Spenden und Helfen

Das fast Unmögliche möglich machen

Tränen der Rührung bei der Preisverleihung der AMSEL-Stiftungspreise 2019. Rund 200 Gäste staunten im Porsche-Museum darüber, was Angehörige, Freunde aber auch völlig "Unbeteiligte" alles für Menschen mit Multipler Sklerose tun.

Multiple Sklerose kann man immer noch nicht heilen, wenn auch mit Medikamenten eindämmen. Umso schöner ist es zu sehen, wie sich andere darum bemühen, Menschen mit Multipler Sklerose ein Maximum an Lebensfreude zu schenken oder "das schier Unmögliche möglich zu machen", wie Moderatorin Petra Klein zusammenfasste.

Vergangenen Freitag fand die 27. Preisverleihung der AMSEL Stiftung Ursula Späth statt. Zum Ursula Späth-Preis werden ebenfalls der Pflege- und der Medienpreis verliehen. Allein die hohe Zahl an Ausgezeichneten zeigt bereits, dass es viele, viele Menschen gibt, die allen Umständen zum Trotz Angehörige pflegen und ihnen ein Leben zu Hause ermöglichen, die in der Öffentlichkeit aktiv sind, um Spenden zu sammeln und auf Multiple Sklerose aufmerksam zu machen oder die besondere Aktionen starten, um verloren Geglaubtes neu zu leben.

Worauf es eigentlich ankommt

Das Letztgenannte trifft ganz besonders auf Elke Münch und Andreas Weber zu. Seit sechs Jahren organisieren die Bikerin und der Leiter des Generationenhauses Heslach eine Motorradausfahrt für schwer und schwerst behinderte Menschen. Sie melden die Ausfahrt als Demonstration für die Integration behinderter Menschen an. Sie organisieren von Jahr zu Jahr mehr Motorräder mit Beiwägen. Sie motivieren ein Team von Pflegern und Ehrenamtlichen, um die zum Teil fast bettlägerigen Menschen am Tag der Ausfahrt zu versorgen. Sie schaffen für jeden einzelnen individuelle Stützvorrichtungen, damit er sicher im Beiwagen sitzen kann. Reicht auch das nicht aus, fahren sie selber mit, stützen, geben Halt. Angefangen hatte die außergewöhnliche Ausfahrt 2013 mit neun Motorradgespannen, inzwischen sind es über 50.

Ein Riesenaufwand, eine Aktion, die nach rein ökonomischen Standpunkten niemals stattfinden könnte. Wenn man jedoch mit dem Herzen dabei ist, so wie Elke Münch und Andreas Weber samt Team, dann sind die Freudentränen der schwer kranken Menschen, die sich den Wind um die Nase wehen lassen können und gemeinsam als Tross an Beiwagen in der Stuttgarter Innenstadt für Aufsehen sorgen, alle Mühe wert. Und genau für diese Einstellung, "für diese unglaubliche Penetranz im positiven Sinne"  zeichnete Dr. Susanne Eisenmann die beiden Akteure mit dem Ursula Späth-Preis aus.

"Mittlerweile ist die jährliche Motorradausfahrt mit Schwerstpflegebedürftigen aus dem Stuttgarter Stadtbild nicht mehr wegzudenken," lobte die Ministerin für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg Elke Münch und Andreas Weber. Und sie dankte Ursula Späth, Schirmherrin der AMSEL und Namensgeberin der Ursula Späth Stiftung wie ihrer Preise dafür „was Sie geprägt haben, gegeben haben.“ – Oder mit den Worten des AMSEL-Vorsitzenden Adam Michel an Ursula Späth: „Ohne dich wäre aus der AMSEL nicht geworden, was sie heute ist.“ Und auch Elke Münch, deren Mutter früh an MS verstorben ist, erinnert sich nicht nur, damals selbst erst 14 Jahre,  an frühe AMSEL-Kontaktgruppentreffen mit ihrer Mama, sondern auch an den "Aufwind für die AMSEL", als Ursula Späth die Schirmherrschaft für Multiple Sklerose-Betroffene in Baden-Württemberg übernahm.

Eine "Insel" sei die Verleihung der AMSEL Stiftung-Preise für sie, sagte Daniela Rathe, Leiterin für Politik und Außenbeziehungen der Porsche AG, in ihrer Begrüßung. Nicht nur den Gästen der Preisverleihung, sondern auch ihren Kindern erklärte sie mit dem Insel-Bild, warum sie an diesem Abend nicht zu Hause sei, warum sie aber sehr gerne trotz schönstem Wochenendwetter zu dieser besonderen Veranstaltung gehe. "Hier drinnen scheint die Sonne... das ist was ganz Besonderes." Weil es sie daran erinnere, worauf es eigentlich ankomme, nämlich, dass man zusammenhält.

