Spenden und Helfen

Herausforderungen als Chance begreifen (Teil 2)

Im Juli wurde der neue Vorstand der AMSEL gewählt. Susanne Leinberger, selbst Multiple Sklerose betroffen, wurde stellv. Vorsitzende der AMSEL. Lesen Sie ihr Porträt aus Together 03/13.

Susanne Leinberger ist beruflich erfolgreich. Als persönliche Referentin des Göppinger Landrats leitet sie in Personalunion das Büro für Kommunikation und Kreisentwicklung mit sechs Mitarbeitern. Eine abwechslungsreiche und anspruchsvolle Aufgabe, die konzeptionelles Vorgehen und termingerechte Planungen erfordert. Doch manchmal, "ist das Leben das, was passiert, wenn man eifrig dabei ist, andere Pläne zu machen", zitiert die Dipl.-Verwaltungswirtin gerne John Lennon. Susanne machte diese Erfahrung bereits in ihrer Kindheit. Als sie 9 Jahre alt war, verließ der Vater die Familie. "Das war sehr traumatisch und schlimm. Meine Eltern haben seitdem nie wieder ein Wort miteinander gesprochen. Und von einem auf den anderen Tag war ein Teil meiner Familie weg."

Mit ihrer jüngeren Schwester und ihrer Mutter zusammen wächst sie im beschaulichen Königsbronn auf, einer Gemeinde im Landkreis Heidenheim. Nach der Schule wollte sie zunächst auf Lehramt studieren, entschied sich dann aber doch für den gehobenen Verwaltungsdienst. Schon während des Studiums hatte die damals 22-Jährige erste Anzeichen der Krankheit, für die sie zwei Jahre später die Diagnose erhält. Mit Gehproblemen fing es an, es folgten zwei Trigeminusneuralgien und eine schwere Sehnerventzündung. Als sie mitten im Staatsexamen steckte, hatte Susanne bereits vier Schübe hinter sich und bekam ihren ersten sehr schweren Schub. Ihren ursprünglichen Plan, nach dem Staatsexamen an einer Universität ein Studium der Verwaltungsökonomie anzuschließen, gab sie daraufhin auf.

Stattdessen bewirbt sich die junge, ehrgeizige Frau um eine Stelle im Gemeinderat. Zusammen mit 140 weiteren Bewerbern. "Und obwohl ich von Anfang an ganz offen mit meiner Krankheit umgegangen bin", erzählt sie heute mit Stolz und vielleicht auch etwas Unglauben in der Stimme "habe ich die Stelle bekommen. Diesen Moment werde ich nie vergessen! Das war eine entscheidende Weggabelung in meinem Leben."

Zeit des Innehaltens

Da sich die Schubsymptome anfangs zurückbildeten und Susanne wenige Einschränkungen im Alltag spürte, arbeitete sie viel und war sportlich aktiv. Bis die mittler weile in Bad Boll lebende Frau 2005 ein heftiger Schub für etwa zwei Monate komplett außer Gefecht setzte. Von da an war ihr Körper sehr rechtslastig und die Gehschwierigkeiten blieben. Heute hat sie einen fortschreitenden Verlauf, sie merkt, dass sie langsamer wird, ihre Wegstrecken immer kürzer werden. "Ich arbeite immer noch viel, aber ich habe gelernt, mir meine Kraft einzuteilen. Insoweit hilft mir die MS auch ein Stück weit, denn sie zeigt mir, wo meine Grenzen sind. Es ist ein Versuch, alles ruhiger angehen zu lassen. Aber", gesteht sie sich ein "das gelingt mir nur bedingt."

Vielleicht ist eine ihrer größten Leidenschaften daher auch die Provence. Denn in Frankreich findet sie, was ihr in der deutschen Mentalität manchmal fehlt: vollkommene Gelassenheit, Ruhe, Savoir vivre. Mindestens einmal im Jahr fährt sie nach Südfrankreich, um dort bei Freunden oder in einer Ferienwohnung Urlaub zu machen. Um das südländische Lebensgefühl ein bisschen in ihren Alltag zu integrieren, liest sie gerne französische Lektüre oder hört französische Musik.

Familie und AMSEL als Anker

Kraft und Rückhalt findet die sympathische Frau in ihrer Familie – bei ihrer Mutter, deren zweitem Ehemann, ihrer Schwester, ihren Großeltern, ihren sechs Patenkindern und vor allem bei ihrem Partner. Ein glücklicher Zufall brachte die beiden, nachdem sie sich viele Jahre aus den Augen verloren hatten, zusammen. "Diese Zeit war unbeschreiblich schön und intensiv. Nach drei Wochen sind wir zusammengezogen, weil es einfach klar war. Es hat perfekt gepasst."

Dass ihr Gemeinschaft und Austausch sehr wichtig sind, zeigt Susanne auch durch ihr ehrenamtliches Engagement. Seit 2008 ist sie Junge-Initiative-Sprecherin der Göppinger Kontaktgruppe. "Die AMSEL war für mich immer ein Anker", sagt sie. Als Neubetroffene hat sie hier die Hilfe und Unterstützung gefunden, die sie selbst nun als Ehrenamtliche zurückgeben möchte. "Beim ehrenamtlichen Engagement kommt so viel zurück. Ehrenamt heißt, dass nicht alles was man tut, eine Gegenleistung erfordert. Doch das, was man hier bekommt, ist sehr viel mehr wert, materiell nicht aufzuwiegen." Daher ist es ihr in ihrer neuen Vorstandstätigkeit vor allem auch ein Anliegen, über neue Formen der Begegnung nachzudenken.

Redaktion: AMSEL e.V., 29.11.2013