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Rabattverträge für Arzneimittel - Sparmodell oder Datenmoloch?

08.03.10 - In der aktuellen Together-Ausgabe 01/2010 stellt Dr. Ingrid Glas vom Landesapotherkerverband Baden-Württemberg e.V. die Auswirkungen der Rabattverträge auf Patienten und Apotheken dar.

Wenn Patienten in der Apotheke über Rabattverträge sprechen, dann fallen spontan Einschätzungen wie: "Wegen der Rabattverträge dauert es oft länger, bis ich mein Medikament bekomme – ich muss auch mehr mit dem Apotheker reden." "Rabattverträge – da brauche ich einfach mehr Informationen von meiner Kasse oder von meinem Arzt." "Manchmal kenne ich mich mit meinen Medikamenten gar nicht mehr aus – das sieht anders aus, es heißt anders. Da komme ich leicht durcheinander." Es gibt aber auch die ganz Pragmatischen, die klar erkennen: "Durch Rabattverträge wird es für mich billiger. Ich brauche oft keine Zuzahlung zu leisten, wenn ich in der Apotheke bin. Das finde ich gut."

 
 
Zur Autorin
 
 
 

Dr. Ingrid Glas, Landesapotheker-verband Baden-Württemberg e.V.

Apothekerin, Diplom-Chemikerin

 

  • Seit 2005: Apothekerin im Bereich Sonderprojekte und Selbsthilfegruppen des Landesapotheker-verbandes Baden-Württemberg, nebenbei Unterricht an PTA/ CTA-Kolleg und Tätigkeit als Referentin
  • 2002-2005 Tätigkeit beim Regierungs-präsidium Stuttgart im Bereich Umsetzung des Medizinprodukterechts, nebenbei Unterricht an PTA/ CTA-Kolleg
  • 1982-2002 Lehrkraft an einem PTA/ CTA-Kolleg, dazu Tätigkeit als freie Mitarbeiterin bei der deutschen Apothekerzeitung und der Medizinischen Monatszeitschrift für Pharmazeuten, dazwischen
  • 1997 Promotion im Fachbereich Chemie an der Eberhardt-Karls-Universität Tübingen
  • 1973-1982 Studium der Chemie und Pharmazie an den Universitäten Karlsruhe und Tübingen

 

Rabattverträge bestimmen heute zum großen Teil das Geschehen in Apotheken. Rund 57 Prozent aller Medikamente (Absatz nach Packungen), die im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf Rezept verordnet werden, sind Rabatt-Arzneimittel. Dies betrifft nur den Bereich der GKV und nur solche Medikamente, bei denen der Patentschutz ausgelaufen und ein sogenanntes Generikum – ein meist preiswerteres Nachahmerpräparat – auf dem Markt ist. Sowohl der Arzt als auch der Apotheker sind durch Gesetze dazu angehalten, preisgünstige wirkstoffgleiche Arzneimittel zu verordnen beziehungsweise abzugeben.

Arzt entscheidet über Ausnahmen

Bis auf ganz wenige Ausnahmen kann nur der Arzt entscheiden, ob im Ausnahmefall bei einem Patienten ein Austausch auf ein Rabattarzneimittel ausgeschlossen werden kann.

Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn der Patient allergisch auf einen Hilfsstoff im Generikum reagiert. Hilfsstoffe sorgen z.B. dafür, dass sich Tabletten im Magen schneller oder langsamer auflösen. Wenn hierzu beispielsweise ein Hilfsstoff aus Hühnereiweiß verwendet wird – und der Patient auf das Eiweiß reagiert, wird der Arzt bestimmen, dass bei diesem Patienten bei diesem Medikament nicht ausgetauscht werden soll. In solchen Fällen wird der Arzt auf dem Rezept mit dem sogenannten "aut-idem-Kreuzchen" für den Apotheker kenntlich machen, dass nur das verordnete Medikament abgegeben werden darf.

Der Apotheker prüft also in jedem Einzelfall das ärztliche Rezept auf folgende Punkte:

  • Hat der Arzt das "aut-idem-Kreuzchen" gesetzt oder nicht?
  • Stimmt das Austauschmedikament in Wirkstärke und Packungsgröße überein?
  • Hat das Rabattvertrags-Medikament den gleichen Indikationsbereich (Anwendungsbereich)?
  • Sind die Darreichungsformen gleich oder austauschbar? (Ein Wirkstoff in einer Kapsel wirkt anders als der Wirkstoff in flüssiger Form.)
  • Bei welcher Krankenkasse ist der Patient versichert – und welchen Rabattvertragspartner hat die Krankenkasse gewählt.

