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40 Jahre Schirmherrschaft Ursula Späth – 40 Jahre Fortschritt in der MS-Therapie

Dieses Jubiläum würdigte die AMSEL am 23. September in einem Symposium im Stuttgarter Alten Schloss mit rund 150 Gästen und erinnerte an ihre überaus engagierte Schirmherrin. Außerdem: ein Blick auf vier Jahrzehnte Fortschritt in der MS-Therapie, den Wandel der AMSEL Stiftung Ursula Späth und die Vorstellung der neuen Vorsitzenden des Stiftungsrates Dr. Daniela Späth-Zöllner.

Vier Jahrzehnte Fortschritt in der MS-Therapie standen im Mittelpunkt beim Ursula Späth Symposium 2022 "MS im Wandel der Zeit". Therapie und Forschung und auch die Rolle der MS-Erkrankten haben sich in 40 Jahren stark verändert. Zeit, einen Rückblick zu wagen.

Das tat AMSEL am vergangenen Wochenende. Der Freitagabend startete mit einem überaus positiven Rückblick auf verbesserte MS-Therapien und den Weg hin zu selbstbestimmten Patienten. Ursula Späth hatte großen Anteil an dieser Entwicklung. Dr. Daniela Späth-Zöllner, Tochter der langjährigen Schirmherrin und des ehemaligen Landesvaters Lothar Späth, übernimmt den Vorsitz im Stiftungsrat der AMSEL Stiftung Ursula Späth und setzt damit die Familientradition fort.

Oettinger: "Sachverstand, gepaart mit Herz"

Als Freund der Familie Späth würdigte Günther H. Oettinger, ehemaliges Mitglied und Vizepräsident der Europäischen Kommission und Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg a.D., Schirmherrin Ursula Späth in einer sehr persönlichen Hommage als außergewöhnliche Persönlichkeit, die im Vergleich zu ihrem Ehemann Lothar Späth eher im Hintergrund blieb, privat aber seine wichtigste Ratgeberin und Kritikerin war. Die Übernahme der Schirmherrschaft brachte Ursula Späths Persönlichkeit zur Geltung: Zurückhaltung, Bescheidenheit, Sachverstand, gepaart mit Herz und einer guten Portion Resolutheit.

Ursula Späth Symposium: Vier Jahrzehnte Fortschritt in der MS-Therapie

Das Symposium würdigte vier Jahrzehnte Schirmherrschaft von Ursula Späth über die AMSEL, blickte auf den Wandel in der MS-Therapie sowie der AMSEL Stiftung Ursula Späth. - Hier die Fotostrecke zum ersten Tag im Alten Schloss in Stuttgart.

Oettinger skizzierte die langjährige Schirmherrin der AMSEL als fröhliche Person, die das Leben liebte, die Dinge und vor allem sich selbst nicht allzu ernst nahm. Als kluge Frau wusste sie Status und Ansehen ihres Mannes bei der Gewinnung von Förderern für die AMSEL charmant und zielbewusst einzusetzen. Ihrem unermüdlichen Engagement über fast 40 Jahre sei die positive Entwicklung der AMSEL zu verdanken: vom finanziell angeschlagenen kleinen Verein im Jahr 1982 bis zum heute weithin anerkannten Fachverband mit rund 8.000 Mitgliedern.

Dabei war Ursula Späth für die MS-Betroffenen weit mehr als eine bloße Schirmherrin. Sie war aktive Freundin, Verbündete im Kampf um mehr Lebensqualität für Menschen mit MS, eine Macherin und Netzwerkerin. Menschlich war sie in all ihrem Tun, bescheiden bei all ihren Erfolgen. Ein Vorbild für viele. Und ein Glücksfall für die AMSEL, wie es der Vorsitzende der AMSEL Stiftung und AMSEL e.V. Adam Michel in seiner Begrüßung formulierte.

