Ein frommer Wunsch

Together-Kolumnist Maximilian Dorner verändert sich während der Feiertage. Er wird "weicher und anschmiegsamer". Und er hofft jedes Jahr, etwas von dieser Stimmung mit ins Neue Jahr hinüberzuretten.

Jedes Jahr in der Weihnachtszeit erwischt es mich wieder mit ganzer Wucht: Dann lösen sich alle Versteinerungen meines Lebens auf, und ich werde weich und anschmiegsam. Dann verzeihe ich selbst Freunden irgendeine Bemerkung, zu denen ich schon seit Jahren keinen Kontakt mehr habe. Oder sehe selbst gnädig über kaputte Lifte hinweg - zumindest für ein paar Minuten. (Ich gebe zu, das ist frommes Wunschdenken und entspricht nicht ganz der Wahrheit ...)

Dieser Zustand führt dazu, dass ich über die Feiertage furchtbar kitschige Serien am Stück anschaue und wie auf Bestellung vor dem Happy-End losheule. Jedes dahingeschmolzene "Ich vermisse dich" beziehe ich auf mich. Bücher wähle ich sorgsam danach aus, dass sie keine unüberwindbaren Schwierigkeiten vor ihren Figuren auftürmen. Über die Musik, die dazu läuft, breite ich besser den Mantel des Schweigens. An Heiligabend bestehe ich schließlich darauf, von jedem Weihnachtslied mindestens drei Strophen zu singen. Und dass ich frohgemut alle selbstauferlegten Essvorschriften fahren lasse, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. "Sei's drum" wird dann mein Lieblingsausruf.

Natürlich wäre es schön, wenn sich die allgemeine Weichheit auch einmal auf die Spastiken in meinen Beinen ausweiten würde. Oder zumindest so weit reichen würde, dass ich mit mir selbst nicht so hart ins Gericht ginge. Über Dinge, die mir nicht gelungen sind, über Menschen, deren Aufmerksamkeit ich verloren habe. Kurz und gut: Zur Geburt Christi wünsche ich mir ein wenig Buddha.

Spätestens zu Silvester bin ich dann wieder der Alte, mit leichtem Ingrimm und sanft verachtungsvoller Neugier sehe ich dem neuen Jahr entgegen. - Vielleicht gelingt es mir ja dieses Jahr, diese Weichheit hinüberzuretten ins neue Jahr.

Das jedenfalls wünsche ich Ihnen: dass uns die Starre nicht verletzt und nicht das Weiche. Und dass die Welt - Gott oder wer oder was auch immer - gnädig mit uns umgeht. Wir haben es nötig.

Fröhliche, gelöste und lösende Weihnachten!

Autor: Maximilian Dorner

Quelle: Together 04/2016

Das AMSEL-Team wünscht allen Menschen mit und ohne Multiple Sklerose friedliche Feiertage und einen guten Rutsch ins Neue Jahr !

Redaktion: AMSEL e.V., 25.12.2016