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Mobil sein und bleiben mit MS

Mobilität ist ein wichtiges Stück Lebensqualität – nicht nur im körperlichen Sinne, sondern und vor allem auch, um rauszukommen. Sie ist die Grundlage, um am täglichen, sozialen, kulturellen und beruflichen Leben teilhaben zu können. MS kann die Mobilität beeinträchtigen. Wie MS-Erkrankte trotz eingeschränkter Beweglichkeit mobil bleiben und ihren Bewegungsradius erweitern können, zeigt together.

Nicht wenige Menschen mit Multipler Sklerose fürchten sich ein bisschen davor, ein Hilfsmittel wie Stock, Rollator oder gar einen Rollstuhl zu nutzen. Sie schieben es so weit als möglich hinaus, solche Hilfen zu nutzen. Sie wollen die "Schwelle", Hilfsmittel zur Fortbewegung zu nutzen, nicht "überschreiten". Man merkt schon: Das ist hauptsächlich Kopfsache. Manchmal sind es auch die fremden Köpfe, vor deren Gedanken man sich fürchtet: Was soll nur Frau Soundso von mir denken, wenn ich plötzlich mit Stock ankomme!

Das ist genauso verständlich wie hinderlich. (Wenig) geflügelte Worte wie an den Rollstuhl "gefesselt" zu sein, erleichtern den Zugang zu den Hilfsmitteln nicht gerade. Einen Rollstuhl nutzt man freiwillig, um von A nach B zu kommen, wenn es anders nicht oder nicht so gut geht. Und viele MS-Erkrankte verwenden ihn sowieso nur in "Teilzeit", haben etwa zu Hause ihre eingeübten Wege und Griffe, um die paar Meter ohne Rollstuhl zurückzulegen. Sorgen für irritierte Blicke, wenn sie im Supermarkt dann vor einem Regal aufstehen.

Wieder mehr unter die Leute kommen

Rollator und Co. sind eben gerade nicht "schuld" an der MS. Sie machen das Leben mit Einschränkungen auch nicht schlimmer, sondern ganz im Gegenteil: Sie bringen einen Gutteil an Lebensqualität zurück. Sie erleichtern es, auszugehen, selber einzukaufen, Freunde zu treffen, zur Arbeit zu kommen, frische Luft zu tanken, die Sonne zu genießen oder auch – wie jetzt gerade – die Herbstluft zu schnuppern.

Allen, die sich trotz Gehproblemen, trotz Ataxie und Schwanken, trotz Müdigkeit nach kurzen Strecken, noch scheuen sollten, diesen "Schritt" zu wagen, es mal mit einem geeigneten Hilfsmittel zu probieren, sich das Leben – auch mal schön! – einfacher zu machen, denen sei dieses Video ans Herz gelegt, in dem Ralf, nonchalant wie stets, drüber plaudert, wie, warum und – last, not least – in welcher Farbe er seinen Gehstock bevorzugt:

Doch welches Hilfsmittel zu welchem Zweck? Was sollte man beachten? together zeigt ein paar Möglichkeiten auf:

Mobilität beginnt mit dem richtigen Hilfsmittel

So unterschiedlich der Verlauf einer MS sein kann, so vielfältig ist auch die Nutzung von Hilfsmitteln.

Rollator und Gehstock können Halt bieten und die Fortbewegung erleichtern. Beim Gehstock sind insbesondere die richtige Höhe und die Wahl des Griffes wichtig. Viele MS-Erkrankte nutzen auch Nordic-Walking-Stöcke, um Gleichgewichtsstörungen auszugleichen.

Ein weiteres Plus an Halt gewährleistet ein Rollator. Modelle mit drei Rädern sind leichter und beweglicher als Modelle mit vier Rädern. Rollatoren mit drei Rädern weisen allerdings eine größere Instabilität auf. Wichtig: Ein Rollator sollte gute Bremsen und eine Feststellbremse haben. Profilräder und Reflektoren sind ebenfalls empfehlenswert. Für eine kleine Pause hat sich eine integrierte Sitzfläche bewährt. Die Sitzfläche wie auch die Handgriffe sollten bei einem guten Rollator individuell einstellbar sein. Da viele Rollatoren zusammenklappbar sind, können diese Modelle bspw. bei einem Ausflug gut in Fahrzeugen verstaut werden.

Ein Gehgestell ist flexibel und platzsparend und kann MS-Erkrankten mit starken Geheinschränkungen Sicherheit bieten. Das Gehgestell wird nach jedem Schritt nach vorn gestellt.

