Spenden und Helfen

Punkt, Punkt, Komma, Strich...

Wer kennt ihn nicht, den Kinderreim. Doch entscheidend ist das,was man daraus macht. Phil Hubbe, selbst an Multiple Sklerose erkrankt, macht daraus Behinderten-Cartoons gewürzt mit Biss und Humor. Together 01/13 stellt den Ausnahme-Cartoonisten vor.

Bereits als Kind wollte Phil Hubbe Zeichner werden. "Mein Großvater war Kunstmaler und wohnte bei uns mit im Haus. Ich habe ihm gerne über die Schulter geschaut.” Er weckte in ihm die Leidenschaft und die Lust am Malen und half ihm beim Erlernen der Techniken. "Mein erstes Bild, ein Indianer, entstand in Tusche, und hing bei ihm über dem Ofen. Allerdings entwickelte sich meine Kunst in eine andere Richtung – mein Großvater malte oft Portraits, ich fand in Comics und Cartoons meine Welt", sagt der bekannte Cartoonist rückblickend.

Schon als kleiner Junge verschlang er regelrecht die Mosaik-Magazine, eines der wenigen DDR-Comic-Hefte, die es in der damaligen DDR gab. "Die Geschichten waren klasse und ich habe sie begeistert abgezeichnet". Mit 16 Jahren durfte der gebürtige Haldenslebener dann erstmals einen selbst gestalteten Cartoon für eine Imker-Zeitschrift einreichen, für die sein Vater Fotos machte.

Als Abiturient stand für Hubbe fest, dass er Grafik studieren wollte. Als der Versuch scheiterte, begann er kurzentschlossen ein Mathematikstudium, das er aber bereits nach einem Semester wieder abbrach. Während der damals 22-Jährige im Schichtdienst einer Keramikfabrik arbeitete, um sich etwas Geld zu verdienen, versuchte er erneut eine Mappe für ein Grafikstudium zusammenzustellen. Zu dieser Zeit erhielt er von seinem Neurologen die Diagnose MS. "Ich fing an zu stolpern, konnte mich nicht mehr richtig halten, nicht mehr richtig laufen." Bereits im Alter von 19 Jahren hatten sich die ersten Anzeichen der Krankheit gezeigt – eine Sehnervenentzündung, die sich anfühlte, als schaue er durch ein Milchglas.

Entscheidung fürs Leben – gegen den Rat des Arztes

"Als ich die Diagnose bekam, riet mir mein Arzt, mich lieber wieder einem Mathestudium zu widmen und das Zeichnen zu lassen, weil bei MS mit einer körperlichen Behinderung zu rechnen sei, die mir das Zeichnen über kurz oder lang nicht mehr erlauben würde." Ein Bruch für den jungen Mann.

"Der Arzt ließ mich mit einem Patientenratgeber und der Diagnose allein". Nach der Kortisongabe gingen die Beeinträchtigungen zurück, ein Grund, warum er sich die MS damals nicht bewusst machte. "Vielleicht wollte ich es aber auch einfach nicht so recht wahrhaben.", erinnert sich der heutige Magdeburger. Er entschied sich gegen den Rat seines Arztes, ließ sich nicht entmutigen, und machte schließlich sein Hobby zum Beruf. Mittlerweile ist Phil Hubbe ein Begriff. Er veröffentlichte schon zahlreiche Cartoon-Bände, Kalender und Postkarten. Regelmäßig findet man seine Interpretationen in Tageszeitungen, verschiedenen Sport-Magazinen, Spots im Fernsehen oder auf Ausstellungen.

Phil Hubbe hat einen eher günstigen Krankheitsverlauf, dennoch sind fast 30 Jahre chronische Erkrankung nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. Er fühlt sich schwächer. Zum Beispiel fehlt die Kraft, regelmäßig wie früher Sport zu machen, manchmal hat er rechts feinmotorische Beeinträchtigungen. "Zum Glück bin ich Linkshänder", kommentiert Hubbe dies lächelnd. Er muss sich seinen Tag mit Pausen gut einteilen. Dadurch, dass er zu Hause arbeiten kann, lässt sich das gut machen. Seine tägliche Arbeit ist für ihn auch eine Art Therapie. "Denn durch das Zeichnen, gerade auch von Behinderten-Cartoons, kann ich meine Krankheit verarbeiten. Eine gute Kombination aus Aufgabe, Krankheitsbewältigung und Spaß."

