Eine Idee kommt an

Pack´s an - Du kannst es!

 

„Ich bin schon drin.“ Wer kennt nicht diesen Spruch. Durch einen Klick mit der Maus steht einem die ganze Welt des Internet zur Verfügung. Eine virtuelle Welt, aber mit Millionen von Informationen zu allen nur denkbaren Themen, der Möglichkeit zum Einkaufen, auf Schnäppchenjagd zu gehen, Kontakte zu knüpfen, im Chat mit Gleichgesinnten zu plaudern und und und - und vor allem, alles, ohne dabei das Haus zu verlassen.

Vor allem dieser Aspekt ist für kranke und behinderte Menschen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Außerdem steht das Internet 24 Stunden am Tag zur Verfügung, unabhängig von Büro- und Öffnungszeiten und immer dann, wenn der Benutzer Zeit und Gelegenheit hat.

Wie funktioniert ein PC überhaupt?

Aber oft scheitert er schon an den einfachsten Dingen, die zu unüberwindbaren Hürden werden: „Wie funktioniert so ein PC überhaupt, und geht was kaputt, wenn ich etwas falsch mache ?“ Oft lähmt die Angst viele bereits vor dem eigentlichen Anfang. Und genau hier setzt ein Projekt ein, das seit einem Jahr erfolgreich im Quellenhof läuft. „Pack’s an - Du kannst es !“ so haben Traudel Lambart und Jürgen Janus es genannt. „Am Anfang hatten wir ein bisschen Bammel, ob es gelingen wird,“ gesteht die Initiatorin, die MS-kranke Traudel Lambart, die 1999 die Idee hatte, im Quellenhof PC-Schulungen anzubieten. Das war vollkommen unbegründet, wie sie heute mit Stolz feststellen kann. Denn mittlerweile ist „Pack’s an - Du kannst es !“ nicht nur ein erfolgreiches therapiebegleitendes Angebot im Neurologischen Rehabilitationszentrum in Bad Wildbad, sondern auch über die Grenzen des Schwarzwaldes hinaus als Beispiel eines gelungenen Selbsthilfeprojektes bekannt.

PC-Schulungen für Patienten

Zwischen der Idee und der Realisierung des Projektes lagen 12 Monate, eine Zeit, in der die Telefone zwischen Lambart und Janus heiß liefen, und das Konzept immer mehr reifte. „Auch Rollstuhlfahrer haben einen Anspruch darauf, aktiv am Leben teilzunehmen, aus der modernen Technik Nutzen für ihr eigenes Leben zu ziehen“, beschreibt Janus den Ausgangspunkt für ihre Idee. Heute bieten die beiden im Quellenhof regelmäßig Kurse an: zum PC, seinen Komponenten und Zubehör, zum Schreiben und Zeichnen mit PC und zum Internet. Auf Wunsch gibt es auch Sonderstunden über behindertengerechtes PC-Zubehör. Beide sind im Haus so bekannt wie der sprichtwörtliche bunte Hund. Von jedem werden sie gegrüßt und meist gibt es noch ein „Und was ich noch kurz fragen wollte.“

Bisher sind es rund 300 PC-Neulinge, die die beiden mit ihrem Angebot angesprochen, und denen sie mit ihrer Schulung eine neue Welt eröffnet haben. „Sie haben etwas Neues kennengelernt, das für ihr Leben von Bedeutung sein kann“, wie Lambart sagt. Monatlich rund 30 Patienten des Hauses. Dazu kommen viele Patienten, die die drei Computerplätze im Haus einfach zu schätzen wissen, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, auch während ihrer Rehabilitation online zu gehen, E-mails zu empfangen und zu versenden.