Scooter / Elektromobile sind drei- oder vierrädrige Elektrofahrzeuge mit offenem Sitz und eignen sich für draußen. Die Lenksäule, wie bei einem Motorrad, sollte in der Neigung verstellbar sein, ebenso die Sitzposition. Die Höchstgeschwindigkeiten liegen meist bei 6 – 15 km/h. Bis 6 km/h sind sie als Hilfsmittel anerkannt. Für Modelle, die über 6 km/h fahren können, sind eine Betriebserlaubnis (über den Händler möglich) und eine Haftpflichtversicherung notwendig.

Rollstühle können ein großes Stück Mobilität, Lebensqualität und Selbstständigkeit zurückgeben. Wer bspw. bei einem Rollstuhltraining gelernt hat, richtig mit dem Rollstuhl umzugehen, schätzt die unbeschwertere Mobilität. Auch für Menschen, die nicht dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen sind, kann er zeitweilig sinnvoll sein.

Nach einer ärztlichen Verordnung mit medizinischer Begründung sowie der genauen Klassifizierung, auch des Zubehörs wie bspw. eines restkraftverstärkenden Antriebs, werden die Kosten in der Regel durch die Krankenkasse übernommen.

Einen für sich passenden Rollstuhl zu finden, ist von entscheidender Bedeutung, aber nicht immer so einfach. Er muss individuell ausgewählt und angepasst werden. Es ist zu klären, welche motorischen Fähigkeiten bzw. Einschränkungen vorliegen und wie und wo der Rollstuhl eingesetzt werden soll, mit dem Ziel, eine größtmögliche Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit zu ermöglichen. Ein Rollstuhl sollte vorhandene körperliche Funktionen unterstützen, um die noch vorhandene Mobilität zu nutzen. MS-Erkrankter, Arzt, Krankengymnast und/oder Ergotherapeut sollten sich dabei eng abstimmen. Der Fachhandel, meist Sanitätshaus, übernimmt die Beschaffung und den ggf. erforderlichen Umbau.

→ Fahr- und Therapieräder: Je nach Anforderung stehen verschiedene Modelle zur Verfügung. Um trotz Gleichgewichtsproblemen sicher mit dem Rad unterwegs zu sein, kann bspw. ein spezielles Dreirad, ggf. mit Elektroantrieb, hilfreich sein. Auch Fahrräder mit vier Rädern für noch mehr Sicherheit sind erhältlich. Sitzt der Radfahrer auf einem tief liegenden Sessel, hat dies neben einer bequemen Sitzposition weiterhin den Vorteil einer ermüdungsfreieren Fortbewegung. Ein Handbike eignet sich für diejenigen, deren Beintätigkeit eingeschränkt ist. Das Fahrrad oder Liegerad wird alleine durch die Arme angetrieben. Neben den klassischen Handbikes gibt es auch Adaptivbikes, die als Nachrüstsatz vor fast jeden handelsüblichen Rollstuhl montiert werden können. Diese sind auch mit Motorunterstützung erhältlich. Fahr- und Therapieräder können mitunter von den Krankenkassen übernommen werden, ist oft aber schwierig.

Mobilität durch zusätzliche Leistungen

Schwerbehinderte können unter bestimmten Voraussetzungen verschiedene Erleichterungen erhalten, die die Mobilität betreffen:

Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV): kostenlos bei Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen „H“ und „Bl“; mit Merkzeichen „G“, „aG“ und Gl“ ist die kostenlose Beförderung nach Erwerb einer Wertmarke beim Versorgungsamt und einer Eigenbeteiligung von 91 Euro im Jahr ebenfalls möglich.

Kraftfahrzeugsteuer: Befreiung der Steuer bei Merkzeichen „H“ „Bl“ oder „aG“, Reduzierung um 50% bei Merkzeichen „G“ und „Gl“.

GdB von mindestens 70: Steuervorteile durch Recht auf Fahrtkostenpauschale in Höhe von 900 Euro für Privatfahrten (bei Merkzeichen „aG“ 4.500 Euro) oder Absetzen tatsächlicher Kosten für Fahrten zur Arbeit (ebenfalls auch bei Merkzeichen „aG“) und Anspruch auf ermäßigte Bahnfahrten/Bahn-Cards.

