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Aktiv im Beruf mit MS - Teil 3: Wissenswertes rund um Ihre Rechte in Ausbildung, Beruf und Rente

Die MS mit ihren verschiedenen Verlaufsformen verlangt in beruflicher Hinsicht häufig individuelle Anpassungen. Das vorgestellte Fallbeispiel von Frau H. stellt mögliche Themen vor, die MS-Erkrankten im Laufe ihres Berufslebens begegnen können. Teil 3 der Serie geht auf die berufliche Rehabilitation, Übergangsgeld, Rente und Krankengeld ein. [Stand: September 2024]

Fallbeispiel: Frau H., 48 Jahre, GdB (Grad der Behinderung) von 50, kommt körperlich und kognitiv an ihre Grenzen. Vor allem langes Stehen und hochkonzentriertes Arbeiten belasten sie. Frau H. wies immer längere Krankheitsphasen auf, war monatelang krankgeschrieben, nahm gerade eine medizinische Reha in Anspruch. Aus dem Entlassbericht geht hervor, dass sie die Anforderungen an ihre derzeitige Tätigkeit nicht mehr leisten kann, sie nur noch reduziert belastungsfähig ist. Leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts zwischen 3 bis unter 6 Stunden werden als weiter möglich beurteilt.

Innerbetrieblich ergab sich die Möglichkeit, in das Back-Office zu wechseln und ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Auch wenn sie bereits Büroerfahrung hat, reicht ihre Qualifikation hierfür nicht aus. Im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation) wurde ihr eine Qualifizierungsmaßnahme bewilligt. Damit wurde ein Wechsel auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz möglich.

→ Im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) gibt es vielfältige Möglichkeiten der Unterstützung. Sie können Menschen mit Behinderungen oder drohenden Behinderungen ermöglichen, weiterhin erwerbstätig zu bleiben und/oder ihre Berufschancen zu verbessern. Dazu zählen bspw. Maßnahmen zur Berufsvorbereitung, Ausbildung und Weiterbildung, betriebliche Qualifizierung, KfZ-Hilfe, technische Arbeitshilfen, Arbeitsassistenz, finanzielle Leistungen an den Arbeitgeber, Förderung einer Existenzgründung oder Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Grundsätzlich können unterschiedliche Leistungsträger zuständig sein. Insbesondere sind das bei MS-Betroffenen die Arbeitsagentur, die Rentenversicherung oder die Träger der Eingliederungshilfe.

Übergangsgeld: In der Zeit der medizinischen Rehabilitation oder bei Inanspruchnahme von LTA sind MS-Betroffene finanziell abgesichert. Wenn die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers endet, sind sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Regel durch das Übergangsgeld wirtschaftlich abgesichert. Das Übergangsgeld muss beim zuständigen Leistungsträger beantragt werden, da bei jedem Leistungsträger andere Voraussetzungen gelten. Während des Bezugs von Übergangsgeld werden weiter Sozialversicherungsbeiträge durch den Leistungsträger entrichtet.

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Frau H., nun 62 Jahre alt, konnte nach ihrer Qualifizierung noch viele Jahre gut arbeiten. Der leidensgerechte Arbeitsplatz im Sitzen, flexiblere Arbeitszeiten und vereinfachte Anforderungen an ihre Tätigkeiten ermöglichten das. Inzwischen machte ihr aber die Fatigue sehr stark zu schaffen. Es gelang ihr kaum noch, sich länger als eine Stunde zu konzentrieren. Das führte zu vielen Krankheitstagen, z.T. auch über mehrere Wochen in den letzten Jahren. Da sie wegen der gleichen Krankheit, ihrer MS, die letzten drei Jahre immer wieder länger krank war, stellte sich heraus, dass die restliche Anspruchsdauer auf Krankengeld nicht mehr so lange war, wie von ihr erwartet.

→ Aufgrund derselben Krankheit wird innerhalb einer „Drei-Jahres-Blockfrist“ das Krankengeld für maximal 78 Wochen gezahlt. Die 6 Wochen Entgeltfortzahlung werden in dieser maximalen Leistungsdauer mitberücksichtigt.

Ihr restliches Krankengeld belief sich auf noch 30 Wochen. Sie entschied sich, erneut eine medizinische Rehabilitation zu beantragen, die auch genehmigt wurde. Während dieser wurde festgestellt, dass Frau H. nicht mehr in der Lage war, in ihren jetzigen Tätigkeiten bis zu 3 Stunden täglich zu arbeiten. Die Reha-Klinik bestätigte ihr im Entlassbericht ein Leistungsvermögen von unter 3 Stunden bezogen auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Nach Einschätzung der Klinik waren die medizinischen Voraussetzungen auf eine volle Erwerbsminderungsrente erfüllt und sie empfahlen ihr, diese zu beantragen.

→ Bei Erwerbsminderungsrenten gilt der Leitsatz „Reha kommt vor Rente“. Wenn weder durch eine berufliche noch eine medizinische Rehabilitation die (teilweise) Erwerbsfähigkeit erhalten werden kann, ist bei gesetzlich Versicherten ein Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente möglich, wenn die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht ist. Es müssen jedoch besondere Voraussetzungen erfüllt sein wie bspw. die erforderlichen Vorversicherungszeiten. Vor Eintritt der Erwerbsminderung betragen diese mindestens fünf Jahre Versicherungszeiten (allgemeine Wartezeit). Zusätzlich müssen in dieser Zeit mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt worden sein. Direkt nach Studium und Ausbildung können hier verkürzte Vorversicherungszeiten gelten.

Neben den genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gibt es noch die medizinische Leistungsbeurteilung. Eine teilweise Erwerbsminderungsrente kann in Frage kommen, wenn das tägliche Leistungsvermögen nur noch 3 bis weniger als 6 Stunden, bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, besteht. Eine volle Erwerbsminderungsrente kommt in Betracht, wenn das tägliche Leistungsvermögen unter 3 Stunden, ebenfalls bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, liegt.

Sowohl bei teilweiser als auch bei voller Erwerbsminderung ist ein Hinzuverdienst möglich. Die Hinzuverdienstmöglichkeiten wurden zum 01.01.2024 erneut angehoben. Bei Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf mindestens 37.117,50 Euro jährlich, bei Rente wegen voller Erwerbsminderung auf 18.558,75 Euro.

Neben der vollen Erwerbsminderungsrente könnten je nach Alter noch andere Arten der Rente infrage kommen: Für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ist neben dem maßgebenden Alter ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 erforderlich. Außerdem muss eine Mindestversicherungszeit von 35 Jahren erfüllt sein. Für die reguläre Altersrente muss das maßgebende Alter erreicht und die Mindestversicherungszeit von 5 Jahren erfüllt sein. Das Renteneintrittsalter wird seit 2012 stufenweise angepasst. Weiter gibt es die Altersrente für langjährig Versicherte, wofür 35 Versicherungsjahre notwendig sind. Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte erfordert 45 Versicherungsjahre. Mit welchem Alter genau ein Renteneintritt möglich ist, hängt vom Geburtsjahr ab.

Grundsätzlich gilt: Die individuellen Konstellationen der Rentenarten sollten immer vor Antragsstellung mit der Rentenversicherung besprochen werden. Die Deutsche Rentenversicherung hat hierzu eine Beratungspflicht.
 

Redaktion: AMSEL e.V., 30.10.2024