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Mit Empathie und Leidenschaft gegen MS

Drei Preise, drei Preisträger - so weit, so normal. Und doch zeigte die Preisverleihung der Ursula Späth-Stiftung mit rund 130 Gästen am 28. Oktober im Porsche-Museum Stuttgart einmal mehr, was alles möglich ist, wenn Können und Engagement auf Hingabe treffen, egal, ob als pflegende Gattin, medienaffine Therapeutin oder im Forschungslabor.

Multiple Sklerose ist eine große Herausforderung. Für die Erkrankten selbst wie auch für ihre Mitmenschen. Drei dieser Mitmenschen rückte die AMSEL Stiftung Ursula Späth vergangenen Freitag in den Mittelpunkt: Im Porsche Museum ging der Pflegepreis 2022 an Judith Pineda de Mayer, den Medienpreis erhielt die Neuropsychologin Heike Meißner und Professor Ralf Gold freute sich über den Hauptpreis der AMSEL Stiftung Ursula Späth.

„Dann schaffe ich alles“

Eine Kraftquelle sei sie für ihren an MS erkrankten Mann, kündigt Moderatorin Petra Klein die Preisträgerin des Pflegepreises an. Und das Gleiche gilt umgekehrt, wenn man Frau Pineda de Mayer zuhört: „Wir haben aus Liebe geheiratet und ich muss meinen Mann nur ansehen, wie er lebt und lacht, dann schaffe ich alles.“

Verleihung der AMSEL-Stiftungspreise 2022 (Fotostrecke)

Bei der 29. Preisverleihung der AMSEL Stiftung Ursula Späth wurden Prof. Dr. med. Ralf Gold (Bochum), Heike Meißner (Bad Wildbad) und Judith Pineda de Mayer (Bad Boll) ausgezeichnet.

Vor 25 Jahren brauchte die Peruanerin noch ein Wörterbuch, um ihren Mann, gar seine medizinischen Betreuer zu verstehen. Inzwischen kennt sie sich sehr gut aus, nicht nur mit der deutschen Sprache, sondern insbesondere mit Multipler Sklerose. Dennoch ist es ein spanisches Zitat, das Judith Pineda de Mayer zum Lebensmotto wird: Groß ist derjenige, der die Menschen um sich herum groß machen kann.“

Rolf Mayers MS schritt innerhalb von 25 Jahren sehr rasch voran, heute ist er nahezu immobil. Seine Frau stemmt die Pflege fast allein, vom Aufstehen bis zum Zubettgehen. Sie organisiert Termine bei Ärzten und Therapeuten sowie den wöchentlich zweimaligen Besuch eines Pflegedienstes. Rolf Mayer kann inzwischen nur noch seinen Kopf bewegen. Seine Frau Judith macht, dass er sich dennoch wohlfühlt und strahlen kann. Am meisten genießen sie gemeinsame Abende, wenn Ruhe einkehrt in der Bad Boller Wohnung, und sie sich unterhalten können. Gern würden sie nochmals Judiths peruanische Heimat besuchen, wie einst, auf ihrer Hochzeitsreise. Doch 14 Stunden Flug sind mit Rolf leider nicht mehr zu machen.

Sie hätten mehr gemeinsam, als sie sich vorstellen könne, so Laudator Markus Koffner, Leiter des regionalen Vertragswesens der Techniker (TK) Krankenkasse, Landesvertretung Baden-Württemberg. „Vor vielen Jahren habe ich Zivildienst in der AMSEL-Kontaktgruppe Ludwigsburg-Kornwestheim gemacht und viel über das echte Leben, die tückische Krankheit MS gelernt. Ich habe zauberhafte Menschen kennengelernt und direkt nach dem Abitur die notwendige Demut. Die Wahl der AMSEL-Kontaktgruppe war nicht ganz freiwillig, es war auch die Neugier, denn ein Familienangehöriger erkrankte ebenfalls an MS und ich wollte so möglichst viel über MS kennenlernen. Als ebenfalls Angehöriger verbindet mich daher viel mit dem Preis.“

Laudator Markus Koffner dankt Pineda de Mayer für ihre selbstverständliche Fürsorge über 25 Jahre hinweg. Ihre Tatkraft, Zuversicht und unerschütterliche Liebe berührten alle sehr. Der Preis ist mit 1500 € dotiert und ehrt einmal im Jahr pflegende Angehörige, durch deren unermüdlichen Einsatz MS-Erkrankte weiter zu Hause wohnen können.

