Spenden und Helfen

Multiple Sklerose und klassische Homöopathie

23.08.06 - Norma Gäbler, Heilpraktikerin mit acht Jahren therapeutischer Praxistätigkeit mit überwiegend MS-Betroffenenen, berichtet über MS und klassische Homöopathie - nachzulesen auch in together 03/2006.

Wer mit der Diagnose MS konfrontiert wird, weiß, dass die Erkrankung und die Auseinandersetzung damit ein Gesamtprozess ist, der sich nicht nur auf der körperlichen Ebene abspielt.
Meist gerät die bisherige Lebensplanung ins Wanken und Unsicherheiten in Bezug auf Partnerschaften, Kinderwunsch, berufliche Entwicklung und Fragen der Bewältigung ganz alltäglicher Aufgaben treten in den Vordergrund. Zudem stellt die Unvorhersehbarkeit des eigenen Krankheitsverlaufs oft eine weitere Verunsicherung dar. Viele Patienten stehen in dieser Situation vor dem Problem, sich möglichst schnell für eine konventionelle Basistherapie oder andere therapeutische Maßnahmen entscheiden zu müssen.

Meine eigene therapeutische Erfahrung nach nunmehr acht Jahren Praxistätigkeit mit überwiegend MS-Betroffenen zeigt, dass diese Patienten überwiegend nach alternativen Behandlungsmethoden suchen, wenn

  • die Diagnose noch frisch ist und Angst vor Basistherapie, deren Nebenwirkungen oder dem Spritzen an sich besteht
  • die Basistherapie nicht den gewünschten Erfolg zeigt, die Nebenwirkungen zu stark sind oder sich der Krankheitsverlauf während der Basistherapie verschlechtert
  • das Reservoir der immunmodulatorischen Stufentherapie und chemotherapeutischen Intervention ausgeschöpft ist, ohne dass es zu einer Besserung kam.

Empfehlung für MS-Patienten

Allgemein kann ich MS-Patienten Folgendes empfehlen, was sich in der Praxis bewährt hat:

Alle Maßnahmen, die den Patienten stabilisieren, (gesunde Ernährung, Bewegung, gesunde Lebensweise, ausreichend Schlaf, im weitesten Sinn auch Beziehungen, Liebes- und Sexualleben) sind erwünscht und unterstützenswert.
Entscheidungen, wie der Patient mit seiner Erkrankung umgehen möchte, sollte er nach guter Information selbstständig, eigenverantwortlich und ohne Druck treffen können.
Das betrifft alle Formen des Umgangs mit der Krankheit, die Möglichkeiten der medikamentösen und die der nicht-medikamentösen Behandlung.

Klassische Homöopathie

Die klassische Homöopathie zählt – wie u.a. die Akupunktur – zu den Reiz- und Regulationstherapien.
Nach einer ausführlichen Fallaufnahme inklusive neurologischer Untersuchung, die zwischen zwei und vier Stunden dauern kann, wird vom Therapeuten nur ein homöopathisches Mittel verschrieben. Gleichzeitig sollten keine anderen tief greifenden Reiz-Therapieverfahren angewendet werden (z.B. Akupunktur), um eine eindeutige Verlaufsanalyse zu gewährleisten. Unterstützende Physiotherapie ist jedoch sehr günstig.

Die Individualität des Krankheitsbildes des Patienten bestimmt die Auswahl des Mittels – es wird also nicht nach so genannter bewährter Indikation verschrieben (Bsp. bei Muskelkrämpfen nimmt man Mittel XY etc).
Der Patient sollte genau berichten können, wie sich seine Symptome darstellen, seit wann sie bestehen, ob es Besserungen/Verschlechterungen durch bestimmte Maßnahmen gibt (Modalitäten), ob andere, begleitende Beschwerden mit den Symptomen der MS assoziiert sind, wie seine frühere Krankengeschichte vor Auftreten der MS verlief, und er sollte auch seine emotionale und geistige Verfassung beschreiben. Häufig bestand vor Ausbruch der MS eine anhaltende starke körperliche oder seelische Belastung. Informationen über solche Situationen können dem Therapeuten oft helfen, den Patienten in seinem individuellen Reaktionsmuster besser zu verstehen.

  • Während der homöopathischen Behandlung sollte kein Kaffee getrunken werden und jegliche menthol- oder pfefferminzhaltigen Produkte sowie Kontakt mit Kampfer gemieden werden (antidotierende Wirkung = die Mittelwirkung kann beeinträchtigt oder aufgehoben werden!).
  • Der Patient hat sowohl bei der Fallaufnahme als auch bei den Follow-ups zur Verlaufsanalyse eine wichtige und aktive Rolle. Je besser er seine körperlichen und emotionalen Beschwerden charakterisieren kann, desto leichter kann die Mittelfindung und Verlaufsanalyse für den Behandler sein.
  • Der Patient sollte nach Mittelgabe darauf achten, ob und wie sich seine Beschwerden verändern, verringern oder ganz verschwinden, ob sich bekannte Symptome kurzzeitig oder anhaltend verstärken oder neue, bisher unbekannte Symptome auftreten. Das Ganze sollte am besten schriftlich dokumentiert werden.
  • Die Follow-ups finden je nach Beschwerdelage, i.d.R. alle 4-6 Wochen (bei Beginn) statt und dauern zwischen ½ - 1 Stunde, später alle 2-3 Monate. Bei akuten Phasen häufiger.

