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"Ich zahne immer wieder"

26.02.10 - "Wenn ich etwas tun kann, dann tu ich's" - Nach diesem Motto war Manuela sofort bereit, bei der Aufklärungskampagne der AMSEL mitzumachen. Wer hinter dem DANKE-Gesicht steckt, verrät sie in Together 01/10.

Manuela hat zwei Geschwister. 1990 wurde bei ihr MS diagnostiziert. Da war sie knapp 20. Bei ihrer ein Jahr jüngeren Schwester Karin wurde die Diagnose im selben Jahr gestellt, bei der jüngsten der drei Schwestern etwas später. Vorher gab es in der Familie keine MS-Erkrankung.

Die ersten Symptome hatte eigentlich Karin. Sie war damals 15 oder 16 Jahre alt. Die Ärzte diagnostizierten eine Sklerosierung. Bei Manuela zeigten sich die ersten Symptome der MS ebenfalls mit 15/16 Jahren. Da hatte sie Sehstörungen, die sich aber zurückbildeten. Eine Diagnose bekam sie nicht, lediglich den Ratschlag "Machen Sie sich nicht selbständig." "Vielleicht wollten sie mich schonen", vermutet sie heute. Fünf Jahre lang hatte Manuela immer wieder Schübe, die Symptome bildeten sich aber glücklicherweise stets komplett zurück. Erst nach einem halben Jahrzehnt entnahmen die Ärzte ihr Liquor und stellten die gesicherte Diagnose: MS. Aufgrund ihrer Diagnose wurde auch Karin noch einmal untersucht. Auch bei ihre lautete die neue Diagnose: MS. Als sich bei der jüngsten Schwester Sandra mit Anfang 20 die ersten Symptome zeigen, ist die Diagnose schneller gestellt: MS. Es gibt keine Erklärung für diese familiäre Häufung, vor ihnen gab es keinen MS-Fall in der Familie. "Wir haben sogar an einer Studie mitgemacht, aber es wurde kein Grund gefunden.", berichtet Manuela.

Normales Leben

Trotz der Diagnose macht die älteste der Schwestern eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin, kann aber aufgrund von Allergien nicht lange in ihrem Beruf arbeiten. Eine Umschulung zur Industriekauffrau folgt und die Anstellung bei einem mittelständischen Unternehmen. Dort arbeitet die Südwürttembergerin bis zu ihrer Verrentung Ende 1998. Der Arbeitgeber wusste bereits bei ihrer Einstellung von ihrer Erkrankung, nahm viel Rücksicht, stellte aber eine Bedingung, die der jungen Frau zunehmend zu schaffen machte: Sie durfte keinem im Unternehmen etwas von ihrer Krankheit erzählen. "Das war nicht toll." Für sie bedeutete das, nach außen hin so gut es geht funktionieren zu müssen. Und gewundert haben sich die Kollegen natürlich dennoch über ihre Sonderrolle und ihre langen Krankheitsphasen.

Richtige Entscheidung, falsche Bedingungen

Als die MS nicht mehr zu verheimlichen war, hat Manuela allen Kollegen gesagt, warum sie oft lange gefehlt hat, und ist bei allen auf Verständnis gestoßen. Die Kollegen, zu denen sie heute noch ein gutes Verhältnis hat, waren dankbar für ihre Offenheit. Die frühe Verrentung, so wie sie bei ihr gelaufen ist, bedauert sie im Nachhinein. Ihr Verdienst während der Berufstätigkeit reichte nicht aus für eine Rente, die ihren Lebensunterhalt sichert. Sie sagt: "Wenn ich gewusst hätte, wie sich das anfühlt, hätte ich es nicht auf diese Weise gemacht." Sie hätte vorher noch versucht, mehr zu verdienen, damit sie einmal von ihrer Rente hätte leben können. "Die Entscheidung in Rente zu gehen, war richtig. Die Rahmenbedingungen waren es aber nicht." Bei ihrer Schwester Karin, die noch während der Ausbildung berentet wurde, war dies ganz anders. Bei ihr reicht die Rente zum Lebensunterhalt. Daran hat Manuela lange geknabbert. Sie empfand es als ungerecht, lange Jahre gearbeitet zu haben und finanziell schlechter gestellt zu sein. "Aus heutiger Sicht ist es o.k., aber daran habe ich lange gezahnt", sagt sie.