Engagement für MS-Erkrankte, auch nach "Feierabend"

Sie sei überrascht gewesen, dass sie den Preis bekomme, „für etwas, was ich jeden Tag und mit Begeisterung und vollem Herzen mache“, bekennt Heike Meißner, Leitende Neuropsychologin der Reha-Klinik Quellenhof in Bad Wildbad. Doch ihr Einsatz für Menschen mit Multipler Sklerose reicht weit über das zu Erwartende hinaus.

„Das Denken unserer heutigen Preisträgerin geht immer von den MS-Erkrankten aus“, verrät Laudatorin Dr. Daniela Späth-Zöllner. Die Vorsitzende des Stiftungsrates der AMSEL Stiftung Ursula Späth erklärt weiter: „Sie hat die Fähigkeit, komplexe Dinge verständlich zu formulieren und damit Türen zu öffnen – nach innen für mehr Sicherheit und Zufriedenheit im Umgang mit MS bei den Betroffenen, und nach außen, indem sie das Thema MS immer wieder auf die mediale Agenda bringt.“

Meißner hat zum Beispiel die wissenschaftliche Konzeption des interaktiven Trainingsprogramms „MS Kognition – stärke deine Fähigkeiten“ maßgeblich mitentwickelt, wirkte zuletzt bei der neuesten AMSEL-Broschüre „Resilienz: mit seelischer Stärke der MS begegnen“ mit. Als Klinische Neuropsychologin hat sie entscheidende Impulse für MS-Erkrankte gesetzt, indem sie einen interdisziplinären Behandlungsansatz für junge und neu erkrankte MS-Patienten entwickelte. Dazu kommen immer wieder Beiträge für das AMSEL-Mitglieder-Magazin together, bei Veranstaltungs-Seminaren oder auch in Expertenchats.

„Die Zusammenarbeit mit AMSEL war immer sehr bereichernd und inspirierend. Wir haben viele tolle Projekte gemeinsam umsetzen dürfen. Und dabei habe ich viele großartige Menschen kennengelernt“, sagt die Neuropsychologin. Eine solche Leistung sei immer eine Team-Leistung: „Ich freue mich, dass wir MS-Erkrankten ein Angebot machen können, ihr Leben mit MS zu erleichtern, zu bereichern und Hilfestellung auch außerhalb des klinischen Rahmens anbieten können.“ Auch der Medienpreis ist mit 1.500 € dotiert.

Ein Mann mit einer Mission

„Wenn Gold redet, schweigt die Welt.“ – Leicht verändert zitiert Laudator Wilfried Klenk das lateinische Sprichwort über das kostbare Metall. Die Rede ist hier allerdings von niemand anderem als Professor Ralf Gold. Er sei ein gefragter Redner, dem man gebannt zuhöre, weil er es verstehe, sein umfassendes Fachwissen zu präsentieren und weil seine Botschaft ankomme, erklärt der Staatssekretär im Ministerium des Inneren für Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg. „Man spürt sein tiefgreifendes Interesse für die kleinen Details hinter dem großen Ganzen und seinen Wunsch, dass daraus neue Erkenntnisse erwachsen mögen.“

Zweifelsohne: Professor Ralf Gold, Direktor der neurologischen Klinik im St. Josef Hospital an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Forschungszentrums Neuroimmunologie und des neurochemischen Labors am Katholischen Klinikum Bochum, ist ein überaus engagierter Arzt und leidenschaftlicher Forscher. Zuletzt war er im September 2022 in Stuttgart und berichtete auf dem Multiple Sklerose-Symposium der AMSEL über neue Therapieansätze bei progredienter MS. Und selbst seine Dankesworte für die Verleihung des Ursula Späth-Preises 2022 nutzte der beredte Arzt und Wissenschaftler für einen kurzen Abriss zur Geschichte der MS-Therapie.

