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"Frage eines behinderten Monteurs"

Ein Rollstuhl ist ein Fortbewegungsmittel wie jedes andere und wenn eine Speiche bricht, braucht man für die Reparatur das gleiche Werkzeug. Maximilian Dorner gefällt das. In seiner Kolumne für together 1/14 schreibt er warum.

Hätte man mir vor ein paar Wochen gesagt, dass eine Speiche am Rollstuhl einfach so brechen kann, hätte ich nur ungläubig den Kopf geschüttelt. Dabei ist dauernd etwas an dem Teil kaputt, mal das Fußbrett, mal die Bremse ... Ich komme mir vor wie ein Rennfahrer, der in jeder Runde einen Boxenstopp einlegen muss. Einerseits ist das nervig, andererseits finde ich es erleichternd, dass ein Rollstuhl genauso ein Fortbewegungsmittel ist wie Auto, Zug, Flugzeug oder Fahrrad auch. (Außerdem hat ein Rollstuhl mindestens so viel Schrauben wie ein Jumbojet ...) Es ist beruhigend, dass man zum Reparieren das gleiche Werkzeug verwenden kann und dafür nicht schon wieder in das von mir so verabscheute Sanitätshaus mit seinen geschmacklosen Grässlichkeiten muss.
Aber mit der Speiche war es dann doch etwas komplizierter. Der erste Fahrradladen erklärte sich komplett, der zweite teilweise für unfähig. Ich müsste zumindest die Ersatzspeiche selber besorgen, hieß es.
Der Rollstuhlhersteller war keineswegs so überrascht über den Speichenbruch wie ich, sondern schickte mir ohne größere Diskussion Ersatz. Spät am Abend packte ich sie aus, weit jenseits aller Öffnungszeiten von Fahrradläden. Aus reiner Ungeduld zog ich den Werkzeugkasten aus dem Regal, den mein Schwager angeschafft hat, um bei den vielen Reparaturen besser ausgestattet zu sein. Das wäre doch gelacht, dachte ich, wenn ich das nicht allein hinbekommen würde und griff beherzt hinein. Und siehe da, nach einigem Ausprobieren und Nachdenken verstand ich das Prinzip Speiche – und der Rest war dann zwar kein Kinderspiel, aber schließlich irgendwie zu lösen.

Völlig beglückt lehnte ich mich zurück und betrachtete mein Werk. Geht doch. Und deswegen würde ich jetzt gerne wissen: Wer ohne

fremde Hilfe mit zwei Zangen gleichzeitig eine gebrochene Speiche an seinem Rollstuhl repariert, muss der dann seinen Schwerbehinderten-ausweis wieder abgeben?

Maximilian Dorner

seit 2000 Autor, Regisseur und Literaturlektor

  • geboren und wohnhaft in München
  • Studium der Dramaturgie an der Bayerischen Theaterakademie
  • u.a. Tätigkeiten als Film- und Hörspielproduzent, Theaterkritiker, Dozent und Dramaturg
  • 2007 Bayerischer Kunstförderpreis für sein Romandebüt "Der erste Sommer"
  • jüngste Publikation "Mein Schutzengel ist ein Anfänger" thematisiert Trost und Heilung
  • www.maxdorner.de

Quelle: AMSEL-Nachrichtenmagazin 01/14; Kolumne: Maximilian Dorner; Bild © Christine Schneider; Cartoon: Phil Hubbe

Redaktion: AMSEL e.V., 28.03.2014