MS-Therapie: "überwältigende Fortschritte"

Der zweite Teil des Abends widmete sich dem Wandel der MS-Therapie. Prof. Dr. med. Peter Flachenecker, Neurologe im Vorstand der AMSEL und Chefarzt des Rehabilitationszentrums Quellenhof, brachte vier Jahrzehnte Fortschritt während der Schirmherrschaft Ursula Späths auf den Punkt: „Multiple Sklerose ist zwar nach wie vor nicht heilbar, aber aufgrund gewaltiger Fortschritte in Forschung und Therapie inzwischen so gut behandelbar, dass Betroffene eine realistische Chance auf ein wenig eingeschränktes Leben haben.“

MS-Experten der ersten Stunde, Prof. Dr. med. Klaus V. Toyka, Seniorprofessor der Universität Würzburg, und Em. Prof. Dr. med. Reinhard Hohlfeld, Universität München, ließen die Fortschritte der MS-Therapie der letzten vier Jahrzehnte in einem gemeinsamen Vortrag Revue passieren, die Professor Toyka als „überwältigend“ bezeichnete. Als Meilensteine nannte er die inzwischen hochwirksamen Therapieoptionen, Therapien im Frühstadium und wichtige Ansatzpunkte speziell für die progredienten Formen der MS.

Er spannte den Bogen von der notwendigen Motivation der Kostenträger zur Übernahme der neuen Therapien, der Entwicklung neuer Therapien durch pharmazeutische Unternehmen bis zu kostenintensiven kontrollierten Studien als Grundlage der evidenzbasierten Forschung. Hinzu komme die Einbeziehung von Expertenmeinungen und praktisch-klinischen Erfahrungen sowie die Schaffung politischer und medizin-politischer Strukturen mit entsprechenden Compliance-Regeln, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Schließlich die Erstellung von Handbüchern für Ärzte und Patienten gleichermaßen sowie die Therapieleitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Einen Round Table zwischen Forschung und Industrie sowie die Beteiligung der DMSG an der International Progressive MS Alliance nannte Professor Hohlfeld als weitere wichtige Stationen. Die aktuellen „Baustellen“ der Forschung sind nach seinen Worten die Suche nach Auslösern der MS (Stichwort Zwillingsstudie, Darmmikrobiom und Viren wie das Epstein-Barr-Virus; mehr darüber in weiteren Berichten zum "Symposium Multiple Sklerose 2022" in den kommenden Tagen auf amsel.de) sowie weitere Grundlagenforschung zu den Mechanismen der akuten wie chronischen Entzündungsprozesse.

Hier gebe es zwar Lichtblicke durch die Zulassung von Siponimod und Ocrelizumab für progrediente Formen der MS, jedoch noch keinen wirklichen Durchbruch. Ursula Späth habe alle Entwicklungen mit großem Interesse verfolgt und die Wissenschaftler gerne zu mehr Nachdruck und Geschwindigkeit angespornt, erinnerte sich der Münchener Neurologe und Neurowissenschaftler an Gespräche mit ihr.

MS-Patienten: auf Augenhöhe mit dem Arzt

Zur Rolle der MS-Erkrankten im Wandel der Zeit sprach Prof. Dr. med. Judith Haas, Berlin. Die erste Beschreibung von MS-Symptomen geht auf das Jahr 1293 zurück. Noch im 19. Jahrhundert wurde bei weitgehender diagnostischer Unsicherheit die MS als Stigma, Strafe Gottes oder auch Zeichen der gesellschaftlichen Unehre betrachtet. Die Diagnostik wurde mit den Jahren zwar präziser, doch bis in die 1980er Jahre, so die Vorsitzende des DMSG- Bundesverbands, wurden Erkrankte und ihre Angehörigen über die Diagnose oft im Unklaren zu lassen. Ihnen blieb nur Resignation und ein Sich-Fügen in ihr Schicksal.

