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Magische Momente beim virtuellen Neujahrstreffen

Tradition ist Tradition und so veranstaltete die AMSEL auch im Lockdown ihr Neujahrstreffen. Rund 170 Gäste waren mit dabei an den heimischen Bildschirmen. Ein COVID-19-Vortrag stand im Mittelpunkt. Dazu Einblicke in die virtuelle Verbandsarbeit sowohl in der Geschäftsstelle wie in den Gruppen. Musik und Magie ergänzten das kurzweilige Programm.

AMSEL kann digital – das zeigte sich einmal mehr vergangenen Samstag beim virtuellen Neujahrstreffen der AMSEL. „Es hat jeder von uns bedauert, dass wir so viele Monate nicht zusammenkommen konnten,“ unterstrich Adam Michel nach seiner Begrüßung. Unser Leben habe sich komplett verändert, stelle Herausforderungen an jeden einzelnen von uns, aber auch an AMSEL.

Die AMSEL im Pandemiejahr

Und die AMSEL hat reagiert. Da galt es in erster Linie und gilt noch, zeitnah Infos Im Zusammenhang mit COVID-19 für MS-Erkrankte zur Verfügung zu stellen. Außerdem Regeln einzuführen, umzusetzen und stets anzupassen, sowohl in den Gruppen als auch in der Geschäftsstelle. Weitere Home-Office-Arbeitsplätze zu ermöglichen. Neue Angebote zu schaffen, um sich virtuell zu treffen und weiterzubilden. Nicht zuletzt auch, diese neuen Angebote zu evaluieren und entsprechend zu reagieren.

In Zahlen heißt das:

  • 73 Newsartikel auf amsel.de rund um die Corona-Pandemie seit 28.2.2020
  • 32 Blogbeiträge auf MS-Docblog.de.
  • Neue Facebook-Gruppe "Wir in der AMSEL": 65 Mitglieder.
  • 18 Webseminare zu Themen wie Immuntherapie, Sport und Bewegung und Neuroplastizität.
  • 6 Facebook Livestream-Webseminare.
  • 4 MS-Couchgespräche auf Instagram.
  • 3 Webseminarreihen mit je fünf Kursen (zu Themen wie Resilienz, Neurosport und Achtsamkeit)
  • 3 Videos bzw. Audios zum Thema COVID-19, MS und Impfen.
  • 1 virtueller Welt MS Tag mit sieben Referenten.
  • Mehrere online Gruppen-Treffen und Arbeitsgruppentreffen, ab Februar 21 monatlich.
  • Großer Zuwachs sowohl auf der AMSEL-Facebook-Seite, als auch in den geschlossenen Gruppen und auf Instagram.

Und das ist nur ein Ausschnitt aus dem neu geschaffenen Online-Angebot.

Vor allem, so der Vorsitzende der AMSEL, hat die Pandemie die AMSEL-Gruppen  getroffen. Selbsthilfe lebt schließlich vom Kontakt zueinander. Waren zu Anfang 2020 noch Treffen unter Hygieneregeln möglich, so waren im ersten Lockdown und sind im zweiten Lockdown bis heute gar keine persönlichen Gruppentreffen möglich. Im Sommer konnten sich die Gruppen zwar treffen, jedoch nur draußen. Vor allem die Jüngeren haben diese Möglichkeit genutzt, sich notfalls mit Decken gewärmt, wie die Gruppenleiter berichten.

Multiple Sklerose und Corona

Kernstück des virtuellen Neujahrstreffens der AMSEL 2021 war ganz gewiss der Fachvortrag von Professor Dr. med. Peter Flachenecker. Im ersten Teil seines Vortrags gibt der Arzt im Vorstand der AMSEL einen Abriss zu COVID-19 allgemein. Dass eine COVID-19-Erkrankung deutlich stärker und gefährlicher ist als etwa eine normale Grippe. Dass diese Erkrankung weitere Organe, etwa Gefäße und das Nervensystem mit betreffen kann.