Prognosen, Hoffnungen, Erwartungshaltungen

Die therapeutischen Erfolgsaussichten von allen Therapien sind bei MS generell sehr unterschiedlich und im Kontext zum bisherigen Verlauf und noch vorhandenem Reaktionsvermögen des Organismus zu betrachten.
Wie in der konventionellen MS-Therapie ist es auch mit alternativen Verfahren wie der klassischen Homöopathie oder der klassischen Akupunktur sehr schwer, einen chronisch progredienten, schweren Verlauf positiv zu beeinflussen.
Hinzu kommt, dass bei diesen seltenen schweren Verläufen meist schon umfangreiche immunsuppressive Therapien stattgefunden haben, die wiederum das Reaktionsvermögen des Organismus einschränken können. Dennoch gibt es mitunter deutliche Besserungen nach der Gabe eines gut passenden homöopathischen Mittels.

Patienten mit schubförmigem Verlauf und guter Remissionstendenz reagieren i. d. R. besser auf solche Therapien (wie auch auf konventionelle Basistherapien).
Nach Gabe eines gut gewählten homöopathischen Mittels verringern sich häufig die akuten Beschwerden wie z.B. Blasenstörungen, Spastiken, Nystagmus zuerst, oft nehmen im weiteren Verlauf die Lebensqualität und die Belastbarkeit des Patienten deutlich zu. Bei manchen Patienten verringern sich die Nebenwirkungen der parallelen Basistherapie erheblich.

Häufige Reaktionen nach Beginn der Behandlung

  • Evtl. kurzzeitige Verschlechterung der vorhandenen Symptome (meist ein gutes Zeichen, dass das Mittel zentral greift!)
  • Häufig tritt ein Gefühl auf, als ob ein Schub käme! (Pseudoschub!) Nicht verwechseln mit echten klinischen Symptomen! Genau notieren, evtl. Therapeuten anrufen, ggf. persönlich vorstellen! Meist geraten Patienten in Panik, wenn sich Symptome verschlimmern oder wieder auftreten. (Eigene Erfahrung aus vielen Fällen: Patienten stellen sich dann ihrem Neurologen vor und bekommen häufig Cortison, um einen vermeintlichen Schub zu unterdrücken. Damit wird nicht nur die Verlaufsanalyse sehr schwierig, sondern Cortison hilft in solchen Fällen i. d. R. nicht, verschlimmert sogar oft den Zustand des Patienten
    Dann konsequent weiter homöopathisch behandeln, Mittel evtl. wiederholen und beobachten! Eine gute Patientenführung durch den Therapeuten ist hier ganz wichtig!
  • Manchmal Zunahme der Schwäche/Müdigkeit zu Beginn der Behandlung (meist bei schweren Verläufen) - ein typisches Phänomen bei vielen schweren Pathologien und geschwächtem Allgemeinzustand, auch bei Krebserkrankungen und AIDS, nach einem gut passenden homöopathischen Mittel! Wichtig: dem Ruhebedürfnis so oft es geht nachgeben! Viel Schlaf, gesunde Ernährung, wenn möglich, Bewegung an frischer Luft. Das gilt natürlich für alle MS-Patienten, egal, ob und welche Therapie sie machen!
  • Bei akuten Beschwerden wie z.B. Sehnerventzündung häufig schnelle Besserung ohne Erstverschlechterung!
  • Bei gut gewähltem Mittel verbessern sich die Symptome, die zur Mittelwahl geführt haben, oft schnell und anhaltend, wenn der Patient in einer stabilen Situation ist (Familie, Beruf).
  • Je chronischer/schwerer der Verlauf und je geschwächter der Patient, desto länger dauert oft die Erstreaktion.

Basistherapie und alternative Therapieverfahren parallel?

Zunächst sollte jeder Patient für sich selbst überprüfen, ob es ihm mit der Basistherapie besser geht als ohne.
Behandlungsziel der Basistherapie ist die Verminderung der Schubzahl und Schubintensität und damit der entzündlichen Krankheitsaktivität.
Dies ist schwierig einzuschätzen, wenn sofort nach der Diagnosestellung mit der Basistherapie begonnen wird und man den eigenen Krankheitsverlauf nicht kennt und damit der Vorher-Nachher-Vergleich fehlt.

Prinzipiell lassen sich Patienten klassisch homöopathisch besser behandeln, wenn keine gleichzeitige Basistherapie stattfindet. Die Symptome und Reaktionen sind i. d. R. authentischer und klarer.
Aber eine homöopathische Behandlung kann auch mit gleichzeitiger Basistherapie in vielen Fällen gute Behandlungserfolge zeigen, wenn der Pat. sich präzise beobachten und beschreiben kann.

Gleichzeitige Chemotherapie

Unter gleichzeitiger Chemotherapie (Mitoxantron oder Cyclophosphamid) ist die Reaktionsfähigkeit des Organismus meist so stark herabgesetzt, dass eine Wirkung schwer zu erkennen und / oder zu analysieren ist. Dennoch ist in einigen Fällen eine positive Beeinflussung möglich.
Wenn ein akuter Schub mit Cortison behandelt wird, kann man ein paar Tage abwarten und dann weiter homöopathisch behandeln.
Meine persönliche Erfahrung ist, dass Cortison in kurzen, hoch dosierten Gaben die homöopathische Behandlung meist nicht stört.

 
Norma Gäbler
 

Redaktion: AMSEL e.V., 04.09.2006