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Die Macht unserer eigenen Gedanken (Teil 1)

16.12.09 - Cristina Galfetti, Schweizer Patienten-Coach, stellt in Together 04/09 dar, wie die individuelle Wahrnehmung die Gefühle und die Einstellungen der Menschen beeinflusst - und warum das Glas bei einem halbvoll und bei einem anderen halbleer zu sein scheint.

Das großartige Funktionieren unseres Körpers nehmen wir solange als Selbstverständlichkeit hin, bis er uns seinen Dienst versagt. Dieses Nichtmehr- Funktionieren können wir Menschen uns meist nicht selbst erklären und vertrauen uns deshalb Fachpersonen an. Und werden somit zu Patienten. Der Körper wird auf seine Funktionen hin untersucht, beobachtet, beschrieben, ertastet und kategorisiert.

Aus einem subjektiven Befinden werden objektive Befunde, die dann schließlich zu einer Diagnose führen, welcher wiederum Behandlungsrichtlinien folgen. Dass die jeweiligen Behandlungen nicht bei jedem Patienten die gleichen (Aus)wirkungen haben, ist medizinischer und therapeutischer Alltag. Und genau hier setzt die Lehre des Erlebens und Verhaltens der Menschen, sprich die Psychologie, ein.

Wahrnehmung und Interpretation

Das Erleben einer Situation fängt mit deren Wahrnehmung an. Jeder, der schon mal mit Freunden im Kino war und sich danach über den Film unterhalten hat, weiß, dass die Wahrnehmung individuell unterschiedlich ist.

Was geschieht denn hierbei in unseren Köpfen? Zunächst einmal versuchen wir das, was wir wahrnehmen einzuordnen in bisher Erlebtes, Erfahrenes. Es findet also eine Interpretation der Situation statt. Eine solche Interpretation ist wie eine Autobahn. Kaum sind wir aufgefahren, geht’s in rascher Geschwindigkeit in eine einzige Richtung weiter! Abzweigungen oder die Schönheit der vorbeirauschenden Landschaften nehmen wir meist nicht wahr.

So funktionieren auch unsere Gedanken und Interpretationen. Zudem sind sie noch mit Gefühlen verknüpft. Gefühle der Angst, Unsicherheit oder des Ausgeliefertseins. Unter dem Einfluss solcher Gefühle nehmen wir dann das berühmte Glas eher als halbleer als halbvoll wahr. Neben der medizinischen Betreuung spielt somit das "Management" der Gedanken- und Gefühlswelt von Menschen mit einer chronischen Erkrankung eine äußerst wichtige Rolle. Das ist nichts Neues. Oft hören die Betroffenen den gut gemeinten Ratschlag "Verlier’ einfach Deinen Optimismus nicht!". Doch vermutlich ist nichts schwieriger umzusetzen, als genau das. Weshalb eigentlich?

Ein Erklärungsversuch setzt wiederum bei unserem "Lernen zu denken" an.

Ein Beispiel: Sie lernen einen Schweizer kennen, der langsam spricht. Dann einen zweiten. Was passiert, wenn Sie einen dritten kennenlernen? Genau, Sie erwarten, dass er langsam spricht. Wenn Sie nun auf einen schnellsprechenden Schweizer (ja, die gibt’s!) treffen, sind Sie zunächst etwas irritiert, weil Ihre Erfahrung der neuen Situation nicht entspricht. Genau so geht das mit den sogenannten" negativen" Gedanken, die wir uns in schwierigen Situationen machen. Wenn wir regelrecht darauf warten, dass eine Situation sich verschlechtert, werden wir jedes noch so kleine Anzeichen auch in diese Richtung interpretieren.

Die Macht der inneren Bilder

Die modernen bildgebenden Methoden der Neurobiologie (siehe z.B. Prof. G. Hüther "Die Macht der Inneren Bilder" ISBN: 352546213) können heute das nachweisen, was viele chronisch Kranke an sich selbst schon seit Jahren beobachtet haben: Gedanken und Einstellungen lösen eine Kettenreaktion von Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen aus, die entweder zu einer sog. Negativspirale oder eben einer Positivspirale führen. Die Kunst besteht nun darin, sich so viele Ressourcen oder Kompetenzen anzueignen, dass wir sie im richtigen Moment, dann wenn wir sie nötig haben, auch abrufen oder anzapfen können.

Das Ziel der meisten psycho-sozialen Angebote ist es, gemeinsam mit den Betroffenen diese Prozesse zu identifizieren und geeignete Gegenmaßnahmen (im Fall der Negativspirale) oder verstärkende Maßnahmen (im Fall der Positivspirale) zu entwickeln und einzuüben. Selbstverständlich brauchen solche Gedankentrainings Zeit und Energie. Deshalb kennt beispielsweise die Rehabilitationspsychologie unterschiedliche Unterstützungsangebote (Interventionen).

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Erfahren Sie mehr über die unterschiedlichen Unterstützungsangebote der Rehabilitationspsychologie in "Die Macht unserer eigenen Gedanken (Teil 2)"
 

 

 
 
Magazin Together
 
  

Quelle: AMSEL-Magazin Together 04/2009, Cristina Galfetti; Bilder aus Präsentation Prof. G. Hüther, PatientenDialog, Nov.08

Redaktion: AMSEL e.V., 25.08.2009