Internet gegen die Isolation

Mittlerweile haben Traudel Lambart und Jürgen Janus, deren zeitlicher Einsatz für und bei „Pack’s an“ bei rund 30 Stunden in der Woche liegt, Unterstützung gefunden. Denn seit November 2001 ist Kari Kauppinen bei „Pack’s an“ dabei. Er kommt aus Kuopio in Finnland und ist über ein Projekt der Europäischen Union in den Schwarzwald gekommen. Denn mit ihrer Idee haben Lambart/Janus ein Thema getroffen, mit dem sich auch die Europäische MS-Plattform (EMSP) beschäftigte. „Breaking the isolation - Cybercafés for Persons with Multiple Sclerosis“ hat die EU ihr Projekt genannt, kurz Internetcafes gegen die Isolation, als Verbindung - manchmal die einzige - zur Außenwelt. Aber auch hier, so die Erfahrung, fehlte es oft an der Anleitung. Das soll nun durch den Einsatz junger Leute im Alter zwischen 18 und 25 Jahren anders werden. Im Rahmen des „Europäischen Freiwilligenjahres“ sind sie in Krankenhäusern, Rehabilitations- und Freizeiteinrichtungen eingesetzt, so wie der 24jährige Kauppinen im Schwarzwald.

Krista, seine Lebensgefährtin, musste aus familiären Gründen nach Finnland zurück. Er will dennoch auf jeden Fall bleiben: „Mir gefällt es hier. Die Leute sind nett und es macht Spaß“, nennt er einen Grund, beim Europäischen Freiwilligenjahr mitzumachen. Und er fühlt sich mittlerweile im Schwarzwald wohl, auch wenn es manchmal dort „zu ruhig“ ist, die öffentlichen Verkehrsmittel zu teuer und zu schlechte Anbindung bieten. Die Initiatoren von „Pack’s an“ sind glücklich über die Entlastung durch den Informatikstudenten und erstaunt darüber, „wie schnell sich die freundschaftlichen Kontakte entwickelt haben“. Der Funke ist von Anfang an zwischen ihnen da gewesen, trotz des großen Altersunterschieds verstehen sie sich gut und haben auch privat Kontakt.

Ich bin einfach da, wenn man mich braucht

Janus begrüßt die Hilfe, die der Finne ihnen bietet. „Und er kommt ganz toll bei den Leuten an“, lobt er den jungen Mann, der mittlerweile fast so bekannt im Quellenhof ist, wie sie selber und ein ebenso geschätzter Ansprechpartner. Kari, der selber 1999 mit der Diagnose MS konfrontiert wurde, schwäbelt schon „ein bissle“. Sein Hauptgrund, bei „Pack’s an“ mitzumachen: Er möchte mit MS-Patienten arbeiten. Für ihn ist es wichtig, aus ihren Erfahrungen und ihrem Umgang mit der Erkrankung zu lernen. Täglich von 10 bis 18 Uhr ist Kauppinen im Quellenhof. „Dort ist mein Zuhause, mein Hobby, mein Job und meine Freizeit, aber ich genieße es“, erzählt Kari. Viele Freunde habe er im Laufe der Zeit gefunden, leider kommt mit der Beendigung ihrer Rehabilitation immer der Abschied. Er bedauert das sehr, auch wenn die E-mail-Kontakte bleiben. Kari hat mittlerweile so viele, dass er kaum dazukommt, sie alle zu beantworten. Seinen Einsatz als Freiwilliger sieht er über die direkten Aufgaben bei „Pack’s an“ hinaus. „Ich bin einfach für die Patienten da, wenn sie mich brauchen.“ Egal, um was es geht.

Wie die beiden Initiatoren des Projektes motiviert Kari das Feedback, das er bekommt. „Ich gebe so wenig und bekomme so viel“, sagt er. Und Janus ergänzt: „Es ist ein gutes Gefühl, wenn die Leute sagen „Ich kann es doch noch!“ Sie erhalten viel Dank von ihren Teilnehmern, auch in der Form, dass Patienten selber bei „Pack’s an“ mitmachen möchten. So wie eine Teilnehmerin, die zuerst „totales Herzklopfen hatte, ob sie das wohl lernen wird“ und heute sagt, sie ist „süchtig nach dem PC“ und bei den Schulungen helfend einspringt.
Janus und Lambart würden es sehr begrüßen, wenn das Projekt weitergeführt werden könnte, auch im nächsten Jahr Unterstützung möglich ist. „Wissen Sie, es wird uns nicht zuviel, aber es ist schon eine gute Sache, Entlastung zu haben, auch einmal wieder mehr Zeit für sich selber zu haben“, sagen die beiden von „Pack’s an“ übereinstimmend. Und außerdem: Sie haben schon weiterreichende Pläne für „Pack’s an“, und die brauchen auch ihre Zeit.

Redaktion: AMSEL e.V., 19.04.2002