„Das ist ein besonderer Moment für mich, denn man fängt ein Spezialgebiet nicht an, um berühmt zu werden, sondern um es zu verstehen.“ In den 80er-Jahren hätten Menschen mit MS noch eine 15 Jahre kürzere Lebenserwartung gehabt als gleichaltrige Gesunde. Das sei großteils heute vorbei. „Ich bin froh, wenn ich aktiv an dieser Entwicklung mitwirken konnte.“ MS sei möglicherweise durch virale Faktoren (Bsp. Epstein-Barr-Virus) massiv mitbegünstigt. „Und wenn man mit der MS-Forschung begonnen hat, dann ist die MS auch fast wie ein Virus: Sie lässt einen nicht mehr los.“

Prof. Dr. med. Ralf Gold hat an zahlreichen Erfolgen in der MS-Grundlagenforschung und in der Wirkstoffentwicklung mitgewirkt. Der Neuroimmunologe setzt sich seit über 30 Jahren beispielhaft für MS-Erkrankte ein. Für die AMSEL wirkte er mit in Multiple Sklerose-Videos, als Referent bei Symposien und als beratender Experte für bekannte Wissensseiten wie „MS behandeln“. Er ist außerdem ehrenamtlich als Vorsitzender des ärztlichen Beirats des DMSG-Bundesverbands tätig, gibt zum Beispiel Stellungnahmen zu aktuellen therapeutischen Themen mit heraus und bietet so MS-Erkrankten und ihren Angehörigen mehr Sicherheit und Orientierung.

Man könne nicht nur neue Medikamente entwickeln und begleiten, sondern auch sehen, dass die MS viel von ihrem früheren Schrecken verloren habe, so der Klinikdirektor, und weiter: „Ich sehe heute manchmal Patienten nach vielleicht 20 Jahren wieder, die immer noch stabil sind und voll im Leben stehen. Deshalb mache ich das, machen wir das auf den vielen Gebieten, die heute geehrt worden sind: Weil wir der Krankheit die Stirn bieten wollen.“

Als „Mann mit einer Mission“ hatte Moderatorin Petra Klein den super-engagierten Klinikdirektor, Forscher und Arzt angekündigt: „Er gibt nicht auf in Sachen MS.“ Zum Wohle aller MS-Erkrankter. Der AMSEL Stiftung Ursula Späth-Preis wird an Menschen verliehen, die die Lebenssituation MS-Erkrankter nachhaltig verbessern und die Bewältigung krankheitsbedingter Alltagsprobleme erleichtern. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert, die die Preisträger einem Projekt ihrer Wahl zugunsten MS-Erkrankter zukommen lassen.

Aufeinander achtgeben, wie in einer Familie

Damit ging die 29. Preisverleihung der AMSEL Stiftung Ursula Späth zu Ende. Das Porsche Museum sei „fast eine zweite Heimat für die AMSEL“ geworden, hatte Andreas Haffner, Mitglied des Vorstands, Personal- und Sozialwesen und Arbeitsdirektor bei Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG eingangs die Gäste begrüßt. Zum neunten Mal bereits fand die Feier im Porsche Museum statt. Der Sponsor ermöglicht so eine Preisverleihung in ganz besonderem Ambiente und damit auch den Austausch zwischen Betroffenen und vielen Mitmenschen, welche die AMSEL fördern.

Haffner bekannte: „Wirtschaftlicher Erfolg geht bei Porsche immer Hand in Hand mit sozialer Verantwortung. Verantwortung für Mitmenschen, die in Not geraten sind und unsere Unterstützung brauchen. Solidarität und soziales Engagement sind für uns selbstverständlich, sind zentraler Bestandteil der Porsche-Kultur.“ An die AMSEL Stiftung appellierte er: „Gehen Sie den vor 40 Jahren gemeinsam mit Ursula Späth eingeschlagenen Weg weiter. Hören Sie nicht auf. Die MS-Erkrankten brauchen Sie. Und unsere Gesellschaft braucht Organisationen wie Ihre.“ Im Namen von Porsche dankte Haffner der AMSEL für die wichtige uneigennützige Arbeit.

Petra Klein fasste es so in Worte: „Die AMSEL ist reich, reich an tollen Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, MS-Erkrankten zu helfen. Durch Forschung, Geldspenden, tatkräftige Unterstützung, und durch Menschen, die Ihre Zeit geben.“ „Aufeinander achten, Verantwortung übernehmen – wie in einer Familie“ als zentrale Werte der Porsche-Kultur seien Werte, auf die auch die AMSEL wertlegt, betonte Dr. Michael Scholz, stv. Vorsitzender und Schatzmeister der AMSEL Stiftung Ursula Späth, der im Schlusswort neben dem Hausherren, der Porsche AG, auch allen Laudatoren, Preisträgern, der Moderatorin, den Musikern von Südsoul und den Gästen seinen Dank aussprach.

Redaktion: AMSEL e.V., 02.11.2022