Ein guter Freundeskreis und die Familie sind dem Vater einer mittlerweile erwachsenen Tochter sehr wichtig im Leben. Ebenso wie auch der Austausch mit anderen Betroffenen. "Meine Familie ist immer für mich da. Aber wenn man über die Krankheit sprechen will, geht das nur mit einem Betroffenen. Von ihnen fühle ich mich verstanden." Doch Phil Hubbe brauchte selbst viele Jahre, bis er sich einer Selbsthilfegruppe anschloss. Er hatte Angst vor der Konfrontation mit schwerer Betroffenen, Angst davor, wie er sagt, seiner Zukunft ins Auge zu sehen.

Erst vor kurzem hatte der 46-Jährige wieder einen Schub. "Da wird einem die Krankheit wieder richtig bewusst. Es klingt zwar makaber, aber bei Arm oder Bein ab, weiß man woran man ist, bei MS nicht. Mit ihr kann ich nicht abschließen. MS ist ein Weg, bei dem man nicht weiß, wohin er einen führt."

Britischer Humor – Amerikanischer Impuls

Dass Phil Hubbe schwarzen, britischen Humor mag, sieht man seinen Karikaturen an. Doch wie kommt man eigentlich dazu, Behinderung zum Thema von Cartoons zu machen? "Zum einen bot es sich an, weil ich selbst betroffen bin", erklärt er. "Aber der eigentliche Impulsgeber war der US-amerikanische Cartoonist John Callahan, der bekannt dafür war, Behinderungen auf häufi g makabre Art und Weise darzustellen. Die Idee Behinderungen zu thematisieren fand ich gut. Freunde und Kollegen haben mich ermuntert, das auch auszuprobieren." Sich vorsichtig an das Thema herantastend schickte Hubbe seine ersten Behinderten-Cartoons anderen Betroffenen, die er nicht kannte und zum Teil auch andere Krankheiten hatten, um deren Meinung einzuholen. "Die Cartoons wurden mit Begeisterung aufgenommen. Das hat mir die Sicherheit gegeben, es schließlich weiterzumachen."

Von seinen unzähligen Cartoons zählt Phil Hubbe "MS Rainer" zu seinen Lieblingswerken. Ein Cartoon aus dieser Reihe zeigt die vier Schiffe "MS Titanic", "MS Arkona", "MS Berlin" und "MS Strandgut". Daneben sitzt in einem Rollstuhl "MS Rainer". Eine Dame aus der Schweiz rief ihn an und sagte ihm, dass ihr Mann das erste Mal nach fünf Jahren über seine Krankheit lachen konnte. "Das ist eine schöne Bestätigung."

"Nimm dir Zeit zu lachen – das ist Musik für die Seele."

Irischer Segensspruch

Die Sprache des Humors

2002 erreichte Phil Hubbe beim Deutschen Preis für politische Karikatur den dritten Platz, 2006 erhielt er den Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe.

"Allerdings zeichne ich nicht Cartoons, um pädagogische Ziele zu erreichen oder Aufklärungsarbeit zu betreiben. Wenn man mit dieser Vorgabe an einen Cartoon geht, funktioniert er nicht, dann ist er kaputt. In erster Linie möchte ich die Menschen zum Lachen bringen." Dennoch zeigen viele von ihnen eine zweite Ebene auf, machen auf den gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema Behinderung aufmerksam. "Ein schöner Nebeneffekt. So bieten die Cartoons die Möglichkeit, über den Humor mit anderen ins Gespräch zu kommen, nachzudenken".

Wenn Phil Hubbe zu einer seiner Ausstellungen fährt, kommt es nicht selten vor, dass ein Behindertentransport am Bahnhof auf ihn wartet, "weil man wohl irgendwie erwartet, dass MS gleich Rollstuhl heißt." Das zeigt einmal mehr, dass der Umgang mit Behinderung in der Gesellschaft oft ein Tabu-Thema ist. Darf man daher über Behinderten-Cartoons lachen? Eine Besucherin seiner Homepage beantwortet es so: "Ihre Bilder helfen Tabus zu brechen und "Behinderte" als normal anzusehen". Humor gehört zum Leben dazu, auch für Menschen mit Behinderung.

Together - Das Nachrichten-Magazin der AMSEL

Redaktion: AMSEL e.V., 06.03.2013