Ein wahrer Schatz

Zusammenhalten, das tun auch Silvia und Uli Janke. "Silvia Janke pflegt ihren Mann seit 16 Jahren," und das, obwohl sie selbst auch an MS erkrankt sei, schildert Erik Scherb, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Baden-Württemberg, die Preisträgerin des Pflegepreises in seiner Laudatio im Porsche Museum. Damit nicht genug: Silvia Janke ist außerdem voll berufstätig.

Ulkrich Janke hat eine rasch voranschreitende progrediente MS. Heute kann er nur noch seinen Kopf selbst bewegen. Scherb gibt den Gästen der Preisverleihung eine Zusammenfassung des Jankeschen Tagesablaufes:

  • Um 4:30 Uhr beginnt ihr Tag.
  • Silvia Janke wäscht ihren Mann,
  • holt ihn mit einem Lifter aus dem Bett,
  • rasiert ihn,
  • putzt ihm die Zähne,
  • sichert ihn im Stehtrainer,
  • setzt ihn in den Rollstuhl zurück,
  • reicht ihm das Frühstück und die Medikamente und
  • bespricht den Tagesablauf mit ihm.
  • Um 7:30 Uhr fährt sie zur Arbeit bis 16:30 Uhr.
  • Danach geht sie einkaufen,
  • zweimal in der Woche hat sie selbst Physiotherapie.
  • Um 18:00 Uhr heißt es kochen,
  • dann wieder Essen reichen,
  • Küche aufräumen,
  • ihren Ehemann für die Nacht vorbereiten und
  • um 21:00 Uhr ins Bett gehen.
  • Bevor sie um 4:30 Uhr ihr Tagwerk wieder beginnt, hat sie ihren Mann nachts mehrfach umgelagert.

Ein übervoller Tag, und umso erstaunlicher ist es, dass Silvia und Uli Janke daneben noch Zeit für zahlreiche Hobbys wie Acrylmalen oder Musizieren, für Kulturveranstaltungen und Ausflüge finden. Kraft schöpfen sie zum einen aus dieser Kreativität, aber auch aus ihrem  Glauben. Kein Wunder, bezeichnet Ulrich Janke seine Frau als "göttliches Geschöpf und wahren Schatz".

Bescheidener Macher

Immer wieder passiert es bei der AMSEL, dass sie wichtige und aktive Personen auszeichnen möchte, diese jedoch sagen, das sei doch nur ein kleiner Beitrag, einer Erwähnung oder gar Auszeichnung nicht wert. So oder so ähnlich verhält es sich auch mit "Promi-Wirt" Alexander Laub. Doch Ursula Späth gelang es im persönlichen Gespräch, den Betreiber des Weihnachtsmarktstandes zugunsten der AMSEL Stiftung davon zu überzeugen, dass er den Medienpreis annimmt.

Und wer kennt ihn nicht, den Stand mit dem AMSEL-Logo, der – so bleibt zu hoffen – in ein paar Wochen wieder an der unteren Königstraße kurz vor dem Schlossplatz aufgebaut sein wird: Hier gibt es Getränke, rote Wurst und herzhaften Grünkohl für alle, die mit gutem Gewissen schlemmen möchten. Denn die Erlöse des Standes gehen an die AMSEL Stiftung, und das seit vielen Jahren.

"Oftmals liegt einem ehrenamtlichen Engagement ein besonderer Bezug zum Thema zugrunde," gibt Dr. Daniela Späth-Zöllner in ihrer Laudatio auf Alexander Laub zu bedenken: "Aber Alexander Laub hatte keine Berührungspunkte zum Thema Multiple Sklerose, weder im Verwandten- noch im Bekanntenkreis war jemand an MS erkrankt.“ Laub habe die Arbeit der AMSEL durch ihre Eltern kennengelernt und so entstand die jahrzehntelange Verbindung, die so "unendlich reife Früchte trug."

Beim AMSEL-Weihnachtsstand alleine sei es nicht geblieben. Er lud auch die Soldaten der "Musikshow internationaler Militärorchester" als Dankeschön in sein Wasen-Festzelt ein. Eingeladen waren selbstverständlich auch Multiple Sklerose-Erkrankte. Dass man dafür das Wasenzelt teilweise unter großem Aufwand umbauen lassen musste, war Nebensache für den Macher Alexander Laub.

Nach der Preisverleihung und einem gemeinsamen Essen nutzten Preisträger wie Laudatoren, Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik, MS-Betroffene wie Gesunde die Gelegenheit, das Porsche Museum bei Nacht zu besuchen. Eine Chance, mit anderen ins Gespräch zu kommen und mitzuerleben, wie wichtig es ist, dass man zusammenhält.

Redaktion: AMSEL e.V., 16.10.2019