 

 
 
Hintergrund
 
 
 
  • Rabattverträge sind seit 2007 gesetzlich vorgeschrieben und der Apotheker ist verpflichtet, vorrangig Rabattarzneimittel abzugeben.
  • Über 200 Krankenkassen haben mit einem oder mehreren Pharmaherstellern solche Verträge über die wichtigsten Wirkstoffe abgeschlossen. Dadurch zahlen die Kassen für Medikamente dieser Hersteller weniger und werden dadurch entlastet.
  • Der Apotheker muss bei jedem Patienten prüfen, ob und mit wem seine Krankenkasse einen Rabattvertrag abgeschlossen hat.
  • Fakt ist, dass diese Rabattverträge über 20 000 Arzneimittel erfassen. Zehn Millionen Datensätze müssen Monat für Monat in jede Apotheke gespielt werden, damit der Apotheker mit seinem Team die Rabattverträge überhaupt umsetzen kann.
  • Und auch wenn es für einen Fall keinen Rabattvertrag gibt, ist dem Apotheker vorgeschrieben, dass er dann eines der drei preisgünstigsten Fertigarzneimittel abgeben muss, die er über den Apotheken-Computer herausfinden muss.
 
 

Zeitaufwendiges Vorgehen vorgeschrieben

So kann in der Wahrnehmung der Patienten schnell mal der Eindruck entstehen, dass seine Arzneimittel ständig ausgetauscht würden. Aber der Apotheker ist zu dieser Prüfung verpflichtet, denn wenn er in den Augen der Krankenkasse ein "falsches" Arzneimittel abgibt, wird es von der Kasse nicht erstattet. Dabei ist es gleichgültig, dass der gleiche Wirkstoff enthalten ist und der Patient vielleicht auf genau diesem Arzneimittel bestanden hat. Ebensowenig ist es erlaubt, gegen einen Aufpreis, den der Patient häufig zahlen würde, auf sein Wunscharzneimittel auszuweichen. Nur der Arzt kann hier im Einzelfall Abhilfe schaffen, indem er bei berechtigten Gründen durch das aut-idem-Kreuzchen den Austausch ausschließt. Der Apotheker darf hier nicht eigenmächtig etwas ändern, außer bei schwerwiegenden pharmazeutischen Bedenken.

Die Umsetzung der Rabattverträge stellt für die Apotheken einen riesigen bürokratischen Mehraufwand dar – ein Zeitaufwand, den der Kunde unter anderem bei Lieferproblemen durch längere Wartezeiten auf sein Medikament zu spüren bekommt. Die Apotheken bekommen diesen Zeitaufwand nicht vergütet, um

  • Millionen zusätzlicher Datensätze im Computer zu überprüfen
  • sehr viel mehr verschiedene Arzneimittel zu lagern
  • Patienten intensiver über das verschriebene Arzneimittel aufzuklären

Fazit

Fragen Sie bei Unklarheiten bezüglich der Verträglichkeit des (Rabatt-)Arzneimittels und eventueller Allergien direkt den Arzt. Nur er stellt die Verordnung aus. Da vor allem ältere Patienten sich bei Medikamentenumstellungen schwer tun, sind auch die Angehörigen gefragt. Sie sollten ältere Menschen nicht alleine mit einem "unbekannten" Arzneimittel lassen, das aus Misstrauen in der Schublade verschwindet, statt zu wirken! Hier steht selbstverständlich auch der Apotheker als Berater zur Seite und kann darauf einwirken, dass der Patient auch weiterhin seine Medikamente konstant einnimmt und es nicht durch Fehleinnahme oder gar durch Weglassen der Medikamente zu Krankheitsverschlimmerungen kommt. Ihr Apotheker berät gern rund um alle Medikationsfragen. Er darf aber die ärztliche Verordnung nicht abändern!

 
 
Magazin Together
 
  

Quelle: aus Together 01/2010; Dr. Ingrid Glas, Landesapothekerverband Baden-Württemberg e.V.

Redaktion: AMSEL e.V., 25.02.2010