Spenden und Helfen

Dieter Flum: "Ich bin nur einer unter vielen"

19.09.2008 - Der Lörracher verbindet Arbeit, Pflege seiner Multiple Sklerose kranken Ehefrau und ehrenamtliches Engagement ohne Aufhebens davon zu machen. Getreu dem Pfadfinder-Motto "Stets bereit sein und dort helfen, wo es notwendig ist."

Dieter Flum ist kein Mensch, der sich besonders wohl fühlt, wenn er im Mittelpunkt steht und die Öffentlichkeit ihre Augen auf ihn richtet. Dennoch geschah genau dies am 10. Juli 2008 bei der AMSEL-Förderkreis Ursula Späth e. V.-Preisverleihung, als der 63-jährige vor rund 220 Gästen den Preis für pflegende Angehörige entgegennahm.

"Stets bereit zu sein und dort zu helfen, wo es notwendig ist" zitierte Dr. Harry Streib, stellvertretender Verbandsgeschäftsführer des SparkassenVerbandes Baden-Württemberg, in seiner Laudatio das Pfadfinder-Motto, das sich durch das Leben von Dieter Flum zieht. Denn Flum, der in Grenzach / Wyhlen bei Lörrach lebt, ist ein zielstrebiger, von sozialer Verantwortung geprägter Mensch. Bei ihm haben die Werte aus der Pfadfinderzeit auch heute noch Gültigkeit. So ging Flum beispielsweise 1970 als junger Mann für zwei Jahre nach Kamerun, um dort als Entwicklungshelfer unter anderem ein landwirtschaftliches Beratungszentrum einzurichten und dort Leute anzulernen. Auch die Förderung der dortigen Futtermittelproduktion gehörte dazu. Damals hatte Flum gerade erst seine heutige Ehefrau Hannelore kennengelernt. Doch da Ärzte der MS-Kranken abrieten das Risiko einer Schutzimpfung, die für Kamerun nötig gewesen wäre, auf sich zu nehmen, blieb sie daheim. Die große räumliche Distanz überbrückte das Paar, indem sie sich regelmäßig Briefe und besprochene Tonbänder hin und her schickten. Einmal trafen sie sich auch "auf halber Strecke" in Tunesien, für einen gemeinsamen Urlaub.

Gemeinsam durch dick und dünn

Das Ehepaar Flum geht mittlerweile seit fast 40 Jahren gemeinsam durch dick und dünn. Und dies obwohl für beide absehbar war, dass es auch schwierige Zeiten geben könnte, denn bei Hannelore Flum wurde vor über 50 Jahren MS diagnostiziert. Gemessen an der langen Zeitspanne der Erkrankung war ihr Krankheitsverlauf am Anfang glücklicherweise relativ leicht. Dennoch musste Flums Ehefrau bereits 1977 ihre berufliche Tätigkeit als kaufmännische Angestellte aufgeben. Seither ist ihre Mobilität zusehends eingeschränkt und für die Überwindung weiterer Strecken, insbesondere außerhalb der Wohnung, war bald der Rollstuhl erforderlich. Seit Mitte der 90er Jahre ist Frau Flum vollständig auf den Rollstuhl angewiesen und Unterstützung und Pflege sind mittlerweile in allen Bereichen erforderlich. Deshalb reduzierte Dieter Flum schon vor über zehn Jahren seine selbstständige Tätigkeit als Steuerberater erheblich, um seine Frau besser versorgen zu können. Heute denkt er daran, seine Berufstätigkeit ganz aufzugeben. Allerdings ungern. Denn sein Beruf gefällt ihm, es reizt ihn, sozusagen als Pfadfinder, für seine Mandanten "einen Weg durch den deutschen Steuerdschungel zu finden" und sie zu unterstützen. Außerdem gefällt es ihm, gefordert zu sein.

