Spenden und Helfen

Symposium: Aktuelle Immuntherapie der Multiplen Sklerose

Warum, wann und wie eine MS-Therapie gewechselt oder beendet werden sollte, waren die zentralen Fragen des AMSEL-Symposiums "Aktuelle Immuntherapie der MS" am vergangenen Samstag in Leinfelden. - Mit Fotostrecke.

Früher habe sich die Frage eines Wechsels der Therapie gar nicht erst gestellt, leitete Prof. Dr. med. Horst Wiethölter das Symposium zur Immuntherapie ein. Heute aber sei man in der glücklichen Lage, eine Vielfalt an Medikamenten zur Behandlung der Multiplen Sklerose zur Verfügung zu haben. Das wiederum, so der Vorsitzende der AMSEL, stelle den Behandler wie auch den Behandelten vor eine neue Herausforderung: die Qual der Wahl. - 180 Teilnehmer folgten gespannt den Vorträgen und nutzten die Gelegenheit, individuelle Fragen zu stellen.

Fotostrecke

Therapie wechseln ?!

Dieser Frage ging Dr. med. Lienhard Dieterle in seinem gleichnamigen Vortrag nach. Der niedergelassene Neurologe aus Ravensburg sieht eine Therapieumstellung auf ein neues Medikament mit einem unterschiedlichen Wirkmechanismus erst als erforderlich an, wenn die bisherige Therapie nicht (mehr) zufriedenstellend wirke, sich der Krankheitsverlauf ändere oder die Nebenwirkungen schlecht toleriert würden. "Eine wirksame und verträgliche Therapie", so der Appell des versierten Experten, "sollte nicht aktiv umgestellt werden." Denn eine Umstellung auf eine neue Therapie gehe immer mit dem Risiko eines Nichtansprechens oder neuer Nebenwirkungen einher.

Ebenfalls sei der Faktor Zeit zu beachten bei der Umstellung auf eine Folgetherapie. Denn für verschiedene Wirkstoffe gebe es einen zeitlichen Sicherheitsabstand, der eingehalten werden müsse. Um zum einen additive Effekte auf das Immunsystem zu vermeiden und zum anderen therapiespezifische Effekte des bisherigen Medikamentes erst mal zu normalisieren, wie bspw. das Blutbild. Dieser Mindestabstand kann bis zu 12 Monate betragen. Eine Zeit, in der der Patient möglicherweise weitere Krankheitsaktivität oder Schübe riskiere.

Therapie beenden ?!

Dass die Frage ob, wann und wie eine Therapie beendet werden müsse, nicht immer so eindeutig oder einfach zu beantworten sei, zeigte Prof. Dr. med. Mathias Mäurer anhand eines Fallbeispiels: Heike, 30 Jahre, milde MS, seit 6 Jahren mit einem Interferonpräparat eingestellt. Der Patientin stellte sich nun die Frage, ob sie ihr Medikament nicht absetzen solle, weil es ihr momentan "ja gutgehe", sie keine Schübe habe, sie nicht wisse, ob sie ihrem Körper langfristig schade und, weil sie keine wirkliche Lust mehr auf Spritzen hätte.

Der (noch ganz neue) Chefarzt der Fachabteilung Neurologie und neurologische Frührehabilitation im Krankenhaus Juliusspital Würzburg näherte sich einer Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit des Absetzens anhand verschiedener Studiendaten. So konnte bspw. in einer Langzeitstudie mit Interferonen gezeigt werden, dass diese den Eintritt in eine sekundärprogrediente Phase signifikant reduzieren. Bei unbehandelten Patienten liege die Wahrscheinlichkeit deutlich höher als bei mit Interferon behandelten Patienten. Eine weitere Studie konnte ebenfalls zeigen, dass das Risiko nach Absetzen, neue Entzündungsaktivität zu entwickelten, deutlich höher ist.

Wann das Beenden einer Therapie sinnvoll ist

Kann ein Absetzen eines Medikamentes dennoch sinnvoll sein ? Der ehemalige Chefarzt der Klinik für Neurologie des Caritas-Krankenhauses Bad Mergentheim nannte bestimmte Kriterien, die für ein Absetzen eines Medikamentes sprechen könnten: wenn die Therapieziele nicht erreicht werden können, wenn trotz Behandlung eine Progression ohne Nachweis von Schüben und ohne MR-Aktivität in einem Zeitraum von 1-2 Jahren vorhanden ist, wenn die Nutzen-Risiko-Analyse dafür spricht oder aufgrund von erhöhtem Lebensalter eine Immunoseneszenz (Nachlassen der Leistungsfähigkeit des Immunsystems) vorliegt.

Der anerkannte MS-Experte machte noch einmal deutlich, dass Multiple Sklerose als "lebenslange" Erkrankung auch eine "lebenslange" Therapie erfordere. Und, dass es immer auch Möglichkeiten gebe, aktiv etwas gegen die MS zu tun. Wenn die Möglichkeiten der Immuntherapie nicht mehr greifen, so gebe es immer noch die Möglichkeiten der Symptomatischen Therapie.

 

AMSEL dankt der Deutschen Rentenversicherung Bund für die finanzielle Unterstützung des Symposiums.

Redaktion: AMSEL e.V., 26.07.2016