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Wenn plötzlich die Stütze wegfällt

Jutta hat Multiple Sklerose. Jahrelang hat ihr Mann sie immer unterstützt und ihr den Alltag erleichtert. Dann wurde der mit einem Mal selbst krank. Im Video erzählt Jutta, wie sie mit der neuen Situation umgeht.

Viele Menschen mit Multipler Sklerose sind auf fremde Hilfe angewiesen. Weil sie selbst so manches nicht mehr oder nicht mehr alleine schaffen. Seien das Dinge im Haushalt wie Wäsche aufhängen oder Rasen mähen. Oder auch Hilfe beim An- und Umkleiden, beim Einkaufen, Kochen etc. Bei einigen Erkrankten geht zwar im Prinzip alles auch ohne fremde Hilfe, aber die Power reicht einfach nicht aus, für einen ganzen Tag, weil die Fatigue (chronische Erschöpfbarkeit) ihnen viele Pausen mitten am Tag aufzwingt.

AMSEL-Video: "Jutta – Wenn plötzlich die Stütze wegfällt"

Seit 17 Jahren hat Jutta Multiple Sklerose. Und 100 % Unterstützung durch ihren Mann. Bis der plötzlich selbst krank wird. – Im Video berichtet Jutta, wie sie damit umgeht.

Oft sind es die nächsten Angehörigen, Partner, Eltern, Kinder, die Menschen mit MS im Alltag helfen. Dem erkrankten Partner eine Art Lebensstütze sind. So auch bei Jutta, die seit 17 Jahren MS hat: Franz-Josef hat ihr bei allem geholfen, was sie alleine überfordert. Ein Mann, der sie "100-prozentig unterstützt". Dann ist er plötzlich selbst erkrankt. Seine Kraft reicht kaum für sich selbst. Jutta zusätzlich zu helfen schon gar nicht.

Langzeitfolge Fatigue

Im Frühjahr 2024 sind beide an Corona erkrankt. Während Jutta alles gut überstanden hat, musste Franz-Josef ins Krankenhaus. Bekommt wegen Covid-19 einen Herzschrittmacher. Dabei hatte er vorher nie etwas mit dem Herzen. Vor allen Dingen aber leidet er seitdem an einer starken Form der Fatigue. Ein Symptom, das viele MS-Erkrankte gut kennen. Eine abnorme Erschöpfbarkeit.

Franz-Josefs Fatigue ist sehr stark. Mehrfach am Tag schläft er einfach so ein, auch mitten in einem Gespräch. Kann sich nur schwer auf Dinge konzentrieren. Ist arbeitsunfähig. Kann aufgrund der starken Fatigue wenig mit seiner Freizeit anfangen.

Ein unüberwindbarer Berg

Plötzlich waren da viele Sorgen und Aufgaben im Leben der beiden. Jutta überlegte sogar, ihr Haus zu verkaufen, weil sie mit einem Mal vor einem scheinbar unüberwindbaren Berg stand. "Wenn der Partner wegfällt, auf den man sich immer verlassen hat, an den man sich immer anlehnen konnte, das ist eine Riesenhürde", gibt Jutta unumwunden zu.

Hilfe von anderen anzunehmen, das fiel Jutta zunächst nicht leicht, aber sie musste auch aktiv nach Hilfe suchen. Die zwei haben zum Glück eine tolle Familie, tolle Nachbarn und Freunde. Beispiel Rasenmähen: Jutta hat es selbst probiert, den Mäher noch nicht einmal gestartet bekommen. Da kam der Nachbar auf sie zu und meinte nur: "So geht's wirklich nicht!" Gesagt, geholfen: Der Rasen war gemäht.

Eigene Ansprüche prüfen

Auf Dauer, das wurde Jutta schnell klar, musste sie auch "einfach" dazulernen. Nämlich gelegentlich mal fünfe gerade sein zu lassen. Auch wenn das ihr als Perfektionistin besonders schwerfällt. Heute wird der Rasen eben nur noch alle 2-3 Wochen gemäht, anstatt wöchentlich.

Natürlich hat die Schicksalswendung mit Franz-Josefs Erkrankung nicht nur praktische Auswirkungen. Dazu kommt der seelische Umgang. Jutta hat manche Nacht geweint. Anderen in ähnlichen Situationen rät sie: zu reden. Mit jemanden, der Empathie hat. Zu reden hilft oft ein gutes Stück dabei, seine Gedanken zu ordnen und so besser mit neuen, weniger erfreulichen Situationen klarzukommen.

Quelle: AMSEL-Videos, 16.12.2024.

Redaktion: AMSEL e.V., 16.12.2024