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Geschichten, die nur die MS schreibt! Teil2: Opa wollte auch mal schieben

In16 Jahren mit Multipler Sklerose habe ich schon so manches erlebt. Hier die Fortsetzung meiner Anekdotensammlung.

Geschichte 5: Im Supermarkt

Ich stand mit dem Rollstuhl im Supermarkt und schaute mir gerade etwas in der Auslage an. Kam von hinten eine junge Frau mit ihrem Wagen und sagte: „Moment, ich schieb sie mal eben beiseite.“ Da packte sie schon die Griffe vom Rolli und wollte mich aus dem Weg schieben. Naja, ich war schnell genug, die Bremsen reinzumachen. Stellte sie dann zur Rede und wollte wissen, was genau sie sich dabei dachte. Naja, ich fand heraus, sie dachte nix und das war definitiv zu wenig.

Geschichte 6: Rollator-Rennen

Mit einer alten Frau hatte ich mir ein Rennen mit dem Rollator geliefert. Wir hatten, so dachte ich, dasselbe Angebot im Auge. Also wurden wir immer schneller. In halsbrecherischem Tempo sausten wir die Flure entlang. Ich kam mit einem ordentlichen Rumms im Regal zu stehen, mein Objekt der Begierde krachte mir ins Gesicht. Ich trug danach die Erkenntnis mit mir, die Dame hatte was anderes im Auge und ich hatte ein Veilchen. Aber egal, ich hatte trotzdem gewonnen - nämlich Erfahrung!

Geschichte 7: Opa wollte auch mal schieben

Wir waren mit der Familie essen, zu der Zeit brauchte ich den Rollstuhl dauerhaft außerhalb des Hauses. Als wir nach dem Essen das Lokal verließen, wollte Opa auch mal schieben. Es war unterwegs eine Stufe zu überwinden. Die nahm er nicht wie vermutet mit den Lenkreifen sondern kippte mich nach vorne, so dass ich mich am Rolli festkrallen musste. Er wollte seinen Fehler wieder gutmachen, indem er mich vornüber gekippt auf die Lenkreifen ziehen wollte und rammte mir beim Ziehen das Knie in den Rücken. Dass die Lehne nachgibt, wusste er nicht. Was zur Folge hatte, dass ich nochmal einen ordentlichen Schubser bekam und dieses Mal aus dem Rolli kippte. So lag ich eben vor dem Restaurant und wir lachten uns alle kringelig, nur Opa war es eher zum Heulen zumute.

Geschichte 8: Der Berg hatte gewonnen

Endlich auf dem Rad, zwar mit Motor aber immerhin unterwegs. Ich suchte mir allerdings eine Strecke auf den Berg hinauf aus. Beim Losfahren pfiff ich noch vor Vergnügen und nach der Hälfte des ersten Berges schon gleich aus dem letzten Loch. Weit kamen wir nicht, als ich vor Anstrengung fast vom Rad kippte. Ein Stein zum Sitzen und Ausruhen kam uns entgegen, das war meiner. Dann musste ich erst mal eine viertel Stunde Rotz und Wasser heulen, denn ich hatte den Berg nicht annähernd bezwungen. Eine Gruppe junger Leute mit drei Eseln an der Leine kamen vorbei. Und als sie schon fast vorbei waren, blieb der letzte Esel vor mir stehen, holte tief Luft und schnaubte mich an. Das entlockte mir gleich ein herzliches Lachen und die Welt war wieder in Ordnung. Da will mal einer sagen, Tiere hätten keine heilende Wirkung.

Geschichte 9: Ab ins Gebüsch

Es war Winter und wir hatten Glatteis. Die Einfahrt vor dem Haus war abschüssig. Ich ging mit dem Stock nach draußen und rutschte, recht überrascht, den Hügel nach unten. An ein Hochkommen auf zwei Beinen war nicht zu denken, also konnte ich meinen Weg auch fortsetzen. Ich kam genau drei Hofeinfahrten weiter. Und dann kam ein Dornenbusch. Davor war es so glatt, dass es mich in den Busch manövrierte. Da lag ich nun wie ein Maikäfer auf dem Rücken, die Jacke und Hose verheddert in den Dornen, ohne Handschuhe doch mit dem Stock winkend. Bis Rettung kam und ich aus dem Busch gezogen wurde. Danach war ich so durchgefroren, dass ich den Heimweg doch für sinnvoller hielt. Doch die Einfahrt kam ich immer noch nicht rauf, also kletterte ich über den hüfthohen Zaun und ließ mich in den Schnee rollen, über alle Viere kam ich dann wieder schwankend auf die Beine und hab mich schnell ins Haus getrollt. Zu Hause angekommen, bestellte ich mir erst mal Spikes für die Schuhe. Fazit: Maximaler Einsatz, minimalster Erfolg. Aber eine Geschichte mehr.

Wie gesagt: Ich könnte noch Stunden kleine kurze Geschichten erzählen, die lustig sind oder ans Herz gehen. Aber eines ist ganz klar dabei, ich hätte all das ohne meine MS nicht erlebt.

Bleibt in Bewegung, sonst bleibt die Welt stehen, und: Wer rastet, der rostet.

Eure Daniela

Daniela

  • Geboren 1979, hat MS seit 2004.
  • Sie wohnt in Ettlingen, liebt Katzen und ernährt sich vegetarisch.
  • Sie ist in sozialen Netzwerken unterwegs, hat viele Hobbies und mehrere Ehrenämter.
  • Unter anderem leitet sie die AMSEL-Kontaktgruppe Ettlingen.
  • 2018 erhielt sie die Bundesverdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland.

Redaktion: AMSEL e.V., 03.12.2020