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Aktionstag 2015, zweiter Tag

Der Sonntag in Bad Boll war geprägt von Informationen, Gesprächen und Austausch. Expertenrunden mit 3 Neurologen luden ein, Fragen zu stellen und in Workshops ließen sich einzelne Themen zur Multiplen Sklerose vertiefen. Dr. Rösener referierte abschließend zu Eigenverantwortung bei MS. Mit Bildergalerie.

Der Sonntag bestand vor allen aus Gesprächen. Der Clou dabei: Die Teilnehmer konnten ihre ganz persönlichen Fragen stellen und erhielten direkt Antwort von Experten.

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Aktionstag 2015:Informieren und sich austauschen - das prägte den 2. Tag des AMSEL Aktionstages für junge Menschen mit Multipler Sklerose.

Was ist mit krankheitsmodulierenden Medikamenten und Kinderwunsch ? Was mit extremen Nebenwirkungen ? Wie oft soll man eigentlich ins MRT , wenn auf dem letzten MRT eine Veränderung zu sehen war ? Solche Fragen kamen auf in den Expertenrunden auf dem Aktionstag der AMSEL. 3 Mitglieder des Ärztlichen Beirates antworteten.

Medikamente sollte man möglichst vor der Schwangerschaft absetzen, rät Dr. Martin Rösener: "Rund 5% aller Neugeborenen haben Fehlbildungen. Wenn Sie die Medis vorher nicht absetzen, werden Sie sich – wenn Ihr Kind fehlgebildet zur Welt kommt – Ihr Leben lang fragen, ob Sie es hätten verhindern können." Ich habe erst abgesetzt, nachdem ich wusste, dass ich schwanger bin, ergänzt eine Teilnehmerin. Bei ihr sei alles gut gegangen.

MRT nach 6-12 Monaten wiederholen

Warum habe ich massive Nebenwirkungen beim Spritzen von Copaxone, wollte eine weitere Teilnehmerin wissen. Prof. Horst Wiethölters Antwort: "Es kann sein, dass schlanke Frauen aufgrund des geringen / fehlenden Unterfettgewebes beim Spritzen den Muskel treffen und in den Muskel spritzen. Gelangt es in den Muskel, so gelangt die Substanz direkt ins Blut und löst die beschriebenen schweren Nebenwirkungen aus. Man sollte sorgfältig darauf achten, dass es subkutan bleibt."

Prof. Peter Flachenecker antwortete zum Thema MRT, das hänge von der Fragestellung ab: "Geht es um die Diagnose oder um die Überprüfung der Therapie. Bei Letzterem genügen 6 bis 12 Monate Abstand."

Arbeit & Psyche

Im Workshop zu "MS und Arbeit" antwortete Rolf K. Helle, Leiter der AMSEL-Regionalstelle Südbaden zum Thema Berentung, es sei wichtig, VOR der Antragstellung solide Infos einzuholen. Eine Beratung bei der AMSEL z.B. zeige wesentliche Aspekte, die es zu berücksichtigen gibt. Dies könne nur individuell im persönlichen Gespräch geklärt werden. Als Arbeitnehmer den Schwerbehindertenausweis beantragen oder lieber nicht ? Für diese Frage gäbe es keine Patentlösung, das müsse jeder individuell entscheiden. Wer sich in seinem Job bereits geoutet hat, für den sei es denkbar. Der Schwerbehindertenausweis bringe dem Arbeitgeber zum Beispiel finanzielle Vorteile.

Prof. Roger Schmidt fasste zum Thema "Psyche und MS" zusammen, dass gerade das Erleben von Hilflosigkeit Stress bringt. Man solle Ressourcen nutzen, um sich gesund zu fühlen; dies sei eine immerwährende Übung. Ängste und Sorgen sollte man annehmen. Z.B. könne man statt nächtlich schlaflos im Bett zu liegen und zu grübeln, ein bewusstes Auseinandersetzen am Tag zu fester Zeit mit sich selbst vereinbaren. Der Mensch verändere sich durch das, was er erlebt. Wichtig sei: sich ernst zu nehmen und mindestens 10 Minuten am Tag nur um sich selbst zu kümmern.