Dass in der ersten Welle ca. 20 % der Erkrankten mit Symptomen im Krankenhaus versorgt werden mussten, während es jetzt nur 7 % sind. Dies läge auch daran, dass in der ersten Welle vor allem Ältere betroffen waren, während in der jetzigen zweiten Welle mehr jüngere Patienten erkrankt sind. Dass die Sterblichkeit bei Beatmeten mit 33-53 % sehr hoch liegt. Dass sich die Frage, ob die Menschen nun an oder mit Corona stürben, leicht beantworten ließe, denn wir haben aufs ganze Jahr 2020 gerechnet im Vergleich mit mehreren Vorjahren 5 % sogenannte Übersterblichkeit deutschlandweit. Das entspricht in etwa der Zahl von heute über 50.000 Corona-Toten. Das sind harte Fakten. Aber sie gehören zu einem wissenschaftlichen Bericht in Pandemiezeiten dazu.

Im zweiten Teil seines Vortrages beschäftigte sich Professor Dr. med. Peter Flachenecker mit COVID-19 und MS. Während anfangs große Unsicherheit herrschte, war nicht zuletzt aufgrund eines ausführlichen Berichtes von Privatdozent Doktor med. Mathias Buttmann zu Zahlen aus Italien relativ schnell klar, dass die Multiple Sklerose alleine weder das Risiko für eine Corona-Erkrankung erhöht noch das Risiko auf einen schweren Verlauf. Auch Patienten, die Immuntherapien anwenden, sind nicht stärker gefährdet. Mit der einen Einschränkung, dass natürlich ältere Patienten ähnlich wie in der Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko haben und ein höherer EDSS-Wert, vor allem im Zusammenhang mit einer eingeschränkten Lungenfunktion das Risiko für einen schwereren Verlauf erhöhen kann.

Auch den Impfstoffen widmete sich Professor Flachenecker. Der Vorteil der mRNA-Impfstoffe sei, dass man bei Veränderungen des Virus (Mutationen) den Impfstoff schnell anpassen könne. Die Wirksamkeit der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe liegt bei 95 %, während der (teils umstrittene) Astra-Zeneca-Wirkstoff aufgrund seiner Wirksamkeit von der STIKO nur für 18-64-jährige empfohlen wird. Er funktioniert ähnlich, wie die mRNA-Wirkstoffe, ist jedoch in ein für den Menschen völlig harmloses und inaktiviertes Schnupfen-Virus eingebaut.

Nicht zuletzt, weil die Wirkstoffe momentan knapp sind, sind vorbeugende Infektions- Schutzmaßnahmen weiterhin sehr wichtig, so der Arzt im Vorstand. D.h. weiter AHA plus L+A befolgen, also Abstand, Hygiene, Atemmaske und Lüften sowie die App (Corona-App) nutzen.

"Schön, dass Ihr da seid!" - Selbsthilfegruppen während der Pandemie

"Hört Ihr mich gut? Könnt Ihr mich sehen?" - das sind vermutlich die meistgesprochenen Sätze momentan in Webkonferenzen. Carolin Flechner, Willi Holub und Franz-Josef Meyer führen ein Lockdowngespräch unter Gruppenleitern. "Wie geht es weiter? Was macht Ihr so?" Das Wichtigste dabei ist die Message: "Wir sind da - schön, dass Ihr auch da seid!"

"Ihr habt uns ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert!" - solche und ähnliche Reaktionen erhielt Franz-Josef Meyer auf seinen Brief an die Mitglieder der AMSEL-Gruppe Freudenstadt. Ein einfaches Teelicht aus schwer entflammbarem Papier war dem Schreiben beigelegt. Mittels Heftklammer ließ sich daraus schnell ein stimmungsvolles Licht in der Adventszeit basteln. Kleine Geste - große Wirkung.

Die AMSEL-Gruppenleitungen waren und sind noch kreativ. Nutzen sämtliche Kanäle, wohlwissend, dass sie eine sehr heterogene Gruppe betreuen. Nicht jeder hat Zugang zum Internet oder traut sich vielleicht gar nicht, virtuell einzusteigen. Also haben der klassische Brief und das Telefonat weiter ihren Platz. Neben Webkonferenzen, virtuellen Stammtischen, virtuellem Raclette, virtuellen Weihnachtsmärkten, Maskenschneidern und online verkaufen, Chats und mehr.