Erste Selbsthilfegruppen und die Anfänge der sozialmedizinischen Beratung entstanden ab etwa 1950. 1974 gründeten 28 MS-Erkrankte und Angehörige AMSEL e.V. Offene Kommunikation der Diagnose und vielfältige Informationsmöglichkeiten ebneten den Weg zu Entscheidungskompetenz und Eigenverantwortung. Patienten haben damit die Möglichkeit, die Rolle des „Managers ihrer MS“ einzunehmen und ihren Ärzten als Partner auf Augenhöhe zu begegnen. All dies wäre ohne Ursula Späths tatkräftige Unterstützung nicht möglich gewesen. Ihr gebühre auch vonseiten des DMSG-Bundesverbands Anerkennung und Dank.

AMSEL Stiftung: Dr. Daniela Späth-Zöllner Vorsitzende des Stiftungsrats

Der dritte Teil des Abends widmete sich dem Wandel der AMSEL Stiftung Ursula Späth, den Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg und selbst Mitglied des Stiftungsrats der AMSEL Stiftung Ursula Späth, skizzierte. 1982 übernahm Ursula Späth das Ehrenamt als Schirmherrin der AMSEL, gründete im selben Jahr einen Förderkreis, warb innerhalb von knapp vier Monaten 100.000 D-Mark ein und sicherte so das Überleben des damals noch jungen Vereins.

1985 war das Jahr der Stiftungsgründung. Zu dieser Zeit war Peter Schneider noch ein junger Landesbeamter, der von der Dimension des ehrenamtlichen Engagements von Frau Späth für die AMSEL beeindruckt war. Durch ihren Einsatz konnte das Stiftungskapital als Grundstein für die Zukunft des Verbands geschaffen werden und u.a. mit besonderen Veranstaltungen wie der „Parade der Nationen“ und Gartenfesten unter dem Motto „Gutes mit Schönem verbinden“ gesteigert werden.

Die ehemalige First Lady im „Ländle“ rief 1993 die jährliche Verleihung der AMSEL Stiftung Ursula Späth-Preise ins Leben, die an Persönlichkeiten aus allen Bereichen für ihre herausragenden Leistungen zur Verbesserung der Lebenssituation MS-Erkrankter gehen. Alltagsbewältigung und die Verbesserung der Lebensqualität für Menschen mit MS und ihre Familien hatten für die Schirmherrin immer oberste Priorität.

Peter Schneider hieß die frisch und einstimmig gewählte Vorsitzende des Stiftungsrats Dr. Daniela Späth-Zöllner in ihrer neuen Funktion willkommen. Sie selbst sei noch ein Kind gewesen, als ihre Mutter die Schirmherrschaft übernahm und sei sozusagen mit der MS groß geworden. Die neue Vorsitzende im Stiftungsrat der AMSEL Stiftung zeigte sich sehr berührt von Respekt und Wertschätzung ihrer Mutter, die alle Redner zum Ausdruck gebracht hatten. Sie wolle das Lebenswerk ihrer Mutter fortsetzen, mit dem Ziel, dass die AMSEL auch in Zukunft verlässlicher Partner aller MS-Betroffenen und ihrer Angehörigen bleibt.

Den musikalischen Rahmen lieferte das Duo Vivace mit Albrecht Volz (Marimba und Vibraphon) und Andreas Baumann (Piano) mit leichtfüßigen Stücken von Barock bis Ragtime und Swing.

Über den zweiten Tag des Symposiums berichtet amsel.de in den kommenden Tagen ausführlich. Am Samstag ging es um aktuelle und zukünftige Entwicklungen rund um die MS. Es sprachen (und beantworteten Fragen aus dem Publikum):

Prof. Ralf Gold über neue Therapieansätze (BTKi, Impfung & Co.), Prof. Ralf Linker über MS-Therapie im Alter, Prof. Bernhard Hemmer und Prof. Judith Haas über die geänderten MS-Leitlinien, Prof. Aiden Haghikia über Ernährung bei MS (Mikrobiom, Propionsäure...) und Prof. Jürg Kesselring über die unverzichtbare Rehabilitation. Eine Abschlussdiskussion "MS morgen - was bringen die nächsten 40 Jahre" rundete den inforeichen Tag ab.

Redaktion: AMSEL e.V., 27.09.2022