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Der Sozialgerichtsprozess - Teil 2

10.06.08 - In seiner Kolumne in Together-Ausgabe 02/2008 erklärt Rechtsanwalt Andreas Czech, Stuttgart, die Besonderheiten des Sozialgerichtsprozesses. Teil 2 dieser Rechtserie widmet sich dem Klageverfahren.

Dieser Beitrag hat die Zielsetzung die Besonderheiten des Sozialgerichtsprozesses darzustellen. Entsprechend dieser Zielsetzung werden die Besonderheiten dargestellt, die den Rechtssuchenden und Bevollmächtigten erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bereiten.

Allgemeine Verfahrensgrundsätze

Amtsbetrieb und Amtsermittlung

Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt der Grundsatz des Amtsbetrieb. Anders als im Zivilprozess ist das Inganghalten des Verfahrens also nicht Aufgabe der Parteien des Rechtsstreits, sondern des Gerichts. Außerdem hat das Gericht nach dem so genannten Amtsermittlungsgrundsatz den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Die Beteiligten müssen weder ihnen günstige Tatsachen behaupten noch ungünstige bestreiten.

Entscheidung nach freier Überzeugung

Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.

Rechtliches Gehör

Das durch Art. 103 Abs. 1 GG abgesicherte prozessuale Grundrecht auf rechtliches Gehör ist in § 62 SGG nochmals ausdrücklich hervorgehoben worden. Es besagt, dass ein Beteiligter vor Erlass einer Entscheidung Gelegenheit haben muss, sich zu äußern und gehört zu werden. Das Gericht muss Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen.

Klagearten

In den §§ 54, 55 SGG sind die möglichen Klagearten aufgeführt. Da in der Regel ein Verwaltungsakt angefochten wird, handelt es sich meist um kombinierte Klagen, das heißt die Leistungs-, Feststellungs- oder Verpflichtungsklage ist in der Regel mit einer Anfechtungsklage verbunden.

Prozessbevollmächtigte

Gemäß § 73 Abs.1 Satz 1 SGG können sich die Beteiligten in jeder Lage des Verfahrens durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Es besteht nur vor dem Bundessozialgericht Vertretungszwang. Prozessbevollmächtigter kann grundsätzlich jede natürliche prozessfähige Person sein.

Prozesskostenhilfe (PKH)/Beiordnung/Kosten

Das Gesetz schreibt vor, dass eine Partei Prozesskostenhilfe erhält, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat danach, wer einen Prozess führen muss und die erforderlichen Kosten nicht aufbringen kann und nach Einschätzung des Gerichts nicht nur geringe Aussichten hat, den Prozess zu gewinnen. Im Rahmen der Prozesskostenhilfe können nur Rechtsanwälte beigeordnet werden, nicht andere Personen, z. B. nicht Rentenberater oder Verbandsvertreter. PKH kann nicht für Kosten eines Gutachtens nach § 109 SGG bewilligt werden, weil das Gericht nicht gezwungen werden kann, ein Gutachten auf Kosten der Staatskasse einzuholen, das es nicht für erforderlich hält. Die Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe ergeht durch Beschluss.

Erforderlich ist die anwaltliche Vertretung, wenn es sich um eine rechtlich oder tatsächlich nicht einfache Sache handelt und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist dann zu bejahen, wenn der Antragsteller eine reale Chance zu obsiegen hat.

Die Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sind grundsätzlich gerichtskostenfrei. Ausnahmen bestehen lediglich für Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts.

Klageerhebung

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

Klagefrist

Die Klagefrist beträgt einen Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, beginnt die Klagefrist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Bei einer fehlenden oder unrichtigen Rechtsmittelbelehrung verlängert sich die Klagefrist auf ein Jahr.

Inhalt der Klageschrift

Die Klage soll die Beteiligten und den Streitgegenstand bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Ferner soll sie den angefochtenen Verwaltungsakt oder den Widerspruchsbescheid bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Streitgegenstand ist ausreichend bezeichnet, wenn das Klagebegehren erkennbar ist. Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche ohne Bindung an die Anträge. Der Klageschrift, den sonstigen Schriftsätzen und nach Möglichkeit den Unterlagen sind Abschriften für die Beteiligten beizufügen.

Terminierung

Nach Eingang der Klage bestimmt der Vorsitzende in der Regel Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung, der den Beteiligten in der Regel mindestens zwei Wochen vorher mitgeteilt werden soll. Das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung kann, muss aber nicht angeordnet werden. Das persönliche Erscheinen soll in erster Linie der weiteren Sachaufklärung dienen.

Rechtsanwalt Andreas Czech

 
 
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Redaktion: AMSEL e.V., 10.06.2008