U30 &Partnerschaft

In der U30-Gruppe berieten sich die Teilnehmer unter der Leitung von AMSEL-Mitarbeiterin Silke Wohlleben zum Thema Partnerschaft: Wann soll man die "Bombe" platzen lassen ? Wie kann man mit Depressionen umgehen, sie behandeln ? Schübe nehmen die U30-Leute als Rückschläge wahr, die einen immer wieder an den Anfang zurückwerfen. Und dabei solle man noch das Studium zu Ende bringen und fröhlich bleiben. Silke Wohlleben stellte den Teilnehmern das Modell "Umgang mit Krisen" nach Kübler-Ross vor. Wichtig war für die sehr jungen Erkrankten, dass sie hier mit Gleichaltrigen sprechen konnten.

Wolfgang Scharpf, Transaktionsanalytiker und Paartherapeut stellte die drei wesentlichen Punkte für eine gelingende Partnerschaft vor: Kommunikation, Wertschätzung und Coping. Wesentlich für die Kommunikation ist die Unterscheidung von echten und unechten Gefühlen. Echte Gefühle lösen immer Probleme und binden Paare. Unechte Gefühle verlängern Probleme in der Partnerschaft. Ohne Wertschätzung gibt es keine Liebe und kein Vertrauen. Coping ist die Eigenschaft eines Paares trotz Schwierigkeiten zusammenzuhalten und Lösungen zu finden, das gilt besonders für Paare mit chronischen Erkrankungen. MS muss kein Hindernis sein für eine gelingende Partnerschaft. Es kommt immer darauf an, wie das Paar mit den Herausforderungen der Erkrankung umgeht. Streit kommt in jeder Partnerschaft vor. Führt er zu Lösungen, macht er Sinn. Wenn Streit nicht zu Lösungen führt, ist er destruktiv und das Paar dreht sich häufig im Kreis.

Die Empfehlung des Experten: Führen Sie bei Streit die Stopp-Regel ein: Beenden Sie den Streit und beruhigen Sie sich. Reden Sie später mit Distanz über das Streitthema. Lernen Sie, zu verhandeln und Kompromisse zu machen. Bevor eine Beziehung den Bach runter geht: Nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch: Gehen Sie zu einem Paartherapeuten.

Eigenverantwortung: selbstverständlich ?

Auf seine typische unverblümte und doch sympathische Art rief Dr. Martin Rösener die MS-Betroffenen zu Eigenverantwortung auf. So erhöhe Übergewicht im Alter bis 20 Jahren das Risiko, an MS zu erkranken um das Doppelte. Rauchen erhöhe ebenfalls das MS-Risiko. Rauchen befördere die MS-Aktivität. Umgekehrt: Nicht zu rauchen verlangsame den Krankheitsverlauf. Und die Palette der Dos und Don'ts ließ sich fortsetzen: Zu viel Kochsalz ist schlecht. Ein zu niedriger Vitamin-D-Spiegel ungesund (und übrigens auch ein zu hoher)...

Medikamente solle man so nehmen wie verordnet und nicht nach Laune, weil sie sonst nicht wirken können. Bewegung tut gut, Symptome lassen sich durch körperliche Aktivität positiv beeinflussen. Bewiesen sei dies für Fatigue und Kognitive Störungen. Und zum Thema Sexualstörungen: Symptome könnten nur behandelt werden, wenn der Arzt auch davon weiß. Ein wichtiger Punkt, der ebenfalls zum Thema Eigenverantwortung gehört: Ärzte unterliegen der Schweigepflicht. Man solle sich aber gut überlegen, wem man darüberhinaus seine privaten Daten (Diagnose, Anschrift etc. ) anvertraut. Grundsätzlich bestehe die Gefahr des Datenhandels.

Sonntag Nachmittag gegen halb 5 klang der 10. Aktionstag der AMSEL, der ja eigentlich ein ganzes Wochenende dauert und nicht nur einen Tag, aus. Die Teilnehmer hatten eine Menge mehr im Gepäck auf ihrem Rückweg an Infos und neuen Bekanntschaften. Manche Sorgen konnten sie dagegen in Bad Boll zurücklassen.

AMSEL dankt den Firmen Almirall, Biogen Idec, Genzyme, Merck Serono, Novartis und Teva für die Unterstützung bei der Durchführung dieses besonderen Events für junge MS-Kranke.

Hier lesen Sie, wie der erste Teil des Aktionstagswochenendes war.

Redaktion: AMSEL e.V., 29.04.2015