Christine: Perfekter Tag mit selbstgebackenem Käsekuchen
Ihr erster Käsekuchen ohne Boden ist ihr auf Anhieb gelungen, ein voller Erfolg und für sie ein perfekter Tag! Christine strahlt, und bei ihrer Lebendigkeit riecht man förmlich den Duft des Kuchens.
Angefangen hat die Krankheit bei der 38-Jährigen 2008 mit einem leichten Kribbeln im Bein. Im Jahr darauf hatte sie aus heiterem Himmel plötzlich eine Sehnerventzündung. Es folgte die Diagnose MS. Heute leidet Christine hauptsächlich unter Fatigue. Ihre Kraftlosigkeit, sagt sie, sei manchmal beängstigend.
Zwei Titaninnen stemmen den Alltag
Bewundernswert ist da ihre nicht versiegende Lebensenergie. Die Schwäbin managt ihren Alltag samt dem ihrer zweijährigen Tochter, einem kleinen Wirbelwind. Selbst griechischen Ursprungs, hat sie Phibie den Namen der griechischen Titanin und Mondgöttin in leicht abgewandelter Form gegeben.
Der Tag beginnt für die alleinerziehende Mutter um sieben Uhr. Wenn es ihr Körper zulässt, bringt sie ihre Kleine gerne zu Fuß in die Kita.
Alles orientiert sich dann an ihrem Leistungsvermögen, der Tag ist minutiös durchgetaktet, damit ihre Kraft reicht, bis ihre Tochter abends wieder im Bett ist. Kaum zu glauben, dass die verantwortungsvolle, einfühlsame Frau auch noch Zeit und Energie für ein Ehrenamt findet: freitags hilft sie Flüchtlingskindern bei den Hausaufgaben. Manchmal schafft sie es abends sogar noch in ihren Chor. Freitagnacht gehört dann ihr allein; da kann Christine durchschlafen, denn Phibie ist freitags immer bei ihren Großeltern und übernachtet dort.
Wichtig für Christine ist, selbstbestimmt und unabhängig durchs Leben gehen zu können bei gleichzeitiger Akzeptanz ihrer Möglichkeiten. Das heißt auch: achtsam sein, zulassen können. "Ich versuche mich nicht selbst unter Druck zu setzen", sagt sie, "ich mach so, wie ich kann". Ihr Lebensmotto fasst sie in den Satz "Lebe jeden Tag, als wäre es dein erster Tag im Leben". Leben ohne Altlasten, das ist das Geheimnis ihrer Kraft und Lebensenergie. Ihr Traum ist ein Urlaub mit ihrer Tochter bei der Familie in Griechenland, gerne an Ostern, denn die Sommerhitze würde ihr zu sehr zusetzen.
Die Mosers: "So viel unternehmen wie möglich"
Birgit und Dieter Moser (beide Mitte 50) sind ein eingespieltes Team, leben im Remstal, haben zwei erwachsene Kinder, Haus und Garten. Der Sohn wohnt im selben Haus und packt mit an, wo es nötig ist.
Dieter war eine Sportskanone: auf Skiern fuhr er mit Vorliebe schwarze Abfahrten, mit dem Fahrrad locker 200 km oder zwei Alpenpässe am Stück. 2001 kam der erste Verdacht auf MS, 2004 die definitive Diagnose im Alter von 44 Jahren – bis 2010 war er sportlich noch aktiv.
Seither haben seine Einschränkungen drastisch zugenommen. Im Video-Interview mit AMSEL erklärt er, wie und warum Aufklärungs- und Informationsmaterial bei der Krankheitsbewältigung helfen können.
Wie seine Frau Birgit arbeitet der Bankkaufmann weiter in Teilzeit bei einer Bank. Das ist gut für den Selbstwert, für die Sozialkontakte. Für seine Frau ist es eher eine Ablenkung von der Krankheit. Die Diagnose hat sie damals komplett "zerbröselt", sie war fertig mit der Welt und musste selbst erst mal in eine Reha. Heute pflegt sie ihren Mann mit einem ganzheitlichen Anspruch, der sie, je nach eigenem Energielevel, manchmal an die Grenzen ihrer Kraft bringt. Alles muss auf den Punkt organisiert sein, nicht planbare Zwischenfälle müssen on top im engen Zeitraster untergebracht werden. Im Video-Interview mit AMSEL berichtet sie, welche Herausforderungen das mit sich bringt und wo sie sich Entlastung wünschen würde.
Im Alltag schafft sich Birgit kleine Auszeiten beim Nordic Walking, Schwimmen, Yoga und bei gemeinsamen Unternehmungen mit ihren Freundinnen. Ihr Traum: eine Reise in die Karibik, nach Thailand oder Afrika, wohin auch immer. Hauptsache exotisch.
Wichtig für Dieter sind die regelmäßigen Treffen der AMSEL-Kontaktgruppe Waiblingen/Remstal. In diesem vertrauten Rahmen haben die Mosers mit zwei anderen betroffenen Ehepaaren Freundschaft geschlossen. Aufgrund seiner Krankheit hat er einige seiner Sportkameraden als Freunde verloren, aber dafür wertvolle neue Freunde hinzugewonnen.
Anders als seine Frau bleibt Dieter auch gerne daheim. Seine Vorstellung von einem perfekten Tag: "Ich fahre bei angenehmen Temperaturen mit dem Scooter meine Joggingstrecke von damals ab. Neben mir meine Frau auf dem Fahrrad. Welch ein Genuss!" "Gemeinsam reisen wir sehr gerne, so lange es noch möglich ist, demnächst nach Berlin und im Sommer machen wir eine Kreuzfahrt auf der Ostsee", ergänzt Birgit, "das sind schöne Highlights, auf die wir uns sehr freuen."
Die Portraits zu Lena und Michael finden Sie im ersten Teil der Portraitserie "Lebensqualität – so vielfältig wie das Leben selbst (1/3)"
Redaktion: AMSEL e.V., 12.06.2017