Willi Holub von der AMSEL-Gruppe Wernau berichtet über seine Online-Spielenachmittage. Immer dienstags - wie vor Corona - trifft sich seine Gruppe nun virtuell und spielt gemeinsam im Internet, zum Beispiel Wortbrückenrätsel, Stadt-Land-Fluss oder "Wer wird Millionär?" Ein paar mal hätten sie die Million schon abgegriffen - nur ausbezahlt worden sei sie leider nie. Jetzt wage man sich auf eine ganz neue Plattform, die noch mehr Interaktion parallel in kleinen Gruppen zulassen soll (amsel.de wird berichten).

Im Sommer hätten vor allem die Jüngeren sich lange draußen getroffen, "Die waren da knallhart und haben sich in Decken eingepackt", aber die Älteren und eingeschränkteren Mitglieder haben recht schnell gesagt: Nein, wir möchten uns nicht persönlich treffen, wir haben Angst. Das müsse man akzeptieren und es sei ja auch gerechtfertigt, wie man eben auch im Vortrag von Prof. Flachenecker gehört habe, so Carolin Flechner, AMSEL-Gruppenleiterin in Heidelberg.

Bei aller Kreativität herrscht aber auch Vorfreude auf Lockerungen. Es "liegen" Grillfeste, Ausflüge, Busreisen und mehr "in der Schublade" und warten nur darauf, herausgezogen zu werden. Denn so bereichernd, so praktisch in vielen Situationen virtuelle Treffen auch sein können, gerade, wenn man nicht sehr mobil ist: Es geht doch nichts darüber, sich auch wieder persönlich zu treffen und auszutauschen.

Bezaubernd virtuos

Zwei Musiker und ein Zauberer sorgten zwischen den Beiträgen für glänzend virtuelle Unterhaltung. Holger Lustermann (Saxophon und Klarinette) vom Lions Club Königslutter Kaiser Lothar stellte Musikstücke für das AMSEL-Neujahrstreffen zur Verfügung. Unglaublich, wieviel gute Stimmung der Virtuose zusammen mit Ernst W. Volland am Klavier in die heimischen Stuben pusten kann. Locker und beschwingt sieht man manches Bein im Publikum auf den briefmarkengroßen Videobildern im Takt mitwippen zu "Tea for Two", "Misty" und "Autumn Leaves".

Noch mehr Mitmachen war angesagt bei Alexander Merk. Der Zauberkünstler tat jedoch zuerst etwas Ungewöhnliches: Er desillusioniert sein Publikum, indem er rein wissenschaftlich belegt, dass Merkwürdigkeiten unseres Alltags mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 1 Million (ausgerechnet die Nachbarn im Urlaub zu treffen, jemandem zu begegnen, an den man gerade denkt...) rein rechnerisch völlig normal sind. Bei 30.000 Begebenheiten am Tag und einer Million in einem Monat müssen wir im Schnitt ein Mal je Monat etwas Denkwürdiges erleben.

Tief gestapelt, nur um später Michael, Romy, Susanne, Ralf, Annegret, Matthias, die vermutlich jüngste Zuschauerin Isabell und die anderen knapp 170 Gäste ins blanke Staunen zu versetzen, indem er (scheinbar?) vorhersehen kann, welches Memorykärtchen übrigbleibt, welche von 52-Skatkarten vor dem Verbrennen gerettet wird und wieviel Farben an Tüchern man aus einer Faust herausziehen kann.

Ins Staunen bringen die trotz und mit Lockdown so engagierten AMSEL-Gruppen nicht zuletzt Adam Michel.  Mit den Worten "Ich habe nur eine Bitte: Weiter so! Daumen hoch! Wir sind die Organisation, die Zusammenhalt auch über das Internet hinkriegt... Diese Arbeit wollen wir gemeinsam weitermachen!" beschließt der Vorsitzende das erste digitale Neujahrstreffen der AMSEL.

Redaktion: AMSEL e.V., 01.02.2021