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Symptome erkennen und zeitgemäß behandeln

So waren die 4 Nachmittagsvorträge auf dem Jubiläumssymposium der AMSEL überschrieben. Für mehr Lebensqualität bei Multipler Sklerose - eine Zusammenfassung und die Bildergalerie.

Sie kennen das vielleicht: Nach einer mehrjährigen "MS-Karriere" meint man alles zu wissen über seine Krankheit. Und erlebt doch Neues in Vorträgen von Fachleuten, wie bei den vier Referenten am Samstagnachmittag auf dem Jubiläumssymposium anlässlich 40 Jahre AMSEL.

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Progressive MS behandeln

Mit der Zukunft der MS-Therapie beschäftigte sich Prof. Dr.med. Andrew Chan. Die Antwort auf die Frage "Welche Therapie ist die Beste ?" hänge von vielen individuellen Faktoren ab und sei daher nur im Gespräch mit dem Arzt des Vertrauens zu klären. Der Bochumer Experte benannte Vor- und Nachteile der zur Verfügung stehenden Therapien, die aber immer noch nicht alles erfüllen, was wir gerne hätten. "Es gibt weiterhin keine Heilung, keine Substanz für die chronischen Verlaufsformen."

Die Therapie von morgen sieht Chan in verträglichen, einfach anzuwendenden und langfristig sicheren Wirkstoffen mit individueller höherer Wirksamkeit, in Markern, über die vorab das Ansprechen auf eine Therapie bestimmt werden kann und in Therapeutika für die progressiven Stadien der MS.

Körperliche oder kognitive Fatigue ?

"In der Frühphase haben mehr als 20%, nach 10 Jahren mehr als 50% der MS-Erkrankten kognitive Störungen, subjektiv schildern jedoch 80% Leistungseinbußen," fasste Heike Meißner die Bedeutung kognitiver Störungen im Leben von MS-Betroffenen zusammen. Eine neuropsychologische Testung mit standardisierten Testverfahren und die Erfassung der emotionalen Befindlichkeit ermögliche, kognitive Defizite zu diagnostizieren und mit verschiedenen neuropsychologischen Ansätzen zu therapieren. Dass Therapien Verbesserungen bringen, zeigten wissenschaftliche Untersuchungen, machte die Klinische Neuropsychologin GNP und Psychologische Psychotherapeutin im Quellenhof in Bad Wildbad Mut.

Bei der Fatigue müsse zunächst geklärt werden, ob es sich um eine primäre oder sekundäre Fatigue handele. Durch subjektive und objektive Messungen lasse sich dann bestimmen, ob der Patient eine körperliche oder kognitive Fatigue habe. Die gute Nachricht: Durch eine Reihe von Maßnahmen lässt sich auch dieses oft belastende unsichtbare Symptom der MS beeinflussen.

Nur nicht unterfordern

Sabine Lamprecht forderte alle MS-Erkrankten zu Aktivität auf. Laut der erfahrenen Physiotherapeutin muss die Leistungsgrenze bestimmt, und unter gut betreuter Anleitung jeweils gezielt überschritten werden, um Fähigkeiten aufzutrainieren.
So ließen sich beispielsweise Schwächen und Paresen, die zu Beginn der MS sehr häufig auftreten, durch spezifische Physiotherapie trainieren. Ebenso die Spastik, Ataxie, Fatigue und Gleichgewichtsstörungen.

"Überanstrengung löst keinen Schub aus, regelmäßige individuell abgestimmte Bewegung ist positiv," mahnte nachdrücklich die Leitung Motorik bei den Kliniken Schmieder. "Ziel der Physiotherapie kann nicht in erster Linie die Verbesserung eines Symptoms sein, sondern ist die Unabhängigkeit im häuslichen Umfeld." Und jeder müsse sich ergänzend zu seiner Physiotherapie am besten täglich bewegen, so wie er kann und mag. Lamprecht warnte vor allein passiver Therapie und Unterforderung.

Schmerz"ent-katastrophisieren"

Schmerzen bei Multipler Sklerose kommen oft vor. Nicht alle sind heftig, doch können migräneartige Kopfschmerzen denen eines Krebspatienten entsprechen und ein Bein, das wehtut, als stecke es in einem "spanischen Stiefel", so die Beschreibung einer Patientin, hilft einzuordnen, wie wichtig, es ist, den oder die Schmerzauslöser herauszufinden, so Dr. med. Wolfgang Feneberg, Oberarzt im Behandlungszentrum für Multiple Sklerose der Marianne-Strauss-Klinik. Ein Schmerztagebuch zu führen ist sehr hilfreich (zum Beispiel mit der MS-Tagebuch-APP), denn im Nachhinein verblassen Schmerzen schnell.

Oft zeigt sich der Schmerz bei MS entkoppelt von der schmerzenden Stelle selbst (die Schmerzen entstehen im Kopf, nicht an dem Körperteil, das schmerzt) oder er ist indirekte Folge der MS, wie etwa Schulterschmerzen bei einem unergonomisch eingerichteten Rollstuhl oder zu kurzen Krücken. Komplette Beseitigung des Schmerzes ist manchmal ein unrealistisches Ziel, die Schmerzreduktion um 50-70% jedoch fast immer möglich. Wichtig ist in dem Kontext auch die persönliche Einstellung des Patienten, sich z.B. klarzumachen, dass Schmerz nicht gleich Schub bedeutet, also den Schmerz selbst zu "entkatastrophisieren", so Dr. Wolfgang Feneberg. Auch das hilft schon, den Schmerz zu reduzieren, und darum geht es.

Blasenstörungen mit gemischter Symptomatik

Wenige Symptome der MS sind so gut behandelbar wie Blasenstörungen, so Dr. Feneberg. Die gute Infektprophylaxe sei mit ein Grund, dass MS-Patienten heute so alt werden. Eine exakte Diagnose ist aber auch hier wichtig. Schließlich lassen die Symptome nicht immer auf die Ursache schließen und die Symptomatik ist bei MS oft gemischt: Die Blase kann hier zugleich spastisch (etwa die Harnleitermuskulatur) und zu schlaff (etwa der Blasenmuskel) sein.

Im Gegenteil zum Dauerkatheter führe eine Selbstkatheterisierung 4-6 Mal am Tag nicht zu mehr Infekten, verringere aber die Restharnmenge. Zwar "schiebe" man jedes Mal Bakterien mit dem Schlauch hinein, diese würden jedoch direkt wieder ausgespült. Diese und weitere Verhaltensmaßnahmen, etwa Toilettengänge nach der Uhr sowie der Einsatz äußerer Miktionsreize (Wasserhahn laufen lassen bei Harnverhalt) bringen viel und reduzieren den Einsatz von Medikamenten.

Über den Empfang im Schloss, die Vormittagsvorträge des AMSEL-Symposiums sowie die Jubiläumsfeier am Samstagabend hatte AMSEL.DE bereits berichtet. Eine Zusammenfassung der Sonntagsvorträge des AMSEL-Symposiums folgt am 31.10.2014.

Für die Unterstützung bei der Durchführung der Veranstaltung dankt AMSEL den Unternehmen Almirall, Biogen Idec, Coloplast, Genzyme, Merck Serono, Novartis, Pfizer und TEVA.

Redaktion: AMSEL e.V., 28.10.2014