Der Wunsch, andere zu unterstützen, zieht sich auch durch das gemeinsame Leben des Paares. So gründeten sie vor knapp einem Vierteljahrhundert die AMSEL-Kontaktgruppe Lörrach und bieten seither MS-Kranken neben regelmäßigen Treffen und vielen Gesprächen gemeinsame Therapiefreizeiten mit Fachleuten. Darunter finden sich zahlreiche einmalige Projekte, wie zuletzt die Therapiewoche zu neurophysiologischer Krankengymnastik bei MS mit ausgewiesenen Experten. Aus diesen Therapiewochen ziehen die beiden und alle Beteiligten Hilfestellungen für den Krankheitsalltag zu Hause.

Ehrenamt als Herausforderung und Bereicherung

Die Arbeit für die AMSEL und der Einsatz für die MS-Betroffenen ihrer Gruppe stellt für das Ehepaar Flum zwar eine zusätzliche Herausforderung, aber auch "eine Bereicherung" dar. Denn die Gruppenmitglieder sind einander Stütze und stehen sich gegenseitig in schwierigen Phasen bei. Es ist eine Aufgabe, die das Paar fordert, ihnen aber auch positive Resonanz gibt. Doch Engagement kostet eben auch Zeit. Und Dieter Flums Zeit wird durch die aufwändiger werdende Pflege seiner Frau immer knapper. Zudem muss er auch mit den eigenen Kräften zusehends haushalten. Denn nach der langen Zeit zeigen sich auch beim 63-Jährigen körperliche Grenzen. Doch diese trägt er mit Humor. Ob seine derzeitigen Rückenprobleme eher von der Büroarbeit oder von der Pflege resultieren, wird von ihm je nach Tagesform interpretiert.

Der Umgang des Ehepaars miteinander ist geprägt von gegenseitiger hoher Wertschätzung und Respekt. So ist es für Dieter Flum selbstverständlich, dass er seiner Frau bei der AMSEL-Arbeit zur Hand geht. Und ebenso selbstverständlich ist es für sie, dass ihr Mann bei Wanderungen mit Freunden oder in der Walking-Gruppe Entspannung und persönlichen Ausgleich sucht. Doch auch gemeinsame Aktivitäten gibt es natürlich, so gehen die beiden beispielsweise seit 20 Jahren auf Radtouren, bei denen Flums eine Rollstuhl-Fahrrad-Kombination benutzen. "Es ist mir wichtig, dass ich dies mit meiner Frau gemeinsam machen kann." erklärt Flum. Auch müsse er dann niemanden für seine Frau organisieren und die beiden können die gemeinsame Zeit genießen. "Über 20.0000 km" seien sie so bereits geradelt.

Doch mit oder ohne Rückenschmerzen: Flum empfindet nicht die eigentliche Pflege als problematisch. Es ist mehr der eingeschränkte Aktionsradius und der Tagesablauf, der durch die gesundheitliche Situation seiner Ehefrau vorgegeben ist. Für Dieter Flum bedeutet das, viel weniger flexibel, gebundener zu sein. "Bevor eine Unternehmung möglich ist, müssen immer zuerst die organisatorischen Dinge geregelt werden". Doch Dieter Flum hadert nicht. Auch wenn es nicht immer leicht war, blickt er auf viele gemeinsame Jahre und vor allem auf ein "zufriedenes und erfülltes Leben" an der Seite seiner Frau zurück.

Dass er Flum für diese Haltung ganz besonders bewundere, betonte Laudator Dr. Harry Streib, bevor er Dieter Flum den diesjährigen Preis für pflegende Angehörige des AMSEL-Förderkreises übergab. Der Preis wurde ins Leben gerufen, um auf die in vielen Fällen erbrachte, aber selten gewürdigte Leistung pflegender Angehöriger aufmerksam zu machen. So war Flums erste Reaktion auf den Preis auch Überraschung: "Warum ich?", staunte er "Ich bin nur einer unter vielen!".

Redaktion: AMSEL e.V., 02.10.2008