten in Baden-Württemberg, aber es reicht noch nicht. Die AMSEL sieht ihre Aufgabe darin, die Öffentlichkeit über MS aufzuklären und Betroffene zu unterstützen. Mit den neuen Daten des MS-Registers kann sie zeigen, dass es aufgrund der breit gefächerten Behandlungsmöglichkeiten gute Chancen gibt, ein weitgehend normales Leben mit MS zu führen. Gleichzeitig kann sie als Interessenvertretung der MS-Erkrankten darauf hinwirken, dass der Fokus noch mehr auf die unterbehandelten Symptome gelegt wird.“

„Datenschatz“ MS-Register

Dank der Zuarbeit von 28 MS-Zentren aus Baden-Württemberg konnten zuletzt jährlich rund 2.000 MS-Erkrankte erfasst werden. Bundesweit sind über 180 Zentren mit rund 13.000 Erkrankten beteiligt. „Die Wertigkeit des MS-Registers, das 2001 begonnen wurde, ist kontinuierlich gestiegen. Wir haben jetzt einen Datenschatz, der uns hilft zu verstehen, wie MS-Erkrankte in Deutschland und auch speziell in Baden-Württemberg versorgt sind, hinsichtlich Therapie, Pflege und der beruflichen Situation“, erklärte Prof. Dr. med. Flachenecker bei der Vorstellung der Broschüre.

AMSEL möchte mit den vorliegenden Daten Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern die Lücken in der Versorgung von MS-Erkrankten aufzeigen und insbesondere Allgemeinärzte mit einem sehr breiten Behandlungsspektrum ermutigen, ihre Patienten bei Verdachtsfällen an MS-Zentren zu überweisen.

MS-Register in Deutschland

Der DMSG, Bundesverband e.V. initiierte im Jahr 2001 den Aufbau eines MS-Registers, um standardisierte Daten zur Krankheitshäufigkeit der MS, über die Versorgungssituation und den Einfluss der Erkrankung auf die Berufs- und Arbeitswelt zu erhalten. Die am MS-Register teilnehmenden Zentren unterliegen strengen, standardisierten Auswahlkriterien. Baden-Württemberg hat aktuell eine hohe Beteiligung mit 28 Zentren.

Das Konzept wurde in enger Absprache mit dem Ärztlichen Beirat des DMSG-Bundesverbandes von einer wissenschaftlichen Begleitgruppe entwickelt. Die Durchführung liegt bei der MS Forschungs- und Projektentwicklungs-gGmbH (MSFP-gGmbH), einer 100 %igen Tochtergesellschaft der DMS Stiftung. Nähere Informationen und weitere Auswertungen zur MS gibt es auf www.msregister.de.

AMSEL e.V. dankt der IKK classic, die im Rahmen der Projektförderung der Krankenkassen Layout- und Druckkosten der Broschüre übernommen hat.

Redaktion: AMSEL e.V., 11.12.2024