Die jüngste Schwester macht ebenfalls eine Ausbildung und ist einige Jahre berufstätig, bevor auch sie berentet wird. Alle drei haben heute eine Pflegestufe. Die beiden älteren Schwestern leben allein in einer eigenen Wohnung, die jüngste ist verheiratet. Ihr Mann wusste von ihrer Erkrankung, er steht hinter seiner Frau und hinter seinen Schwägerinnen. Auf Kinder verzichten die beiden bewusst. Auch die Mutter der Schwestern ist immer für sie da, wenn sie gebraucht wird. Zum Beispiel auch, als Manuela ihren Hund, an dem sie sehr hängt, abgeben muss. Lange Jahre hat er ihr über die Einsamkeit, die die Verrentung anfangs mit sich brachte, hinweggeholfen. "Und außerdem glaube ich, dass ich nur wegen meinem Chicco so lange gut gelaufen bin."

Neuanfang durch Umzug

Nach den Diagnosen wenden sich die Schwestern schon bald an die AMSEL. Als Manuela in eine barrierefreie Wohnung, auf die sie 3½ Jahre gewartet hat, umziehen muss, nutzt sie die erzwungene räumliche Veränderung zu einem Neuanfang und belebt an ihrem neuen Wohnort mit Unterstützung ihrer Schwestern eine ruhende Kontaktgruppe wieder. Außerdem ist sie im Bewohnerbeirat der Anlage, in der Jung und Alt zusammenleben, aktiv. Sie hat gelernt, dass sie ihren Fokus immer wieder verändern muss, damit das Ergebnis stimmig ist. Das geht nicht ohne Schmerzen. "Ich bin zufrieden, nehme aber nicht alles als gegeben hin. Wenn ich wieder von etwas Abschied nehmen muss, dann zahne ich sehr." Darunter leiden vor allem ihr Lebensgefährte und ihre Mutter, aber "das ist ein Trauerprozess, der mir zusteht." Heute läuft Manuela am Rollator, leidet unter extremen Krämpfen und Spastiken. Am meisten aber ängstigt sie ihre Erschöpfbarkeit.

Manuela lebt in der Gegenwart, macht keine Pläne für die Zukunft. "Was kommt, das kommt." Das sehen auch ihre Schwestern so, ohne dabei die Augen vor der Zukunft zu verschließen. Wenn beispielsweise renoviert, umgebaut werden muss, wird vorausschauend auf Barrierefreiheit geachtet. So ähnlich die Haltung der Schwestern in vielem ist, so verschieden sind ihre Wege mit der Krankheit. Manuela und Karin versuchen verschiedene Therapien zur Behandlung der MS, wobei Manuela unter heftigen Nebenwirkungen leidet. Beide behandeln heute nur noch ihre Symptome, Sandra nutzt konsequent ebenso alle Möglichkeiten zur Behandlung ihrer MS. "Sie hat damit auch tolle Erfolge gehabt.", freut sich Manuela. Alle drei sind positiv gestimmt, leben bei aller familiären Nähe und der gemeinsamen Krankheit aber ihr eigenes, sehr individuelles Leben mit der MS.

Kraft für den Alltag

Manuela kann keine spezielle Kraftquelle für den anstrengenden Alltag ausmachen, die Kraft ist einfach in ihr. "Sie ist einfach da, meine Mutter hat uns vorgelebt: Es kommt, wie es kommt." Die mittlere der Schwestern schöpft Kraft aus ihren Projekten, die sie konsequent verfolgt und bei der jüngsten bilden ihr harmonisches Familienleben und die vielen Katzen, um die sie sich liebevoll kümmert, das Reservoir, aus dem sie schöpft.

 
Übrigens: Das DANKE-Plakat hängt derzeit in der Heilbronner Straße in Stuttgart. Ab März 2010 wird es dann in der Pragstraße 152/ am Löwentor (B10) nicht zu übersehen sein: in 5 mal 10 Meter Größe.
 

 

 

 
 
Magazin Together
 
  

Quelle: Together 01/2010

Redaktion: AMSEL e.V., 25.02.2010