Da musste sich mancher Passant die Augen reiben. Bikertreffen vor dem Generationenhaus Heslach? Nicht ganz. Das Treffen der harten Jungs galt den Bewohnern des Generationenhauses. Sie sollten bei einer Stadtrundfahrt Motorrad-Feeling verspüren, nicht nur das Dröhnen von Motoren hören, sondern selber den Wind im Gesicht spüren.
Die Voraussetzungen dafür waren bestens: Sonnenschein und hochsommerliche Temperaturen, Getränke und Kuchenbuffet für alle. Ein Pflegelifter, Tragetücher und Hilfsmittel, um z.B. Beifahrer mit schwacher Halsmuskulatur zu lagern, standen bereit. Hochmotivierte Pflegefachkräfte und Biker mit großem Herzen ebenfalls. So war der Transfer vom Rollstuhl in den Beiwagen zwar zeitintensiv, wurde aber für alle, die an dem Abenteuer mitmachen wollten, ein lösbares Problem.
Eine tolle Truppe
Die Zeit des Transfers war aber nicht langweilig. Pflegekräfte, Bewohner und Biker kamen miteinander ins Gespräch, es herrschte gesellige Stimmung. Und bei den neuen Bikern wuchsen Aufregung und Vorfreude mit jeder Minute, bis der erste Konvoi mit zehn chromblitzenden Motorradgespannen und einigen schweren Solomaschinen als Begleitfahrzeugen losfuhr.
Mit Bewohnern der Jungen Pflege, von denen die meisten von der Idee total begeistert, "coole" Aktion", und unbedingt mitmachen wollten. Aber auch mit einigen Bewohnern der Seniorenpflege, die die Idee gereizt hatte. Und so fuhr ein auf den zweiten Blick ungewöhnlicher Tross durch Stuttgart.
Bei der Ankunft nach 45 Minuten: glückliche Gesichter, Lachen, hochgerissene Arme von Menschen, die sonst nicht einmal mehr ihr Trinkglas halten können. "Ich steige hier nicht mehr aus" war der erste Kommentar einer jungen Beifahrerin. Ein weiterer Beifahrer meinte: "Ich habe die Kraft der Maschine in meinem Körper gespürt, das war Lebensfreude pur". "Den Wind in meinem Gesicht zu spüren, war unbeschreiblich schön." fasste ein Dritter seine Empfindungen zusammen. Und gleich ging es weiter: die nächsten zehn Bewohner starteten zur Stadtrundfahrt und kamen ebenso glücklich und begeistert zurück.
Und auch die Harley-Rocker waren von der Aktion begeistert. Sie waren aber auch betroffen und bewegt vom Schicksal, besonders der jüngeren pflegebedürftigen Bewohner. Für alle Biker war klar, dass sie nächstes Jahr wieder kommen wollen – mit noch mehr Gespannen und vor Allem: mit einem abschließendem Fest gemeinsam mit Bewohnern und Pflegekräften.
Vielleicht wird damit ja aus der Idee von Elke Münch, Harley-Fan und begeisterte Harley-Fahrerin und ehrenamtliche Mitarbeiterin im Generationenhaus, eine Tradition, bei der Rollstühle gegen einen motorisierten Untersatz getauscht werden.
Für den Einrichtungsleiter Andreas Weber zeigt der Tag auf jeden Fall eines: "Wenn man über den üblichen Rahmen eines Pflegeheimbetriebs hinaus denkt, gut zusammen arbeitet und etwas Fantasie walten lässt, wenn man eine Sache umsetzen will, ist eigentlich (fast) alles möglich."
Quelle: Generationenhaus Heslach
Redaktion: AMSEL e.V., 09.08.2013