Orangefarbener Parkausweis: Parkerleichterungen wie bspw. Parken bis zu drei Stunden an Stellen, an denen das eingeschränkte Halteverbot gilt oder das Parken bis zu drei Stunden auf Parkplätzen für Anwohner. Dieser Parkausweis berechtigt aber nicht zum Parken auf Behindertenparkplätzen.

Blauer Parkausweis: berechtigt zum Parken auf Parkplätzen für Schwerbehinderte bei Vorliegen von Merkzeichen „aG“ oder „Bl“.

Regionale Vergünstigungen: Zum Teil bieten einzelne Land und Stadtkreise kostenlose Inanspruchnahme von Fahrdiensten für Menschen mit Behinderung an, verfügen über Listen mit rollstuhlgerechten Fahrdiensten und Taxiunternehmen oder geben Fahrgutscheine aus, u.U. auch bei Vorliegen finanzieller Bedürftigkeit. Wichtig: Informieren Sie sich über kommunale Angebote.

Fahrgutscheine und Krankentransporte: Fahrgutscheine sollen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (z.B. um Verwandte und Freunde zu besuchen, kulturelle Angebote zu nutzen oder Besorgungen zu machen) ermöglichen; für Krankenfahrten zu stationären bzw. ambulanten medizinischen oder therapeutischen Fahrten, die medizinisch notwendig sind, können Fahrkosten übernommen werden, sofern eine ärztliche Verordnung vorliegt.

Die Verordnung zur Krankenbeförderung sollte vorher ausgestellt werden, da nur im Notfall eine nachträgliche Beförderung verordnet werden kann. Es gilt der Weg vom Aufenthaltsort bis zur nächstgelegenen, geeigneten Behandlungsmöglichkeit. Genaueres ist in der Krankentransport-Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) festgelegt.

Fahrten zur ambulanten Behandlung sind nur in wenigen Ausnahmefällen verordnungsfähig. Vor allem Patienten, die mobil eingeschränkt sind, können vom Arzt eine Verordnung für Krankenfahrten mit Taxi oder Mietwagen ohne vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse unter folgenden Voraussetzungen erhalten: Pflegegrad 4 und 5 oder eine Schwerbehinderung mit Merkzeichen, „aG“, „BI“ oder „H“; ebenso Betroffene mit Pflegegrad 3, wenn sie nachweislich zusätzlich dauerhaft mobilitätseingeschränkt sind. Patienten, die vergleichbar zu diesem Personenkreis mobil eingeschränkt sind, bei denen die entsprechenden Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen, können die Verordnung vor Behandlungsbeginn zur Genehmigung der Krankenkasse vorlegen.

Mit dem Auto unterwegs

Nicht nur für MS-Betroffene ist der Führerschein ein hohes Gut. Insbesondere in ländlichen Gebieten geht es für viele „nicht ohne“, um am Leben oder an der Arbeit teilhaben zu können. Auch ein Auto ist eine Mobilitätshilfe. Es würde jedoch niemand von einem Autofahrer behaupten, er sei ans Auto "gefesselt".

Man sieht also: Nicht nur behinderte Menschen sind auf Hilfsmittel angewiesen, um mobil zu bleiben. Wichtig ist weniger, ob man Hilfsmittel nutzt, sondern welche man wann und für welche Gelegenheiten einsetzt. Das ist individuell völlig unterschiedlich. Ein MS-Betroffener, der noch ganz gut gehen kann, nur bei längeren Strecken über 2 km schnell erschöpft ist, aber zentral gegenüber einer Haltestelle und mit Aufzug wohnt, erreicht vielleicht alle Ziele vom Bäcker bis zu Freunden, dem Job oder zum Arzt ohne weitere Hilfsmittel. Ein Gesunder, der mitten auf dem Land in einer kleinen Siedlung lebt, braucht sein Auto dagegen schon, um eine Brezel zu besorgen. Das oder die Hilfsmittel müssen also zu uns passen, nicht umgekehrt. Und das völlig unabhängig davon, ob wir gehbehindert sind oder nicht.

Mehr Informationen und Tipps, wie man mit MS zu Hause (durch barrierefreies Wohnen), unterwegs (mit Auto, Handbike, Rollator oder Scooter) oder auch auf Reisen mobil bleiben kann, bietet die Broschüre „Mobil zu Hause und unterwegs“. Mehr zum Thema Hilfsmittel, ihre Beantragung und Finanzierung finden Sie in der Broschüre „Hilfsmittel: Unterstützung im Alltag“.

Gleich bestellen unter:

Quelle: together, 02.22

Redaktion: AMSEL e.V., 11.11.2022